Kapitel 11: Summer loving, happend so fast

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Matty

Morgen war es endlich so weit. Koningsdag! Neben einem tollen Feiertag würde es für ihn auch die erste Feuerprobe sein. Würde er es schaffen, alle Kunden zu bedienen, die Backstube im Auge zu behalten und alles zu managen? Zumindest Flo würde ihn für ein paar Stunden unterstützen, aber den Rest des Tages wäre er auf sich alleine gestellt. Flo, als Bloggerin, wollte durch die Straßen ziehen, Fotos machen und ihre Instagram Story füllen. Außerdem hatte sie einen Auftrag von einer ausländischen Webseite erhalten, um einen Artikel über die diesjährigen Feierlichkeiten zu schreiben. Das freute Matty sehr, denn Flo war eine wahnsinnig gute Journalistin.

Als er vor ein paar Tagen im Bett gelegen hatte, überwältigt von der Aufgabe, hatte er sich für einen Moment gefragt, ob er nicht Mark um Hilfe bitten sollte. Nur für ein paar Stunden, oder auch nur für eine Stunde. Jede Hilfe wäre willkommen. Doch als er auf Marks schlafende Gestalt geblickt hatte, hatte er den Gedanken verworfen. Er hatte keinen Zweifel, dass Mark zustimmen würde, wenn er ihn um Hilfe bat. Aber Mark freute sich auf den Tag mit seinen Kumpels. Das wollte er ihm nicht wegnehmen und er wollte nicht, dass Mark es ihm übelnehmen würde.

Er würde es schon alleine hinkriegen. Und damit das auch wirklich klappte, hatte er in den letzten Tagen ununterbrochen geschuftet. Auch an diesem Abend hatte er viel länger gearbeitet als normalerweise. Jetzt war sein Kühlschrank voll mit Buttercreme, Zitronenfüllungen, Cheesecakes und vorbereiteten Mürbeteigen. In den Gärschränken lagen unzählige Brötchen und kleine Baguettes und auch sonst war alles so weit vorbereitet, dass er morgen nur noch alles zusammensetzen und in die Öfen schieben musste. Matty hakte mental das letzte Kontrollkästchen seiner langen Vorbereitungsliste ab.

Als sich die Nacht über die Stadt senkte, schaltete er das Licht in der Backstube aus und atmete einmal tief durch. Jetzt musste er nur noch den Verkaufsraum saubermachen und dann hatte er endlich Feierabend.

Matty scrollte durch seine Playlist. Heute Abend stand ihm der Sinn nach Etwas, das ihm Energie gab. Er fand seine Lieblingsplaylist, drückte auf Play und drehte die Lautstärke auf. Als die ersten Takte von „One Day More" vom Musical Les Miserables aus den Lausprechern drangen, schnappte er sich seinen Besen und legte los. Nach nur wenigen Momenten sang er aus vollem Hals mit und wirbelte durch die Bäckerei.

~*~

Wolf

„Komm schon, verdammt!" Wolf fluchte, zerknüllte die Zeichnung und warf sie über seine Schulter in den schummrigen Raum. Dann stützte er den Kopf in die Hände und schloss für einen Moment die Augen. Er saß hier jetzt schon seit Stunden, draußen war es Dunkel, er wollte nach Hause, hatte Hunger und trotzdem wollten ihm seine blöden Zeichnungen nicht gelingen. Morgen war Koningsdag! Er hatte weniger als 12 Stunden um seinen Flash fertigzustellen und er hatte noch nicht einen Entwurf! Flo hatte ihn schon mehrfach auf seine Flashs angesprochen; sie wollte sie sehen und mit ihren vergleichen.

Wolf war jedes Mal ausgewichen oder hatte das Thema gewechselt. Was sollte er ihr auch sagen? Tut mir leid, aber ich habe eine Zeichen-Blockade und bekomme einfach nichts aufs Papier? Sorry, aber mir fällt nichts ein? Pearl würde ihre gepiercte Augenbraue hochziehen, die Arme verschränken und ihn mit diesem bossigen Blick ansehen, der besagte: Krieg deinen Scheiß besser schnell auf die Reihe, sonst bin ich weg hier.

Und sie würde recht haben. Das hier war sein Studio und der Flash war seine Idee gewesen. Er musste abliefern. So konnte das doch nicht weitergehen. In seinem alten Job, in dem alten Studio, hatte er nie Probleme gehabt sich neue Designs auszudenken und sie auf Papier zu bringen. Aber seitdem er hier die Verantwortung trug, seitdem er mehr mit Zahlen und Verträgen zu tun hatte als mit dem Kreieren von Kunst, war er irgendwie blockiert. Ihm wollte einfach nichts einfallen.

Mit einem genervten Grunzen stand er auf, drückte den Rücken durch und trat ans Fenster. Vielleicht sollte er eine Runde um den Block gehen. Einfach ein wenig frische Luft schnappen, den Kopf frei bekommen, sich inspirieren lassen. Vor seinen Fenstern lag die verlassene Straße. Der Schein der Straßenlaternen warf goldene Lichtkegel auf den Boden. Eine Katze huschte vorbei. Wolfs Blick folgte ihr und er sah, dass nebenan in der Bäckerei auch noch Licht brannte. Matty war wohl auch noch damit beschäftigt, alles für Morgen vorzubereiten.

Wolf sah hinüber, doch von seinem Standpunkt aus konnte er nichts erkennen. Aber er hörte etwas. War das....Musik? Er zog die Tür auf und trat hinaus auf die Straße. Es war kalt und er schauderte als der Wind unter sein Shirt kroch. Doch der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn grinsen.

Der Verkaufsraum der Bäckerei war hell erleuchtet. Wolf konnte sehen, dass die Stühle auf die Tische gestellt worden waren. Auf der frei gewordenen Fläche stand Matty. Im hellblauen Hensely und einer Schürze, hielt er einen Besenstiel wie ein Mikrofon. Mit geschlossenen Augen schmetterte er einen Song, der Wolf vage bekannt vorkam. Jetzt konnte er auch deutlich die Musik hören, die von nebenan zu ihm herüber wehte.

War das nicht aus einem Musical? Er ging noch ein paar Schritte näher heran, doch er hielt sich im Schatten. Seinen Nachbarn zu beobachten fühlte sich an wie etwas Verbotenes. Vor ihm wirbelte Matty durch den Raum, schwang den Besen und wackelte mit den Schultern. Wolf lachte leise, als Matty sich an einer Pirouette versuchte. Er schien richtig Spaß zu haben und hatte die Welt um ihn herum vergessen.

Der nächste Song fing an und Wolf erkannte ihn. „Summer Nights" aus dem Musical Grease. Während Wolf zusah, versuchte Matty alle Stimmen gleichzeitig zu singen. Er kannte den Text auswendig. Dabei wackelte er mit den Hüften, dass es Wolf ganz warm wurde. Beim Refrain sang er so ausgelassen, dass Wolf nicht anders konnte als leicht mitzuswingen.

Und als sich der Song seinem Ende näherte und John Travolta und Olivia Newton-John sich zum Finale steigerten, riss Matty die Arme in die Höhe und sang aus vollem Hals. Als der Song endete, klatsche Wolf ganz leise in die Hände. Vor ihm schnaufte Matty tief durch und sah sich im Verkaufsraum um, als ob er erst jetzt merkte, wo er war.

Dann rieb er sich den Nacken, seufzte und stellte dann den Besen weg. Er zog sich die Schürze über den Kopf und verschwand durch die Tür am Ende des Raums aus Wolfs Blickfeld. Wolf wartete nicht, bis Matty wieder herauskam. So leise wie er gekommen war, schlich er zurück zum Legendary.

Als er sich vor seinen Zeichenblock setzte, sah er immer noch Mattys ausgelassene Performance vor sich. Die fliegenden Haare, die starken Schultern, die schmalen Hüften. Er nahm sich seinen Stift und fing an zu zeichnen.

Als er drei Stunden später die Tür hinter sich schloss, lagen auf seinem Tisch zwanzig perfekte Flash Entwürfe.

Tinte, Torte und TestosteronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt