Matty
Matty öffnete die Tür zur Bäckerei und atmete die frische Luft ein. Sein Blick glitt über die Gracht, auf der er die ersten roten Strahlen der Sonne ausmachen konnte. Es würde wieder ein schöner, sonniger Tag werden. Und das bedeutete jede Menge Kundschaft. Zufrieden holte Matty das Schild mit den Tagesempfehlungen und stellte es auf die Straße.
Er sah es, als er sich wieder zur Tür umdrehte.
Jemand hatte ein Graffiti an seine schöne grüne Tür geschmiert! Er bückte sich und strich mit den Fingern darüber. Die Farbe war noch nicht ganz getrocknet. So ein Dreck! Matty sah von Links nach Rechts, aber er konnte nirgendwo sonst Graffiti entdecken. Nur seine Tür war bemalt worden. Zuerst konnte er nicht erkennen, was es war, aber dann sah er genauer hin. In kaum leserlicher Schrift stand auf seiner Tür „Gay go away".
Tränen stiegen ihm in die Augen und er ballte die Hände zu Fäusten. Das hier war Amsterdam, verdammt! Wenn es eine Stadt gab, die LGBTQ+ freundlich war, dann diese hier. Matty blinzelte ein paar Mal, dann ging er hinein, um den Rest Farbe zu suchen, den er noch von der Renovierung übrighatte. Als er das Graffiti überpinselte, stieg Wut in ihm hoch.
Das hier war eine gezielte Aktion gewesen. Er hatte seine kaputte Pride Fahne noch nicht ersetzt, also waren es keine Fremden gewesen. Wer auch immer das hier gewesen war, wusste, dass Matty schwul war. Warum sonst hätte er das an seine Tür schreiben sollen? Und keines der anderen Häuser war beschmiert worden, also war es auch keine random Aktion von irgendwem gewesen. Nein, wer auch immer seine Tür verunziert hatte, hatte es auf ihn abgesehen.
Mattys Blick glitt hinüber zum Legendary. Es saß wie ein schwarzer Koloss neben der Bäckerei. Die dunkle Farbe schien ihn zu verhöhnen. Mit einem tiefen Atemzug zog Matty den letzten Pinselstrich. Wer sonst sollte das gewesen sein, wenn nicht Wolf?
~*~
Der Juni blieb sonnig und warm. Auf den Grachten reihten sich die Touristenboote aneinander, überall sah man Menschen mit Rollkoffern und Stadtplänen und an vielen Häusern und Geschäften hingen Fahnen in Regenbogenfarben. Pride Month hatte Amsterdam erreicht.
Matty kassierte eine amerikanische Touristin ab, die immer wieder lautstark „Oh, how cute" und „Look at that!" rief. Sie machte Fotos vom Essen, von den Wänden und sogar von Matty. Nachdem die Kundin gegangen war, schnappte er sich einen Lappen und wischte über die Theke. Als die Tür aufging, sah er auf.
„Hallo", sagte er höflich. Zwei junge Frauen betraten die Bäckerei, besahen sich die Auslage und bestellten dann Latte Macchiato, ein Stück Erdbeerslof und einen Stroopwafel-Cheesecake. Matty trug ihnen alles an einen kleinen Tisch am Fenster, bevor er sich wieder daran machte, die Krümel von der Theke zu wischen.
„Hier, guck mal, ist das nicht süß?" Eine der Frauen schob ihren Ärmel hoch und hielt der anderen Frau den Unterarm hin. Diese nahm ihn in die Hand und drehte den Arm hin und her.
„Richtig toll. Und die Farben leuchten so."
Unwillkürlich sah Matty hinüber. Auf dem Unterarm der Frau konnte er einen bunten Farbkleks ausmachen, eingerahmt von schwarzen Linien. Das Tattoo war halb verborgen unter Frischhaltefolie. Also kamen die beiden aus dem Legendary.
„Und der Typ ist auch richtig niedlich, oder?" sagte die andere Frau und beide fingen an zu kichern.
„Also, wenn ich auf Männer stehen würde, würde ich den nicht von der Bettkante stoßen." Wieder lachten sie. Matty fragte sich, ob Wolf das Tattoo gestochen hatte oder Pearl. So farbenfroh hätte er seinen Nachbarn nicht eingeschätzt. Vermutlich war es Pearl gewesen. Die beiden Freundinnen redeten noch eine Weile und als er sah, dass sie aufgegessen hatten, ging er hinüber und räumte die Teller ab. Dabei fiel sein Blick auf das Tattoo.
DU LIEST GERADE
Tinte, Torte und Testosteron
RomanceMatty liebt seine kleine Bäckerei in Amsterdam. Das Leben wäre perfekt, wenn da nicht neben ihm ein Tattoostudio aufgemacht hätte! Und der Eigentümer Wolf erst! Dunkelhaarig, tätowiert und mit einem Motorrad. Matty weiß 100% dass es mit Wolf zu tun...