Prolog

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Die weißen Wände wirkten berückend. Der kleine Holztisch zwischen der Therapeutin und dem Mädchen war leer, bis auf zwei Gläser, die mit Wasser gefüllt waren. Die Kohlensäure in den Gläsern stieg um die Wette, nur um an der Oberfläche als große Blasen zu zerplatzen. Das einzige Geräusch im Raum, war das Ticken der modernen Uhr, die neben der ebenfalls weiß gestrichenen Tür hing. Die ältere Frau blätterte in einem kleinen Berg an Zetteln, während das Mädchen auf ein Staubkorn starrte, welches an der Tischkante lag. Ihre Hände ineinander verschlungen konzentrierte sie sich auf den Fussel, der von den kleinsten Bewegungen ein Stück über den sauberen Tisch rutschte. Die Frau stoppte das Durchforsten der Unterlagen und blickte zu dem Mädchen. Außer dem kneten ihrer Hände, rührte sie sich nicht. Das leise seufzten der Therapeutin erfüllte den Raum, aber das Mädchen ließ sich davon nicht beirren und starrte weiter auf das Staubkorn. Langsam löste sich der Blick der Frau von dem Mädchen und wanderte auf die Uhr. Sie saß nun schon über eine Stunde mit ihr in diesem tristen Raum. Die einzige bunte Farbe, war das Landschaftsgemälde, welches vom matten Licht von draußen beschienen wurde.

„Wie heißt du denn?“, setzte die ältere Dame eine Konversation an, doch das Mädchen schaute nicht einmal auf. Das Mädchen wollte lediglich zurück in ihr Zimmer, denn dort war sie ungestört, für sich alleine. Konnte ihren Gedanken nachhängen. Es gab keinen, der ihr nah wäre. Nur sie und ihre Gedanken.

„Ich will dir doch nichts böses, meine Liebe“, versuchte es die Therapeutin erneut, diesmal mit etwas Nachdruck. Das Mädchen schwieg. Die Frau stand auf, woraufhin das Mädchen ihre leeren Augen auf die Therapeutin richtete. Als diese einen Schritt auf sie zukam, zuckte das Mädchen heftig zusammen, versuchte nach hinten zu flüchten, doch die Lehne des Sofas, auf dem sie saß, machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

„Ganz ruhig. Ich werde dir nichts tun“, beteuerte die Frau und hob ihre Hände neben ihren Kopf. Doch diese Geste ließ das Mädchen aufschreien und sofort versteckte sie ihr Gesicht, welches mit vielen Kratzern verziert war, hinter ihren Armen. Dabei rutschten ihre Ärmel nach oben und legten die Blutergüsse an ihren Handgelenken frei. Sofort nahm die Frau die Arme wieder runter, redete beruhigende Worte, doch es half nichts. Das Mädchen zitterte am gesamten Leib, schluchzte leise und Tränen liefen Stumm über ihre zerkratzten und leicht lilanen Wangen. Die Therapeutin entfernte sich wieder von dem Mädchen, ging zur Tür und öffnete sie leise. Sie trat auf den Flur, wo eine Schwester stand, die das Mädchen hier her gebracht hatte. Die beiden schauten sich eine Weile schweigend an, bis die Therapeutin die Tür so leise ins Schloss zog, wie sie sie geöffnet hatte. Der Flur sah nicht viel anders aus, als das Zimmer, welches nun hinter verschlossener Tür lag. Lediglich die Neonröhren waren anders, als die LED-Lampe im Behandlungszimmer, die leicht bläulich war.

„Hat man irgendetwas aus ihr rausbekommen?“, wollte die Therapeutin von der Schwester wissen, doch diese schüttelte bloß den Kopf und erklärte, dass lediglich ein Fundort, ihr Aussehen und die Symptome bekannt wären. Nach einem wissenden Nicken, öffnete die Therapeutin die Tür wieder und schaute zu dem Mädchen rüber. Sie sah verwahrlost aus, dachte sie und musterte die kleine, die mittlerweile wieder eine entspanntere Haltung eingenommen hatte. Sie saß im Schneidersitz, die Hände nach wie vor verflochten, auf einen Punkt starrend. Langsam ging die Schwester auf das verschreckte Mädchen zu, redete mit ihr und tatsächlich, ließ sie sich von der Schwester anfassen. Sie stand langsam, noch immer leicht zitternd, auf und nahm sofort die Hand der Schwester in ihre. Als ihr Blick auf die ältere Dame fiel, stieß sie einen ängstlichen Schrei aus und versteckte sich hinter der Schwester.

„Haben sie versucht sie zu berühren?“, wollte die Schwester wissen, worauf die Therapeutin den Kopf schüttelte.

„Ich wollte sie lediglich beruhigen. Als sie vor mir zurückgewichen war, hatte ich die Arme gehoben und…“

„Das war ein großer Fehler, Ma’am. Sie fürchtet sich vor abrupten Bewegungen, oder die, die einer Gewalttat ähnlich sind. Außerdem lässt sie sich lediglich an der linken Schulter berühren. Wenn sie einem die Hand gibt, hat das viel zu bedeuten“, erklärte die Schwester ruhig, woraufhin die Dame nickte.

„War das ihre erste Therapie?“

„Nein. Wir suchen seid fast zwei Jahren nach einem Therapeuten, mit dem sie klar kommt. Dabei haben wir festgestellt, dass sie Angst vor Männern hat, was jedoch viele Gründe haben kann.“ Die Schwester seufzte leise. „Ich bin froh, ihr Vertrauen gewonnen zu haben.“ Leicht Lächelnd blickte die Schwester auf das braunhaarige Mädchen herab. Die Therapeutin machte mit vorsichtigen Bewegungen den Weg zur Tür frei, welchen die Schwester mit dem Mädchen zurücklegte und aus dem Zimmer verschwand. Sie setzten ihren Weg durch die Flure fort, bis zu den Zimmern, in denen die Patienten ihr eigenes Reich hatten. Sie durften es, je nach Symptomen, sogar selbst gestalten, was die Mehrzahl der Patienten durfte. Eigentlich dürfte das Mädchen auch etwas Leben in ihr kleines Reich bringen, doch sie saß Tag und Nacht an der gleichen Stelle. Lediglich zum Essen setzte sie sich an den Tisch oder verließ den Raum für nötigste Geschäfte.

Die Schwester öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und führte sie hinein. Sofort stolperte das Mädchen zu ihrem Platz, setzte sich hin, zog die Beine an und schlang die Arme um sich. Ihren Kopf bettete sie auf ihren Knien.

Keiner wusste, was vor zwei Jahren, in jener Nacht, vorgefallen war. Nur sie wusste es und sie hatte sich geschworen, mit niemandem darüber zu reden. Der Schock saß zu tief.

***

Hello People ♥

Das wars :o ich hoffe, euch hat der Prolog gefallen und ihr würdet mir ein Vote oder Kommentar da lassen, damit ich weiß, was ich besser machen kann :)

Neverland3r xoxo

Mute [*Abgeschlossen*]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt