Wenn die Nacht nicht endet

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In diesem Kapitel jobbt JJ als Kellner auf der exklusiven Harvest Gala und erlebt dabei eine Mischung aus Langeweile, Stress und unangenehmen Begegnungen. Trotz seiner Versuche, professionell zu bleiben, wird er von einem Gast, der ihn als Freier kennt, bedrängt. JJ muss sich gegen die Annäherungen wehren und versucht verzweifelt, die Situation zu bewältigen, während er seine Angst und Wut unterdrückt. 

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Pope ist  Experte darin, zu wissen, was technisch illegal ist. Er sagt, dass 90% von dem, was auf dem Cut abgeht, technisch illegal ist. Auf Figure Eight auch, for real. Er meint, dass es technisch illegal ist, dass JJ im Club Getränke serviert, nicht nur weil er minderjährig ist, sondern auch weil er keine Arbeitserlaubnis hat. So ziemlich alles, was JJ tut, ist technisch illegal, also kann er nicht so tun, als würde es ihn nicht kümmern, wenn Pope ihm das in aller Ernsthaftigkeit erzählt.

Die Harvest Gala ist diese bescheuerte Party Ende April, die ganz Figure Eight in helle Aufregung versetzt. JJ kapiert immer noch nicht, was da 'geerntet' wird, denn es gibt keine Felder auf dieser Insel, und das Datum der Gala hat nichts mit der tatsächlichen Industrie hier zu tun: Fischen und Touristen anhimmeln, als ob sie der Schlüssel zum Überleben wären (was sie auch sind).

Die Harvest Gala ist so ein Riesending, dass die Schule am nächsten Tag zwei Stunden später anfängt. Es wird gesagt, das wäre wegen einer Lehrerkonferenz, aber jeder weiß, dass es daran liegt, dass die gesamte Schülerschaft jedes Jahr bei der Veranstaltung mitarbeitet. Der Ballsaal ist gefüllt mit jeder Kook-Familie und jedem Pogue-Kind, das ihnen aufwartet.

John B parkt Autos, obwohl er dafür eigentlich noch zu jung ist. Pope beißt sich durch das Catering mit seinem Dad. Kie trägt ein silbernes Kleid, das sie wie eine Eisprinzessin aussehen lässt. JJ serviert Getränke.

Während er leere Gläser aufhebt, verschüttet JJ ein halb geschmolzenes Glas Eis auf Mr. Peters' Arm. Er fängt das Glas nicht auf und es zerschellt an Mr. Peters' Fuß.

JJ greift nach dem Glas, das er fallen ließ, zieht dann seinen Arm zurück, als er merkt, dass es viel zu spät ist. "Entschuldigung, Sir," sagt JJ. Er nimmt das Handtuch von seinem Arm und will Mr. Peters' Arm abwischen, merkt dann aber, wie seltsam das wäre. Er ist zwar alt, aber nicht so alt. Harmlos. JJ macht sich wegen des Verschüttens keine großen Sorgen. "Schon gut," sagt Mr. Peters mit lässiger Stimme. Er schüttelt seinen Arm, als würde es ihn trocknen, und tritt von JJ über das Glas hinweg zur Seite. "Tut mir leid," sagt JJ und gibt sich Mühe, so zu tun, als würde ihn das wirklich kümmern. "Ich bringe Ihnen ein neues." "Das war nicht meins," sagt er und winkt JJ ab. "Keine Sorge. Es trocknet von allein." "Danke, Sir."

JJ vergisst, das Glas aufzuheben, und wird in der Küche dafür drei Minuten lang angeschrien, aber das passiert eh jeden Abend.

Ständig berühren die Leute ihn. Eine Dame stützt sich an seiner Schulter ab, während sie ihren Schuh richtet. Ein alter Mann bürstet Fusseln von seinen Schultern und JJ schaltet sein Gehirn halb aus, um nicht weiter darüber nachzugrübeln. JJ geht durch die Menge und balanciert ein Tablett mit drei Mojitos und einem Gimlet, und jemand greift nach seinem Arm.

JJ dreht sich zu der Person um, die ihn berührt, mit einem höflichen Lächeln. Mrs. Waters winkt ihn näher an ihr altes Gesicht heran. "Mint Julep," flüstert sie. Sie lässt einen Zehn-Dollar-Schein auf das Tablett fallen. "Und mach schnell, Süßer." "Sofort, Ma'am," sagt er.

Überwiegend fühlt er sich gelangweilt, genervt und ein bisschen gestresst. Aber er plant, nach der Veranstaltung zu John B zu gehen. 

Ein kleiner Teil seines Gehirns, den JJ zu ersticken versucht, erwartet bei einen dieser Partys  immer,  dass ihn plötzlich jemand in den Abstellraum zieht und vergewaltigt. Er weiß nicht, wie viele dieser Männer hier Kunden seines Dads sind. Aber er hat genug Bruchstücke aus Zwei-Sekunden-Erinnerungen und verschiedenen Mustern von wiederkehrenden blauen Flecken zusammengesetzt, um genau zu wissen, dass es gerade jetzt mindestens drei verschiedene Typen sein müssten, was nicht heißt, dass es  noch dutzend Weitere sein könnten. Und diese Dutzend könnten es jedem verdammten Menschen auf der Welt erzählt haben. Die ganze Party könnte Bescheid wissen. Mindestens drei Leute wissen es ganz sicher. Aber JJ versucht, das zu verdrängen. Er sieht niemanden, der ihn beobachtet. Keiner berührt ihn aus einem anderen Grund, als nur seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Also ist er wahrscheinlich einfach nur überempfindlich und sollte sich zusammenreissen.

JJ Maybank: SurviveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt