20-Hundedrama

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Kenan

Sie umschlingt beider ihrer Arme um mich. Tut sie das gerade wirklich? Ein blick nach unten bestätigt mir es nochmal. Sie umarmt mich ja wirklich. Das ich Ceyda so erlebe ist was neues. Hätte ich gewusst das sie etwas so belastet, hätte ich viel früher mit ihr geredet. Wie ein kleines Kind weint sie sich bei mir aus und das einzige was ich tun kann ist sie zu halten und für die nächsten Minuten nicht loszulassen. Ich will Ceyda nicht gebrochen sehen. Sie soll lächeln, sauer auf mich oder auch einfach genervt sein. Alles, nur will ich sie nicht so sehen müssen. Sie soll so nicht fühlen müssen. Was ist in ihrer Vergangenheit den noch passiert, außer ihr toxischer Ex? Konnte sie überhaupt richtig ihr Leben leben?

Schluchzend entfernt sie sich von mir. Sie schaut auf den Boden. Schäm dich nicht für deine Tränen. »Können wir uns doch setzen?« fragt sie mich und versucht dabei nicht gleich wieder zu weinen. Ich kenne sie nicht lange, aber lang genug um zu sagen ob sich in ihrer Stimme die Fröhlichkeit oder doch die Traurigkeit verbirgt.
" Rede mit mir" will ich ihr sagen, lasse es aber dann doch und nicke einfach nur, worauf wir wieder zurück liefen um uns auf einer der Drei Bänke hinzusetzen.

Sie setzt sich zuerst hin. Ich lege meine Krücken langsam auf den Boden und setze mich dann neben ihr. Zwischen uns ist noch ein guter abstand. Nicht zu nah aber auch nicht zu weit entfernt. "Bei mir bist du sicher" will ich ihr sagen. Ich will so vieles sagen, aber halte dann lieber doch mein Mund. Ich warte auf sie, darauf das sie anfängt zu reden. Damit ich weis das sie mir vertraut. Ich hoffe sie weis das ich sie mag. Am Strand hätte ich noch so vieles mehr gesagt, aber sie hat mich unterbrochen. Wahrscheinlich dachte sie das ich schlechtes sagen werden, was jedoch nicht der fall war. Ich würde nie irgendwas schlechtes gegen Ceyda sagen, es gibts zudem auch nicht schlechtes.

»Ich habe angst.« sprach sie nun und durchbrach die kurze stille zwischen uns. Ich sah zu ihr, sie jedoch schaute nur auf ihre Hände. Soll ich näher an sie ran rücken? Was soll ich machen? »Diese  Angst wird vergehen. Versuch das beste draus zu machen« sagte ich und bemerke erst jetzt wie dumm meine Antwort doch ist. Ist mir den nichts besseres eingefallen. Idiot. Sie schüttelt ihren Kopf und ich sehe wie wieder eine träne ihre Wange berührt. Ich will sie wieder in den arm nehmen. Sie soll alles an mir rauslassen, Hauptsache ihr geht es danach besser. »Du verstehst das nicht« sie sah mich an und ich sehe den schmerz in ihren Augen. Ach Güzelim, was kann ich machen damit es dir besser geht? »Es ist nicht die Art Angst die man hat wenn man eine spinne sieht oder die höhe. Es ist eine viel größere Angst. Eine Angst die ich nicht beschreiben kann. Diese Angst wird nie richtig weg sein.« Ich rücke näher und lege mein Arm um Ceyda. Sie schmiegt sich an mich.

Sie weint. Sie hat wieder angefangen zu weinen. Ich spüre das vibrieren ihres Körpers an mir, doch dann kamen andere Geräusche von ihr. So weint sie doch nicht oder? Ich schaue mit meinem kopf runter und sehe das sie ein grinsen im Gesicht hat. Sie lacht? »Warum lachst du« frage ich verwirrt und doch zugleich lächelnd. »Guck doch mal« sagt sie und zeigt nach unten. Das kann doch nicht war sein. Ein Hund. Genau neben meinen Krücken. Meine Krücken sind doch keine Stöcke. Bevor ich mich fragen konnte was der Hund da macht, nimmt der einer meiner Krücken in den Mund und läuft damit weg. Ich bin im falschen Traum.

»Ey! Meine Krücke« rufe ich. Warum tut der Besitzer den nichts. »Ich hole es, bleib einfach sitzen« sagt Ceyda lachend. Als hätte ich eine andere Wahl, bleibe ich sitzen während sie aufsteht und dem Hund hinterher läuft. Dieser scheiss Hund hat unsere Zweisamkeit ruiniert. Ein Minus Punkt für dich Hund. Ich beobachte die beiden wie sie Katz und Maus spielen und muss mich einkriegen um nicht zu lachen. Ceyda wie sie einen Hund jagt. Diesen Anblick lass ich mir nicht entgehen.

Nach ein paar Minuten Katz und Maus spiel hält Ceyda den Hund im Arm »Pass auf, dieser Hund könnte krank sein« rief ich ihr zu, worauf die Hundebesitzerin mich schief anschaut »Hey! der Hund ist kerngesund. Sie sollten sich eher sorgen machen das sie nicht Krank sind.« Seid wann sind alte Omis so aggressiv. Einfach nichts drauf antworten. Scheiss Hunde und deren Besitzer. Als Ceyda dem Hund die Krücke wegnimmt läuft sie wieder auf mich zu. Sie lächelt so breit. Das gefällt mir definitiv mehr. Sie sieht besser aus wenn sie lächelt. Sie sieht auch gut aus wenn sie weint, aber immer noch am besten wenn sie lächelt. »Meine Heldin« sage ich und entnehme ihr meine Krücke. »Jetzt hab ich die ganzen Bakterien vom Hund auf mir, ekelhaft.« »Abstand halten, sonst hab ich die Bakterien noch auf mir.« Ich stehe auf und nehme meine andere Krücke die auf dem Boden liegt. »Ich hab diese Bakterien wegen dir an mir und jetzt sagst du mir ich soll abstand halten?« Sie zu provozieren macht Spaß »Ja, wie wärs mir einem weiteren Meter-« Sie umarmt mich. Sie. Umarmt. Mich.

Ich schaue zu ihr runter und im selben Moment sieht sie zu mir hoch »So, jetzt sind die Bakterien auch auf dir.« Sie löst sich wieder von mir und läuft wieder zurück Richtung Enes und Alessia. »Die Bakterien haben sich jetzt wenigstens gelohnt!« antworte ich und laufe ihr so schnell ich kann hinterher. Das Mädchen ist schnell. »Ich hab immer noch meine Krücken, das weist du oder.« sage ich ihr während ich endlich neben ihr angekommen bin. Weiterlaufend schaut sie mich kurz an und dann wieder nach vorne »ich weis.« »Kennst du das Wort „warten"?« »Ja, sogar richtig gut. Aber du brauchst Training. Meintest du nicht das du Fit bleiben musst?« Genau das sagte ich. »Ja, aber nicht so.« »Doch genau so.« Ich fang erst garnicht an zu diskutieren, am ende verliere ich sowieso.

Kurz bevor wir den Park verlassen haben drehte sie sich zu mir um, weswegen ich stehen blieb. Ihr gesichtsausdruck hat sich wieder verändert. »Du erzählst nichts Enes, du weist schon, das alles über mein Vater. Weil wenn Enes es weis wird er es Alessia erzählen und ich möchte ihr kein-« »Ich erzähle es niemand.« Sie macht sich zu viel Kopf. Ich frag mich was in ihrem Kleinen Kopf noch alles so passiert.

»Söz?« Versprochen? Wieso will sie mir nicht glauben? »Söz veriyorum sana« Ich verspreche es dir. Sie soll wissen das ich nicht lüge. Sie sieht mich immer noch an. Ihr liegt noch was auf den Herzen, ich sehe und spüre es. »Erzähl, was willst du mir noch sagen.« Sie schaut mich beängstigt an »Was ist wenn mein Vater kommt und ich es nicht schaffe mein Mund aufzumachen, falls er wieder was zu sagen hat. Ich konnte es schon damals nicht und weis nicht ob ich es jetzt könnte.« Wie schlecht kann ein Vater seine Tochter behandeln das sie solche angst vor ihm hat? »Du wirst es schaffen. Lass nicht zu das seine Stimme deinen Kopf einnimmt.« antworte ich ihr, doch sie hat den gleichen Blick. Angst. Es hat sich nichts dran geändert.

»Wenn du nicht alleine sein willst wenn dein Vater kommt, dann ruf mich und ich werde in Minuten da sein. Okay?« Sie nickt und ich merke wie sich ihr Gesicht wieder entspannt. Im Gegensatz zu Ceyda freue ich mich den Vater kennenzulernen, den ich werde mein Mund nicht halten.

Nur Er - Kenan YildizWo Geschichten leben. Entdecke jetzt