[Kai Havertz] Wer zuerst fällt

Kapitel 3

„Ich muss auflegen", sagt er, nicht ohne mich aus den Augen zu lassen. Was starrt er denn so?
Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und begebe mich unauffällig an ihm vorbei Richtung Aufzug. 

„Ja. Tschau", sagt er tonlos. Im Augenwinkel sehe ich, wie er sein Handy in seine Jogginghose schiebt. Ich drücke den Aufzugknopf.
Genervt aufstöhnend lehnt er sich an die Wand neben dem Aufzug. Er macht nicht den Anschein, sich mit mir unterhalten zu wollen. Wen wundert es?

Auf den Aufzug wartend wippe ich mit meinen Füßen auf und ab und betrachte den weißen Nagellack auf meinen Fingernägeln. An meinem linken Ringfinger ist die Farbe schon wieder abgeblättert. Ich versuche wirklich mich zu konzentrieren, da strömt mir der übliche Geruch nach Limette und Menthol in die Nase und schon wieder verliere ich die Kontrolle.

„Wer war das?" Kai richtet sich an der Wand neu, verschränkt die Arme vor der Brust, wie ich im Augenwinkel wahrnehme. Ich starre noch immer auf meine Finger hinab und spiele an meinem Nagellack rum. 

„Ich würde es dir nicht mal sagen, wenn ich dich mögen würde." Ich halte in meiner Bewegung inne. Reiß dich zusammen. Lass dich nicht auf seine Provokationen ein.

„Also war es Sophia?", frage ich und lasse nun meine Finger in Ruhe, stattdessen drücke ich nochmal auf den Aufzugknopf.

„Geht dich gar nichts an", sagt Kai und lässt nun die Wand los und stellt sich viel zu nah hinter mich, vermutlich denkt er, der Aufzug würde jetzt jeden Augenblick kommen.

„Also ja", sage ich, dann drehe ich mich zu ihm um, aber kaue ein bisschen zu hektisch auf meinem Kaugummi. Er verzieht angewidert sein Gesicht. Ich versuche nicht auf seine durch das weiße Shirt gut sichtbaren Muskeln zu achten.

„Sei nicht so ekelhaft neugierig", sagt er. Er starrt an mir vorbei. Wieso sieht er mir nicht in die Augen?

„Kommt sie heute?", frage ich. Ich bin wirklich ekelhaft neugierig. Wenigstens klingt meine Stimme nicht ganz so zickig wie sonst, wenn ich mit ihm spreche.

„Nein." Kai presst seine Lippen aufeinander und sieht überall hin, nur nicht in meine Augen. Mit jeder Faser meines Körpers unterdrücke ich einen gehässigen Kommentar. Wirklich.

„Ist ja schade." Meine Stimme trieft vor Sarkasmus. Als Antwort atmet Kai sehr tief ein, schließt kurz die Augen. Als er sie wieder öffnet, kann ich das helle Blau seiner Augen in meine Augen starren sehen. Es verschlägt mir für diesen winzigen Augenblick den Atem und ich vergesse, weiter auf meinem Kaugummi zu kauen. Erst jetzt fällt mir auf, dass er mir viel zu nah ist. Limette, Menthol; Kai. Der Geruch umhüllt mein ganzes Gehirn und verdrängt in diesem Moment alles weitere, was ich noch sagen will.
Schlagartig wird mir ganz heiß. Doch zu meinem Glück ertönt in diesem Moment das Geräusch des Aufzugs und er öffnet seine Türen.

„Ich geh zu Fuß", sagt Kai, bevor ich mich auch nur in die Richtung des Aufzugs drehen kann. Ohne einen weiteren Kommentar haut er ab. Wieso nicht direkt so?

Ich steige alleine in den Aufzug und nutze die wenigen Sekunden nach unten, um mich zu akklimatisieren.
Tief atme ich zwei mal durch, verdränge seinen Gestank und versuche gedanklich das Meeting gleich vorzubereiten. Ich bleibe noch länger als nötig in dem Aufzug stehen. Es funktioniert trotzdem nicht.
Denn schon in der Lobby treffe ich wieder auf Kai, der bei Ilkay, Jamal und Florian steht.

„Hey, Romina!" Jamal grüßt einen immer so überschwänglich freundlich. Ich winke ihm kurz zu.

„Wie gut du aussiehst", sagt Florian. Dabei lacht er allerdings so, dass ich ihm kein Wort glaube.

„Jaja", antworte ich und mache eine abwinkende Geste, als ich an ihnen vorbeilaufe. Ich will eigentlich gar keine Sekunde an sie verschwenden, weil ich nicht mehr viel Zeit vor dem Meeting habe und ja noch mein Handy holen und vielleicht einige Nachrichten beantworten muss, da ertönt Ilkays Stimme.