Matty
Matty knallte die Teller mit mehr Schwung als beabsichtigt auf die Arbeitsplatte. Es klirrte laut und er verzog das Gesicht. Shit...wenn Mark das gehört hatte... Matty blieb still stehen und lauschte. Aus dem Wohnzimmer kam das leise Murmeln des Fernsehers. Als er sonst nichts hörte, atmete er einmal tief durch, bevor er Wasser in das Spülbecken laufen ließ.
Er hatte gekocht. Pasta mit grünem Spargel und Parmesan. Mark war sogar pünktlich zu Hause gewesen, obwohl er im Büro so viel zu tun hatte. Matty hatte ihm von dem Vorfall mit den Rockern erzählt. Den ganzen Nachmittag war ihm wieder und wieder durch den Kopf gegangen, was er anders hätte machen können. Er hätte diesen fiesen Kerlen einfach das Nudelholz überziehen sollen, oder sich gar nicht um sie scheren sollen. Dann wären sie vielleicht einfach weggefahren. Matty war noch immer wütend auf die Kerle und auf sich selber. Und Mark sollte ihm beipflichten und ihm beistehen.
Doch was Mark gesagt hatte, war: „Du bist doch selber schuld, wenn du in dem Viertel eine Pride Fahne an deine Tür hängst. Das war doch vorprogrammiert."
Für einen Moment hatte Matty Mark nur angestarrt. Wie konnte er da so ruhig sitzen und ihm die Schuld geben?
„Wie meinst du das? In dem Viertel?"
Mark hatte einen Schluck Wein getrunken und die Schultern gezuckt. „Das Viertel ist voller Krimineller. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Wenn es an mir gelegen hätte, hättest du das Haus nie gekauft. Aber du wolltest es ja unbedingt und hast nicht auf mich gehört."
Bei diesen Worten hatte Matty beinah fühlen können, wie er rot wurde. „Darüber haben wir nie gesprochen. Du warst doch auch begeistert von dem Haus."
„Matty", hatte Mark gesagt und den Kopf leicht schrägt gelegt. So als ob er mit einem begriffsstutzigen Kind reden würde. „Weißt du denn nicht mehr? Bei unserer ersten Besichtigung habe ich dir gesagt, dass die Gegend nicht die Beste ist."
„Ja aber, das ist doch was ganz anderes, als dass es ein kriminelles Viertel ist. Es ist halt kein super schickes Luxusviertel, aber es ist auch kein sozialer Brennpunkt."
Wieder hatte Mark nur mit den Schultern gezuckt. Matty hatte seine Nudeln über den Teller geschoben. Seine Gedanken rasten. Wenn Mark dachte, dass das Viertel so schlecht war, warum hatte er dann nicht früher etwas gesagt? Und selbst wenn, warum sollte es dann seine Schuld sein, dass ihm das passiert war?
„Hast du wenigstens die Polizei gerufen?" fragte Mark.
„Nein," sagte Matty und drehte sein Weinglas zwischen den Fingern. „Wolf ist dazugekommen, du weißt schon. Der Typ aus dem Tattooshop. Und dann kam noch seine Mitarbeiterin Pearl. Sie hat die Typen verjagt."
Bei seinen Worten ließ Mark die Gabel sinken. „Du lässt dich von deinem gruseligen Nachbarn retten und rufst nicht mal die Polizei? Dieser Tattoo-Heini hat die Typen doch vermutlich dazu angestachelt. Matty, ja sag mal, geht's noch? Was, wenn die Kerle wiederkommen? Ohne Anzeige bei der Polizei hast du doch gar keinen Beweis."
„Wozu brauch ich denn einen Beweis? Die haben die Fahne kaputt gemacht, na und? Ich kauf eine neue."
Mark hatte geschnauft und den Kopf geschüttelt. „Darum geht es doch nicht. Es geht darum, dass du dir so was nicht gefallen lassen darfst."
„Habe ich doch gar nicht!" hatte Matty entrüstet ausgerufen. Warum sagte Mark so was? Es war doch nicht seine Schuld!
„Und dann lässt du dir auch noch von deinen Nachbarn helfen. Ich bitte dich...vermutlich hat sich der Kerl über dich schlappgelacht. Und diese Pearl....du hast dich von einer Frau retten lassen?"
Bei Marks Worten fühlte sich Matty bemüßigt, seine Nachbarn zu verteidigen. Schließlich hatten Wolf und Pearl ihm geholfen.
„Wolf und Pearl hatten damit gar nichts zu tun. Wenn die beiden nicht gewesen wären..."
„Eben!" unterbrach ihn Mark. „Die Kerle kamen doch aus dem Tattoostudio, oder? Das hast du gesagt, Matty. Und dann lässt du dir auch noch von diesem Wolf helfen. Was ist das überhaupt für ein Name? Wolf? Und du spielst sein Opferlamm, oder wie? Matty, wach auf. Dieser Wolf hat die Typen bestimmt zu dir geschickt und dann hat er den Retter gespielt. Und jetzt lachen sie alle darüber."
„Das ist doch Schwachsinn. Warum sollte er das denn machen?"
„Keine Ahnung, was in so Typen los ist. Vielleicht will er dich loswerden. Der war doch schon von Anfang an komisch. Und damit er ein Alibi hat, tut er so, als wollte er helfen."
Matty dachte über Marks Worte nach. Sie ergaben schon irgendwie Sinn, aber Pearl schien wirklich nett zu sein. Flo mochte sie. Und würde sie bei so einem Plan mitmachen? Und warum sollte Wolf ihn loswerden wollen? Er hatte ihn bisher in Ruhe gelassen und auch keine homophoben Sachen gesagt. Und außerdem, Wolf hätte doch gar nicht helfen brauchen. Nein, das machte keinen Sinn. Und das sagte Matty Mark auch.
„Weißt du was", hatte Mark gesagt, war aufgestanden und hatte seine Serviette auf den Teller geschmissen, „dann denk doch was du willst. Ich habe dir gesagt, dass das Viertel schlecht ist, aber du wolltest da ja unbedingt hin. Aber bitte, wenn du schon nicht auf mich hörst, dann komm jetzt auch nicht zu mir, um dich auszuheulen."
Und damit war er ins Wohnzimmer abgerauscht. Matty hatte verwirrt am Tisch gesessen und ihm nachgesehen. Er hatte einfach nicht verstanden, warum Mark sich so aufgeregt hatte. Ja okay, Matty hatte sich bei ihm auskotzen wollen, aber das war doch kein Grund, gleich an die Decke zu gehen und ihm diese Dinge an den Kopf zu werfen.
Mit einem Seufzen stellte Matty den Wasserhahn ab und gab Spülmittel ins Becken, bevor er die Teller und das Besteck eintauchte. Mechanisch spülte er ab, stellte alles zum Trocknen auf die Ablage und verpackte dann die Reste in Tupperdosen, die er in den Kühlschrank stellte. Als es in der Küche nichts mehr zu tun gab, rang er einen Moment mit sich. Sollte er zu Mark ins Wohnzimmer gehen? Es war noch früh, vielleicht konnten sie noch einen Film schauen. Doch dann siegte sein Beleidigtsein und er ging ins Schlafzimmer, zog sich um und ging ins Bett. Dann würde er heute eben mal sehr früh schlafen gehen.
Doch Matty konnte nicht schlafen. Aus dem Wohnzimmer hörte er die gedämpften Geräusche des Fernsehers. Draußen war es noch hell und er hörte Leute lachen und reden. Fahrradfahrer klingelten.
Als es dunkel wurde und Mark endlich ins Bett kam, lag Matty immer noch wach. Doch er bewegte sich nicht und tat so, als ob er schliefe. Er wollte nicht mit Mark reden, jetzt nicht mehr. Vor zwei Stunden ja, da hätte er gerne geredet, aber Mark hatte ja unbedingt Fernsehen sehen müssen. Irgendwann fühlte Matty, wie sich die Matratze bewegte und einen Moment später spürte er Marks Arm, der sich um ihn schlang. Marks warmer Atem kitzelte ihn im Nacken.
„Tut mir leid, Matty", flüsterte Mark in seinem Rücken. „Ich hätte nicht laut werden sollen. Aber ich mache mir einfach Sorgen um dich."
„Warum machst du dir Sorgen?" fragte Matty und runzelte die Stirn, auch wenn Mark das nicht sehen konnte.
„Weil ich am anderen Ende der Stadt arbeite und du den ganzen Tag alleine in der Bäckerei bist. Wenn was passiert, kann ich dir nicht helfen."
Mark hatte noch nie etwas Derartiges gesagt und Matty drehte sich überrascht zu ihm um.
„Warum hast du das denn nicht gesagt? Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wirklich."
„Mache ich aber", sagte Mark und zog ihn ein Stück näher zu sich. „Den ganzen Tag. Jeden Tag. Und du meldest dich ja auch kaum bei mir. Und jetzt wurdest du angegriffen. Was glaubst du, wie ich mich da fühle?"
„Aber ich melde ich mich doch bei dir."
„Ja, ab und an." Mark seufzte und vergrub seine Nase an Mattys Hals. „Versprich mir einfach, von jetzt an vorsichtig zu sein, okay? Sonst mache ich noch mehr Sorgen und zurzeit kann ich mir das echt nicht leisten. Auf der Arbeit ist einfach richtig viel los, da muss ich konzentriert sein."
„Ich bin vorsichtig", sagte Matty und legte seinen Kopf auf Marks Schulter. Vielleicht, dachte er bevor er einschlief, sollte ich wirklich vorsichtiger sein, damit Mark sich keine Sorgen macht.
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Tinte, Torte und Testosteron
RomanceMatty liebt seine kleine Bäckerei in Amsterdam. Das Leben wäre perfekt, wenn da nicht neben ihm ein Tattoostudio aufgemacht hätte! Und der Eigentümer Wolf erst! Dunkelhaarig, tätowiert und mit einem Motorrad. Matty weiß 100% dass es mit Wolf zu tun...