[Kai Havertz] Wer zuerst fällt

Kapitel 29

Sophia verschwindet wieder zu den anderen Spielerfrauen, vermutlich debattieren sie über die anstehende Hochzeit, Kilian und Kai haben sich stumm von uns abgewandt und diskutieren unter sich, Niclas wurde von Joshua angequatscht und ich stehe vor Florian und Jamal und tue so, als würde ich ihnen dabei zuhören, weshalb die Premier League so viel besser ist, als die Seria A.

An meinem Cocktail nippend und auf Jamals hüpfende Augenbrauen starrend, bemerke ich, wie mein Bruder immer wieder zu mir rüberschielt. Ich werfe ein Seitenauge auf ihn, er sieht wieder zu Kai. Hält er mich für dumm?
Ich beobachte Florians mickrige Barthaare, da ist es Kai, der seinen Kopf in meine Richtung dreht. Gleich danach Kilian, dann schauen sie sich wieder gegenseitig an. Die reden doch über mich.

Früher wäre ich hingegangen und hätte die beiden konfrontiert. Ich hätte sie gefragt, was ihr fucking Problem ist und was die beiden Tratschtanten mir nicht direkt ins Gesicht sagen können. Aber heute ist das alles anders. Heute ist Kai verlobt, hat sich gerade erst mit Kilian vertragen und ist niemand, mit dem ich überhaupt noch reden will.

Kilian sieht wieder zu mir, diesmal reiße ich meinen Kopf zu ihm um und ziehe meine Augenbrauen zusammen, um ihn böse anzusehen. Doch mein Bruder tut so, als wäre er so sehr in das Gespräch vertieft, dass er meinen Ausdruck gar nicht bemerkt und schaut wieder wild gestikulierend zu Kai. Alter.
Nun ist es Kai, der sich wieder zu mir dreht. Sobald er meinen Blick bemerkt, zuckt er unmerklich zusammen, ich sehe, dass er einmal schluckt, bevor er seinen dämlichen Blick von mir abwendet und zu niemand anderem, als seiner Verlobten sieht. Ich halte das nicht aus. Kilian sieht zu mir, zu Sophia, zu Kai. Das gebe ich mir nicht länger.

„Halt mal kurz", sage ich zu Florian und drücke ihm mein leeres Cocktailglas in die Hand. Er sieht mich an, als wäre bei ihm Licht an, aber niemand zu Hause. Jamal deutet auf mein leeres Glas, als würde er stumm protestieren, aber ohne den beiden noch eine Sekunde Aufmerksamkeit zu schenken, lasse ich sie stehen und suche die Toiletten. Hierzu muss ich einmal durch die Lounge, in einen kleinen Flur mit der ganzen Security, dann finde ich die Toilette links um eine Ecke.

Erleichtert, dass mich niemand bei meiner Flucht sieht oder gar folgt, betrete ich den großen Raum, halte meine schwitzigen Hände unter eiskaltes Wasser und atme tief durch. Nicht an ihn denken, nicht an ihn denken.

Ich denke an Kai und daran, wie er eben noch neben mir stand, wie er mich mit seiner ekelhaften Hand festgehalten hat, bevor seine Verlobte mir verkündet, dass sie morgen heiraten. Ich weiß, dass ich ihm gesagt habe, dass er das machen soll. Und, dass es mir egal ist. Aber ist es das? Es muss.
Ich darf keinen weiteren Gedanken daran verschwenden. Wenn ich eben nicht schon vollkommen zerrissen bin, dann nur, weil ich außerordentliche Fähigkeiten habe, mich selbst zu beherrschen. Aber jeder weitere Gedanke an den Schmerz, der in meinem tiefsten Inneren schlummert und nur darauf wartet auszubrechen, macht mich schwach.

Ich muss nur noch ein bisschen aushalten. Das Spiel beginnt in einer Stunde, dann ist er weg. Und das Spiel dauert nur zwei Stunden, dann kann ich zurück nach London fliegen. Er wird nach Italien fliegen und heiraten, dann werde ich ihn nie wieder sehen, wenn er Arsenal verlässt. Sobald ich in meinem ranzigen WG Zimmer ankommen werde, wird es wieder bergauf gehen, denn dann bin ich endlich wieder zu Hause. Bin ich das?
Ich atme noch einige Male tief durch, klatsche mir eiskaltes Wasser auf die Wangen, richte meine Frisur neu und trage Puder nach. Ich sehe nicht sonderlich gut aus, aber wen interessiert es?

Sobald ich die Toilette verlasse, erstarre ich.
Vor mir steht Kai, der sich in dem engen Flur breit macht, mir den Weg versperrt und mich abwartend ansieht. Instinktiv verdrehe ich die Augen, er schnalzt mir der Zunge.
Ich versuche nicht in seine Augen zu sehen und mich an ihm vorbeizudrängen. Weil der ganze Flur bereits nach ihm riecht, halte ich die Luft an.