Kapitel 28

339 9 1
                                    

Als Kilian und ich in Berlin landen, werden wir dort von Julian und Lena eingesammelt, die mit dem Auto fahren.
Während der Fahrt besprechen Julian und ich, was wir nach dem Finale noch alles zu erledigen haben. Kilian, der mit Lena auf der Rückbank sitzt, ist zutiefst gelangweilt und hängt die ganze Fahrt über an seinem Handy. Er schreibt bestimmt wieder mit seiner Aysa. Lena hat die Augen geschlossen und döst vor sich hin.
Der DFB hat eine Lounge im Stadion nur für sich, weshalb wir durch einen gesonderten Eingang in den abgetrennten Bereich kommen. Das ist sowohl für die Trainer, als auch für die Spieler insofern eine Erleichterung, dass sie niemand sieht und befragt.
Als die Security uns gerade überprüft, kommen Jamal und Florian gemeinsam an, Jamal mit seiner Schwester und Florian mit seiner Freundin, die sich hinter uns feixend einreihen. Ich freue mich sofort, die beiden Turnbeutelvergesser wieder zu sehen, als hätte ich diese die letzten Tage tatsächlich vermisst. Wir lachen kurz über das miserable Fußballspiel der Engländer, dann können wir endlich die Lounge betreten.

Es ist nicht mehr die gesamte Mannschaft vertreten, da viele schon wieder zurück in ihre Heimat gereist sind, Toni zum Beispiel ist schon lange wieder in Spanien. In der Lounge warten aber Antonio, Thomas, Joshua und Benni bereits auf uns, zusammen mit ihren Frauen und Familien. Zudem sind Sandro, Ilkay und Emre schon da. Manuel, Leroy, Nico und Deniz werden nicht kommen. Eigentlich hatte ich Maxi und Jonathan noch erwartet, vielleicht kommen diese später nach. Und zu meiner Erleichterung ist Kai ebenso nicht hier. Es kam mir schon komisch vor, dass Kilian heute noch kein Wort über ihn verloren hat, dabei sind die beiden doch jetzt wieder beste Freunde.

Ich stehe grade mit Joshua an der Theke, er kriegt ein alkoholfreies Bier, ich einen Piña Colada, und wir sprechen über die vergangenen Halbfinale.
Da kommt Julian auf mich zu, an seiner Seite einen hübschen Unbekannten, mit dunkelbraunen Haaren und hellgrünen Augen. Joshua wackelt so mit den Augenbrauen, dass Julian und der Unbekannte es nicht bemerken und verschwindet unauffällig.

„Romi?", fragt Julian und deutet zwischen dem Kerl und mir hin und her. „Das ist Jakub."

„Kuba", korrigiert der Hübsche und hält mir seine Hand hin. Als ich sie nehme, lächle ich automatisch.

„Hi", sage ich und meine Stimme klingt viel zu süß. Kuba und ich grinsen uns einen Moment dumm an, bis Julian sich räuspert.

„Vielleicht wird Kuba beim nächsten Turnier dabei sein", sagt Julian. Da Julian unbedingt will, dass ich beim nächsten Turnier auch dabei bin, zwinkert er mir zu.
Was ist seine Taktik? Mir einen Leckerbissen zum Anlocken präsentieren oder meinen Nachfolger, um mir zu beweisen, wie ersetzbar ich bin?

Verwirrt sehe ich Julian an, bevor ich Kuba fragen kann, was denn seine Funktion ist, ertönt ausgerechnet ihre grelle Stimme.
Ich starre Kuba an, während ich einmal schwer durchatme. Seine hübschen Augen wirken etwas irritiert, dann folgt er meinem Blick, der langsam durch den Raum wandert und an Sophia, Lisa, Niclas und Kai hängenbleibt, die offensichtlich zusammen ankommen. Scheiße, er ist ja doch da.

Sie grüßen kurz in die Runde und damit mich keiner von ihnen bemerkt, verstecke ich mich instinktiv hinter Kuba, der erstaunlich groß ist. Fast so groß wie Kai. Julian jedoch lässt mich einfach stehen, um zu Niclas zu gehen.
Um Kuba herum spinksend, bemerke ich, wie Sophia und Lisa irgendwem weiter hinten in der Lounge winken und sich dorthin bewegen, normalerweise sitzen die Spielerfrauen zusammen in einer Ecke, um zu lästern und Sekt zu trinken, weil sie sich eigentlich gar nicht für das Spiel interessieren. Das klingt unnötig gemein, ist aber wahr.

Julian kommt bei Niclas an, ich weiß ja schon, was die beiden zu besprechen haben und Kais Blick wandert ausdruckslos durch den Raum, bis er an Kilian hängen bleibt, der in einer wilden Unterhaltung mit Jamal steckt. Kais Augen weiten sich und obwohl er dabei nicht lächelt, sieht er wenigstens ein bisschen so aus, als würde er sich freuen, meinen Bruder zu sehen und läuft geradewegs auf ihn zu.
In dem Augenblick, in dem die Gefahr vorüber ist und ich unbemerkt bleibe, seufze ich erleichtert auf und stelle mich wieder normal hin. Es ist eine höllische Qual, ihn mit ihr zusammen zu sehen. Ist es jedes Mal.

[Kai Havertz] Wer zuerst fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt