Acheron

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Sie schwieg.

Das Schweigen, welches sich über uns legte, wie eine Decke wurde immer unerträglicher. Ich hatte so sehr gehofft, dass ich es geschafft hatte und sie zum Reden zu bringen.

Wir standen eine Weile einfach nur da; sie mit geöffnetem Mund und ich direkt vor ihr. Langsam hob ich meine Hand, um ihr eine Strähne hinter ihr Ohr zu streichen. Als meine Fingerspitzen ihre Haut an der Wange berührten, schlossen sich ihre Lippen und ich spürte, wie sie sich ein kleines Bisschen an meine Hand schmiegte. Sie schloss für etwas länger als einen Wimpernschlag ihre Augen und begann zu lächeln. Ihr Lächeln, so klein es auch war, steckte mich automatisch an, sodass ich beinahe grinsend vor ihr stand.

„Lass dir Zeit", flüsterte ich. „Rede mit mir, wenn du dich dazu bereit fühlst." Ich streifte ihren Kieferansatz, als ich meine Hand von ihr entfernte. „Aber ich weiß deinen Versuch sehr zu schätzen." Ihr Lächeln wuchs an, als sie meine Worte hörte. Ich nahm meine Hand nun ganz zurück und schob beide in die Hosentaschen, etwas unschlüssig, was zu tun war.

Wir sahen uns noch eine Weile schweigend an, bevor ich das Wort ergriff: „Hast du Lust, nochmal in den Park zu gehen?" Sie musste nicht eine Sekunde überlegen, sondern nickte heftig und griff nach meiner Hand. Ihre Geste brachte mich zum Schmunzeln. Ich erklärte ihr, dass ich kurz mir Dr. Williams darüber reden wollte, damit sie Bescheid weiß. Es fiel ihr schwer, ihre zierliche Hand aus meiner zu lösen, doch schließlich gab sie nach und ließ mich aus dem Raum. Ich versprach ihr, so schnell wie möglich wieder bei ihr zu sein, bevor ich die Tür schloss und auf Dr. Williams Büro zusteuerte. Mittlerweile hatte sich der Weg so in mein Hirn eingebrannt, dass ich ihn mit verbundenen Augen wiedergefunden hätte.

Als ich ihr Büro erreichte, stellte ich fest, dass die Tür einen Spalt geöffnet war. Ich hob grade die Hand, um zu klopfen, als ich Dr. Williams Stimme hörte.

„Und weshalb tauchen sie jetzt auf? Sie hätten merken müssen, dass ihre Tochter nicht mehr nach Hause kam." Ihre Stimme klang ruhig, beinahe zu ruhig. Ich ließ die Hand sinken und tat das, was man nach Möglichkeit vermeiden sollte: ich lauschte.

„Ich kann ja wohl tun und machen, was ich will! Wollen Sie mir jetzt etwa vorscheiben, was ich wann und wie zu tun habe?!"

„Nein, natürlich nicht Sir. Es kommt mir nur fragwürdig vor, dass sie all die Jahre über-"

„Sie bringen mich jetzt auf der Stelle zu ihr, haben Sie das verstanden?!"

„Ich darf doch wohl sehr Bitten. Wenn Sie weiter in dem Ton mit mir sprechen, rufe ich die Polizei." Dr. Williams hatte jetzt ebenfalls ihre Stimme erhoben, versuchte aber, freundlich zu bleiben. Einen kurzen Moment herrschte absolute Stille im Raum. Ich hatte das Gefühl, ich könnte die Wanduhr im inneren des Zimmers hören. Ein Stuhl kratzte über den Boden, dann ertönten schwere Schritte.

„Wenn Sie mich nicht umgehend zu meiner Tochter bringen, werde ich Sie verklagen."

„Gegen was denn bitte? Darauf, dass ich meine Patienten nicht in Gefahr bringen möchte?" Etwas ging zu Bruch und ließ mich zusammenzucken. Kurz darauf wurde die Tür von einem stämmigen, ungepflegten Mann geöffnet, aus dessen Rachen man eine Alkoholfahne riechen konnte. Sein Blick verfinsterte sich noch mehr, als er mich sah.

„Was glotzt du so, Bursche?!" Meine Augen tränten etwas von seinem Atem. „Und Sie, Doktor, bringen mich jetzt zu meinem Missgeschick von Kind.", blaffte er und stieß mich an, als er an mir vorbeistampfte. Dr. Williams erhob sich von ihrem Drehstuhl und kam auf mich zu.

„Wie es aussieht, gibt es ein Problem, Liam. Er ist der Vater von deiner Patientin." Ich machte einen ängstlichen Unterton in ihrer Stimme aus, was durchaus nachvollziehbar war, so wie der Mann drauf war. Ich nickte kurz und drehte mich um, um dem Mann zu folgen. Während ich zielstrebig zu ihrem Raum ging, hörte ich die Schritte Dr. Williams hinter mir. Sie hielt etwas Abstand zu mir, was ich ihr nicht verübeln konnte. Ich würde beide beschützen.

Der Vater des Mädchens öffnete sämtliche Türen, um seine Tochter zu finden, ich blieb ihm auf den Fersen. Beobachtete jede seiner Bewegungen, jeden Schritt. In kürze würde er an ihrer Tür ankommen. Ich holte ihn ein.

„Sie sind also ihr Vater?"

„Willst du mir auch noch ne Moralpredigt halten?!"

„Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich werde nicht zulassen, dass sie ihr etwas antun." Ich bekam immer mehr das Gefühl, dass sie wegen ihm so war, wie sie war. Unbeirrt läuft der Mann weiter, immer näher zu ihrem Raum. Ich musste mir jetzt schnell etwas überlegen, bevor er die Tür erreichte, doch es war zu spät. Während meines fieberhaften Denkens hatte er die Tür bereits geöffnet. Schnell trat ich hinter ihn und sehe noch, wie sich die Emotionen auf ihrem Gesicht schlagartig veränderten. Sie wich einen Schritt zurück, doch ihr Vater war schneller und packte sie bereits am Handgelenk. Ihrem Blick nach zu urteilen war sein Griff alles andere als sanft und väterlich. Als der Mann zurücktrat, sprang ich förmlich zur Seite, um nicht von ihm umgestoßen zu werden. Dabei sah ich Dr. Williams nicht, die zu uns aufgeschlossen war und rammte sie leicht an. ich drehte mich kurz zu ihr um, um mich zu vergewissern, dass alles okay bei ihr war. Als sie nickte, drehte ich mich wieder um und sah, wie der Mann das Mädchen grob hinter sich her nach draußen zog.

***

Hallo ihr lieben :)

es tut mir Leid, dass ich so lange hier inaktiv war... aber jetzt hat mich meine Kreativität wieder gepackt und tada :D

Hoffe, es hat euch gefallen ♥

Neverland3r xoxo

Mute [*Abgeschlossen*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt