Deine Krokodile

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Von der Garage aus laufe ich direkt durch in unser Wohnzimmer. Erschöpft lasse ich mich auf die Couch fallen. So ein Wutausbruch ist ganz schön anstrengend. Auch, wenn ich meinen Dad schon schimpfen höre lasse ich meine Schuhe einfach an. Nach einer kleinen Verschnaufpause schnappe ich mir die Fernbedienung und zappe durch die Sender. Im achten Programm bleibe ich bei einem Spielfilm hängen. Den habe ich schon immer gerne als kleines Kind geguckt. In der Werbepause rappel ich mich auf, um meine Schuhe auszuziehen und meine Schultasche wegzubringen. Auf dem Rückweg ins Wohnzimmer mache ich noch einen kurzen Abstecher in die Küche. Mit einem Glas Wasser setze ich mich wieder auf die Couch. Ich höre die Haustür ins Schloss fallen, aber ich gucke wie gebannt weiter auf den Bildschirm.

"Ich bin sieben Mal umgezogen. Glaub mir, Freunde gibt es wie Sand am Meer."
"Halten deine Freunde immer zu dir? Egal was kommt, egal wie viel Scheiße du schon gebaut hast? Wenn die ganze Welt gegen dich ist, kannst du dich trotzdem bedingungslos auf deine Freunde verlassen?"
"Klar. Ich denk schon"
"Dann hast du deine Krokodile gefunden. Lass sie dir von Keinem wegnehmen."

Das Polster neben mir senkt sich, doch ich wende mich immer noch nicht ab. Meine Augen sind nicht mehr so trocken wie am Anfang. Du bist echt zu nah am Wasser gebaut. Ich merke, wie einzelne Tränen an meinen Wangen herunter rollen. Schnell versuche ich sie unbemerkt wegzuwischen. Der Fernseher wird ausgeschaltet und die eben noch erklingende traurige Musik hört auf durch die Boxen zu tönen. Mit immer noch wässrigen Augen drehe ich meinen Kopf zur rechten Seite. "Hey, komm mal her", sagt Amber ganz leise zu mir, während sie die Fernbedienung aus der Hand legt. Unsicher schüttel ich meinen Kopf. Deswegen nimmt Amber nur meine Hände zwischen ihre und legt sie zwischen unsere Beine ab. "Hör mal. Ich wollte dich nicht alleine lassen. Ich hatte keine Ahnung, dass du immer noch am Tod deiner..." Hier bricht sie ab, um kurz darauf weiter zusprechen. "Ehrlich gesagt habe ich nicht mehr wirklich an Carona oder dich gedacht. Und ich fühle mich wirklich schlecht dabei. Vielleicht hast du recht und das viele Geld hat mich von den wichtigen Sachen im Leben abgelenkt. Vielleicht bin ich auch doch versnobt oder eine Kuh, aber du musst mir glauben, dass ich nie im Sinn hatte dich zu ersetzen. Liam ist dein Dad. Das weiß ich und er wird auch immer deiner bleiben. Wenn du möchtest, würde ich gerne nochmal von vorne anfangen. Ohne diese Streitereien. Wie früher in Amerika." Hoffnungsvoll schaut mich Amber an. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen bei der Erinnerung an unsere nachmittäglichen Teekränzchen. "Mit Keksen und Mr. Grimm?", frage ich lachelnd. "Von mir aus", lacht nun auch meine Cousine erleichtert auf, "ich hoffe du weißt, dass ich ab heute wirklich immer für dich da bin?" Mit einem Nicken schließe ich sie in meine Arme. "Ich zähle auf dich."

"Du sollst das Mehl in die Schüssel kippen und nicht daneben", weise ich meine Cousine darauf hin. "Ja, Maam." Beim Salutieren haut Amber die Zuckerpackung von der Anrichte und ich kann nicht mehr länger an mich halten. Prustend liegen wir beide fast auf dem Boden. "Was macht ihr denn da?", erkundigt sich mein Dad amüsiert bei uns. "Cookies backen. Das sieht man doch." Kurze Zeit später schiebe ich das Backblech mit den Teigklecksen in den Ofen. Jetzt heißt es warten.

Distract me with your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt