memories

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941 Wörter

Mit einem Seufzen blicke ich auf die sich bewegenden Gestalten im Tagespropheten, den ich in den Händen halte. Heute ist der 05.11.1996.

Der Tagesprophet hat seit dem 31. Oktober 1981 eine Spezialauflage, um gemeinsam mit den Hexen und Zauberern auf der ganzen Welt für eine volle Woche den Tod des ehemaligen Dunklen Lords, auch bekannt als Voldemort oder Tom Riddle, zu feiern. Es ist kein Geheimnis, dass er Harry Potters Eltern an jenem Abend zwar getötet hat, aber an Harry gescheitert ist.

Die Kraft der Liebe hat den Jungen beschützt und Voldemorts Existenz vom Angesicht der Erde gefegt. Todesser spürten das Ableben ihres Dunklen Lords genauso deutlich wie jeder andere Zauberer und jede andere Hexe. Jeder, der das damals miterlebt hat, beschreibt das Gefühl gleich: als hätte sich sämtliche Magie um einen versammelt und sich zusammengezogen, nur um dann mit einem heftigen Schlag zu explodieren. Nur wenige Stunden danach kam es auf dem ganzen Planeten zu massiven Erdbeben und anderen Naturkatastrophen. Bis heute erforscht eine ganze Abteilung im Zaubereiministerium, ob Voldemorts Tod damit zusammenhängen könnte. Bisher ohne nennenswerte Ergebnisse.

In einem Paralleluniversum würde ich jetzt in meiner Klasse in der Ilvermorny-Schule in Massachusetts sitzen, aber das Schicksal hat einen anderen Weg für mich gewählt. Stattdessen sitze ich in einer kleinen Kutsche, die von einem Thestral gezogen wird und mich geradewegs nach Hogwarts bringt.

Bis vor zwei Monaten habe ich noch in Amerika gelebt und ging dort auf eine magische Schule. Aber meine Eltern wollten nach Schottland ziehen, weil sie Hogwarts für eine ausgezeichnete Schule hielten, mein Vater dort selbst seine Ausbildung absolviert hatte und meine Mutter in ihrer Firma befördert worden war. Ihr neuer Arbeitsplatz befand sich dafür allerdings in Edinburgh.

Wir waren damals für zwei Wochen in dem atemberaubenden Land und meine Eltern kauften ein bescheidenes und gemütliches Haus in der rauen Landschaft. Aber als meine Eltern und ich nach dem Hauskauf unsere letzten Sachen von Amerika nach London bringen wollten, wurde das Flugzeug von dunklen Magiern angegriffen. Denn obwohl Voldemort besiegt ist, gibt es noch einen Haufen von seinen Anhängern, die nur darauf warten, die magische Welt ins Chaos zu stürzen, um selbst Voldemorts Platz einnehmen zu können.

Mein Vater war Auror und hat sein halbes Leben damit zugebracht, dunkle Magier zu verfolgen und zu stellen. Er hatte bereits einen Ruf, sowohl im Ministerium als auch bei seinen Feinden..

Ich erinnere mich ganz genau daran, wie es war, als das Flugzeug attackiert und durch starke Zauber entzwei gerissen wurde. Es war mitten in der Nacht, als Dutzende Menschen in ihren Tod stürzten und die Überreste des Flugzeugs ebenfalls auf den Ozean zusteuerten. Die verzweifelten Schreie hallten über das Wasser, wurden aber alsbald von einem dichten Nebel verschluckt. Und als die Menschen auf die Wasseroberfläche krachten, verließ kein Laut mehr ihre Kehlen.

Jede Nacht in meinen Träumen sehe ich die wilde Entschlossenheit in den Augen meiner Eltern, als mein Vater seinen Zauberstab zog und mit der Spitze auf mich zeigte. Während ich durch seinen Zauber so sanft wie eine Schneeflocke auf das Meer zuschwebte, durchbrachen sie das Wasser wie Felsbrocken.

Stunden vergingen, in denen ich im Meer trieb und mich an die Trümmer des Flugzeugs klammerte, weil mein Körper durch die Kälte steif wurde. Ich fühlte mich betäubt, während unzählige Leichen um mich herum schwammen. In weiter Ferne erkannte ich auch meine Eltern, konnte sehen, dass sie sich in ihren letzten Momenten an den Händen festgehalten hatten, aber es gelang mir nicht, zu ihnen zu schwimmen.

Je mehr Zeit verstrich, desto stärker glaubte ich daran, auch bald sterben zu müssen. Bis ein einzelner Hubschrauber den Nebel durchbrach.

Ich war die einzige Überlebende des "Flugunglücks" und schmückte tagelang die Tageszeitungen. Die Menschen betitelten mein Überleben als ein "Wunder".

Innerhalb von wenigen Sekunden wurde ich zur Waise. Aber da meine Anmeldung in Hogwarts bereits genehmigt wurde, konnte ich nicht einfach abtauchen, so wie ich es am liebsten getan hätte. Der Schulleiter, Albus und-noch-tausend-andere-Namen Dumbledore, schickte die Professorin Minerva McGonagall, die es mir unmöglich machte, mich zurückzuziehen. Sie hat eine Freundlichkeit und Wärme an sich, bei der ich automatisch an eine Großmutter denken muss. Aber so herzallerliebst sie auch ist, genauso hartnäckig ist sie. Sie begleitete mich durch die Winkelgasse, um mit mir die ganzen Bücher zu besorgen, die ich für das Schuljahr brauche.

Da ich in Ilvermorny eine ausgezeichnete Schülerin war, habe ich in Hogwarts hoffentlich nicht zu viel aufzuholen. Andererseits würde mich das zumindest von dem nagenden Rachedurst ablenken, den ich seit zwei Monaten in meiner Brust spüre.

Es ist das vorletzte Schuljahr - mitten im Semester, na fantastisch - und bis vor kurzem hatte ich nicht den geringsten Schimmer, was ich später einmal beruflich machen will. Inzwischen weiß ich es: Ich werde in die Fußstapfen meines Vaters treten. Ich werde Jagd auf jeden dunklen Magier machen, den ich zu fassen kriege. Und ich werde meine Rache bekommen.

Als die Kutsche schließlich vor den Toren von Hogwarts hält, steige ich mit erhobenem Kopf aus. Ich streiche mir den Umhang glatt und atme einmal tief ein. Gleich werde ich einem Haus zugewiesen. Bei Merlins Bart, ich spüre jetzt schon das schwere Gewicht auf meinen Schultern, weil ich es hasse, im Mittelpunkt zu stehen. Aber wenigstens kann ich mich danach in den Büchern - und in meinen Rachegelüsten - verkriechen.

Und für die letzten anderthalb Schuljahre halte ich den Kopf unten, errege so wenig Aufmerksamkeit wie möglich und konzentriere mich darauf, Aurorin zu werden und später jeden dunklen Magier vom Antlitz der Welt zu tilgen.

Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich ausgerechnet mit Mattheo Riddle, Voldemorts Sohn, im selben Jahrgang sein werde.

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Sin - Mattheo Riddle Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt