[Wegen des letzten sehr langen Kapitels, nun ein kurzes.]
Matty
Es war Sonntagabend und Mark schrie ihn an. Schon wieder. Seit dem gestrigen Tag war die Stimmung zwischen ihnen aufgeladen. So wie wenn man weiß, dass man statisch geladen ist und einen Schlag bekommen wird, wenn man an etwas aus Metall fasst. Doch sie hatten das Metall nicht angefasst, zumindest nicht bis vor zehn Minuten, als Matty von der Couch aufgestanden war, um ins Bett zu gehen.
Nicht zum ersten Mal hatte sich Mark darüber beschwert, dass Matty so früh schlafen ging und sie kaum noch Zeit miteinander verbrachten. Sie kuschelten kaum noch vor dem Fernseher, hatte er gesagt und Matty vorgeworfen, dass er sich nicht mehr um ihn und ihre Beziehung kümmere.
„Dann komm doch einfach mit ins Bett", hatte Matty eingeworfen, doch Mark hatte nur den Kopf geschüttelt.
„Es ist gerade mal neun Uhr. Da gehen nur Rentner und Kleinkinder schon in die Heia. Lass uns noch einen Film sehen, ein Glas Wein trinken."
„Ich muss vor vier Uhr aufstehen, Mark, das weißt du."
„Ja, und ob ich das weiß." Mark schnaufte und stemmte die Hände in die Hüften. „Du weckst mich schließlich jedes Mal auf. Jedes verdammte Mal."
„Ja, 'Tschuldigung auch, dass ich zur Arbeit gehe." Matty verschränkte die Arme vor der Brust. Diesen Streit hatten sie nicht zum ersten Mal, und immer hatte er sich dafür entschuldigt, Mark zu wecken. Aber irgendwie wollten ihm die Worte heute nicht über die Lippen kommen.
„Das mein ich doch gar nicht", rechtfertigte sich Mark. „Aber du könntest doch auch wenigstens einmal Rücksicht auf mich nehmen und leise sein. Schließlich habe ich einen anstrengenden Job."
„Ach, und ich nicht?" Zum vielleicht ersten Mal fühlte Matty Wut auf Mark in sich aufsteigen. Erst blamierte er ihn bei seinen Nachbarn und jetzt machte er ihm schon wieder Vorwürfe? Mark war ja auch nicht leise, wenn er ins Bett ging. Regelmäßig wurde Matty wieder wach, weil Mark im Bad mit der Mundspülung gurgelte oder sich wie ein nasser Sack ins Bett fallen ließ.
Zur Antwort wedelte Mark mit der Hand in der Luft herum. „Das ist was anderes, das verstehst du nicht."
„Nee klar, weil ich ja nicht studiert habe. Ich bin ja kein Anwalt, sondern nur ein dummer Bäcker." Beleidigt drehte sich Matty um und ging ins Badezimmer. Er wollte sich nicht streiten, aber diesmal war Mark wirklich zu weit gegangen. Wie konnte er Mattys Traum von einer eigenen Bäckerei nur so runtermachen? Außerdem war das Backhandwerk eine Kunst. Es war gar nicht so einfach, wie die Leute glaubten. Er hatte eine jahrelange Ausbildung hinter sich und auch lange Zeit in der Hotel Patisserie gearbeitet.
„So hab ich das doch gar nicht gemeint!" Mark lehnte sich an den Rahmen der Badezimmertür. „Warum musst du gleich eingeschnappt sein? Ich sag doch nur, dass es in meinem Job um ganz andere Interessen geht, als bei deinem. Wenn ich einen Fehler mache, kann das einen Mandanten Millionen kosten. Ich muss mich den ganzen Tag konzentrieren, von morgens bis abends. Und da ist es wichtig, dass ich ausgeschlafen bin."
Matty spuckte Zahnpasta ins Becken. „Ach ja, und glaubst du, ich finde es toll, den ganzen Tag müde zu sein, weil du mich weckst, wenn du endlich irgendwann mal ins Bett kommst?" Er zeigte mit der Zahnbürste auf Mark. „Du nimmst auch keine Rücksicht auf mich, weißt du."
Mark wich zurück. „Was? Ich nehme immer Rücksicht auf dich. Immer! Unsere ganze Freizeit richtet sich nach dir."
Bei diesen Worten fiel Matty fast die Kinnlade herunter. „Bitte, was? Wann haben wir uns denn mal nach meinen Wünschen gerichtet? Immer geht es nach dir und deiner Arbeit und deinen Freunden." Matty holte Luft um Mark die vielen Male vorzuhalten, als sie das gemacht hatten, was Mark wollte. Doch er kam gar nicht dazu.
„Ich will mich nicht streiten Matty, okay? Sei doch nicht immer gleich so eingeschnappt." Mark hatte beide Hände wie zur Abwehr erhoben. „Der Klügere gibt nach und so. Alles was ich sagen will, ist, dass ich wünschte, wir würden abends mehr gemeinsam machen."
Matty umklammerte seine Zahnbürste so fest, dass er fühlte, wie sich das Plastik in seine Handfläche grub. Er konnte kaum glauben, was er da von Mark hörte. Das war wie eine umgekehrte Welt. Wochenlang hatte er gehofft, dass Mark und er wieder mehr unternahmen, so wie früher. Aber Mark kam seit Wochen spät nach Hause, musste Überstunden machen und hatte immer „zu tun". Trotzdem wollte er schon klein beigeben und Mark zustimmen, weil auch er sich nicht streiten wollte, als sein Freund wieder den Mund aufmachte.
„Na ja, und dass du etwas mehr Rücksicht auf mich nimmst, wenn du morgens aufstehst. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder, Babe?"
Wut, heiß und brodelnd, flutete seinen Magen. Bevor er wusste, was er sagte, waren die Worte schon aus seinem Mund. „Weißt du was, Mark? Du hast völlig recht. Ich sollte mehr Rücksicht nehmen."
Er ging an Mark vorbei aus dem Bad, holte seine Sporttasche unter dem Bett hervor und fing an, wahllos Kleidung hinein zu werfen.
„Was machst du da?" fragte Mark verwirrt.
Ohne innezuhalten füllte Matty die Tasche, dann schloss er den Reißverschluss und hängte sie sich über die Schulter. Erst dann sah er Mark wieder an. „Ich nehme Rücksicht auf dich, indem ich ab heute in der Wohnung über der Bäckerei schlafe," sagte er und schob das Kinn vor. „Damit ich dich nicht mehr wecke."
Und damit drehte er sich um und marschierte aus der Wohnung. Er war schon ein paar Straßen von der Wohnung entfernt, als ihm bewusst wurde, dass Mark nicht versucht hatte, ihn aufzuhalten. Es tat mehr weh, als er gedacht hätte.
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Tinte, Torte und Testosteron
RomanceMatty liebt seine kleine Bäckerei in Amsterdam. Das Leben wäre perfekt, wenn da nicht neben ihm ein Tattoostudio aufgemacht hätte! Und der Eigentümer Wolf erst! Dunkelhaarig, tätowiert und mit einem Motorrad. Matty weiß 100% dass es mit Wolf zu tun...