Cardea

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„Rückfall? Wie meinen Sie das?", wollte ich aufgebracht wissen. Wie von Geisterhand geführt liefen meine Beine los, in Richtung ihres Zimmers. Dr. Williams war mir dicht auf den Versen, bis sie mich einholte und zurückhielt.

„Liam, ich sage dir das nicht ohne Grund. Ich bin ihre einzige Vertraute, dass weißt du, und selbst mich lässt sie nicht mehr an sich heran. Sie isst nichts mehr, sondern sitzt in ihrer Ecke und rollt sich ein."

„Sie wissen, welche Wirkung ich auf sie habe", sagte ich und will wieder los gehen, doch auch dieses Mal hält mich Dr. Williams zurück.

„Du darfst aber nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappt", sagte sie, bevor sie mich losließ und neben mir zu ihrem Zimmer ging. Ich spürte ihren Blick einige Male auf mir, doch ich blickte bloß geradeaus, das Ziel immer im Blick. Immer wieder vernahm ich ein leises Seufzen, wenn sie ihren Blick von mir abwand und ebenfalls nach vorne sah. Uns liefen ein paar Schwestern entgegen, manche mit Patienten. Einige von ihnen kamen mir sogar noch bekannt vor. Im vorbeilaufen schenkte ich jedem von ihnen ein flüchtiges Lächeln, so lange, bis sie an mir vorbei waren.

Der Gang fühlte sich endlos an, bis wir endlich vor ihrer Tür standen. Dr. Williams legte mir eine Hand auf den Rücken und wünschte mir viel Glück, bevor sie die Tür öffnete und mich hineinließ. Ich fühlte mich an den Anfang zurück versetzt. Das Mädchen saß in einer dunklen Ecke, die Beine an den dürren Körper gezogen, die Arme darum geschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt. Ein kleines Häufchen Elend. Langsam ging ich auf sie zu, blieb immer wieder kurz stehen, um ihr zu signalisieren, dass ich nichts Böses wollte. Doch sie verharrte in ihrer Position, als schien sie sich nicht darum zu kümmern, dass ich zu ihr wollte.

„Hey, Kleine", sagte ich, als ich vor ihr stand. Als ich mich bückte, knackten meine Knie, was sie ein wenig aufschauen lies. „Ich bins." Zu meiner Überraschung drehte sie sich von mir weg, versteckte sich weiter in der Dunkelheit. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihr aus, doch als ich sie berührte, zuckte sie heftig zusammen und verschmolz beinahe mit der Dunkelheit. Ein kleiner Stich zog durch mein Herz, als sie noch weiter von mir wegrutschte. Ich verharrte noch einen Moment hinter ihr, bis ich aufgab und mich von Dr. Williams wegziehen ließ. Nachdem sie die Tür von außen geschlossen hatte, lehnte ich mich daran und rutschte runter.

„Ich hab's dir gesagt ...", sagte Dr. Williams nur, während ich mein Gesicht in den Händen vergrub. Ich verstand das nicht. Sonst war über Nacht nie etwas passiert. Hatte sie sich dazu entschlossen, weil sie keine Hilfe mehr annehmen wollte? Am Rand der Verzweiflung suchte ich nach irgendwelchen Möglichkeiten, doch mein Kopf war leer. Ein großes schwarzes Loch. Die Stille in meinem Kopf wurde von einem Stoß gegen meinen Fuß unterbrochen. Müde blickte ich nach oben, um Dr. Williams zu begegnen.

„Sie braucht ihr Essen." Ihr Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Nickend stand ich auf und entfernte mich von der Tür. Zu gerne würde ich ihr das Essen bringen, doch die Erinnerung an ihren Anblick hinderte mich daran. So ließ ich Dr. Williams alleine in den Raum treten. Nachdem sie wieder bei mir war, verabschiedete ich mich von ihr und ging schnellen Schrittes zum Ausgang.

Draußen wehte der Wind durch mein Haar und machte es ganz durcheinander. Ich bemühte mich erst gar nicht sie wieder zu richten, stattdessen trottete ich auf meinen Wagen zu, auf dessen Windschutzscheibe ein paar Blätter klebten und setzte mich hinein. Nachdem ich den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hatte, baumelte er leblos neben meinem Knie. Mein Blick war auf die Mauer vor mir gerichtet. Seufzend versuchte ich erneut gegen diese Leere in meinem Kopf anzukämpfen, jedoch ohne Erfolg. Also drehte ich den Schlüssel und ließ den Motor kurz aufheulen, ehe ich von der Klinik wegfuhr.

Bei der Wohnung angekommen, parkte ich den Wagen in der Einfahrt und ging nach oben. Niall musste aufgestanden sein, denn ich hörte, wie im Fernseher eine Stimme über das gestrige Fußballspiel sprach. Ich zog Jacke und Schuhe aus und schlurfte ins Wohnzimmer, doch es war leer.

„Nialler?", rief ich.

„Küche!" Niall war wieder mal am essen. Die Stirn noch immer in Falten gezogen setzte ich mich zu ihm an den Küchentisch und fummelte an der improvisatorischen Tischdecke.

„Alter, was ist denn mit dir passiert?", wollte mein bester Freund von mir wissen, der mittlerweile aufgehört hatte zu essen. Nach ein paar Vergewisserungen, dass er es wirklich hören wollte, erzählte ich ihm von dem Mädchen und meiner Planlosigkeit. Gemeinsam rätselten wir, wie wir, oder besser gesagt ich, dem Mädchen helfen könnten. Niall war einmal sogar so tief in Gedanken, dass sein Essen kalt wurde. Und genau dafür liebte ich meinen besten Kumpel. Wenn ich ein Problem hatte, ließ er sogar sein Essen kalt werden.

Wir hatten den restlichen Tag mit Überlegungen mehr oder weniger verschwendet und immer noch keine Lösung gefunden. Niall hatte mich im Schlafzimmer alleine gelassen und schaute Fern, während ich in meinem Bett lag und an die Decke starrte. Die Gedanken ganz bei dem Mädchen, bis ich schließlich die Augen schloss und einschlief.

***

Nach einigen Tagen endlich ein Update ... wenn auch ein kurzes :D

ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen ♥

Neverland3r xoxo

Mute [*Abgeschlossen*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt