Sie werden immer kürzer

448 27 0
                                    

Außer Atem komme ich am Beachclub an. Die kürzesten Strecken sind immer am anstrengensten. Du solltest mal wieder etwas für deine Ausdauer tun. Da vor dem Club keiner mehr steht, bezahle ich den Eintritt und laufe direkt durch wieder nach draußen. Mein Blick schweift über die Tonnen von aufgeschüttetem Sand. Unter einem roten Sonnenschirm entdecke ich die Anderen. Mit meinen braunen Riemchensandalen in der Hand schlender ich durch die warmen weichen Körner. "Wir haben schon alle auf dich gewartet", ruft mir Connie entgegen und schließt mich in eine feste Umarmung. "Ich habe mich extra beeilt." Mit der gleichen Intensität erwidere ich ihre Umarmung. Schon etwas länger habe ich die Mädchen und Jungen nicht mehr gesehen. "Und in der ganzen Hektik hast du glatt deine Hose vergessen", lacht Tameo, als ich auch ihn umarme. Erschrocken blicke ich an mir herab. Doch meine zerschlissene weiße Hotpants sitzt zum Glück an meinem Hintern. "Ich hab doch eine an", verteidige ich mich. "Und sie werden immer kürzer." Mit einer hochgezogenen Augenbraue mustere ich Phil, der diesen Kommentar von sich gegeben hat. Er klingt wie dein Dad. Nach einem kurzen Schweigen nehmen alle wieder das Gespräch auf und ich lasse mich in einen der Liegestühle fallen. Aus den Boxen, die quer über den 'Strand' verteilt sind, spielt in einer angenehmen Lautstärke Musik. Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen, um zu verschnaufen. "Schlafen kannst du auch zuhause. Jetzt bist du hier zum Feiern. Also hoch aus dem Stuhl", weckt mich auch schon Alexandra direkt wieder. Indem sie mich an der Hand packt, zieht sie mich hoch und mit zu den Anderen. Die Musik wird lauter gedreht und der Bass vibriert unter unseren nackten Füßen. Von allen Seiten nehme ich ausgelassene Rufe und Stimmen, die lauthals mitsingen, wahr. Durch das Gewirbel von Alex fällt die unverständliche Müdigkeit von mir ab. Auch mich packt wieder das Fieber und ich verliere mich im Takt.

"Ich bin platt. Völlig ausgelaugt", schnauft Chrissy. In einer gemütlichen Runde sitzen wir in den Liegestühlen von vorhin. Langsam bricht die Dämmerung ein und die Lampion-Girlanden, die quer über die Fläche aufgehängt wurden, sind die einzigen Lichtquellen. "Vielleicht solltest du beim Tanzen mal einen Gang runter schalten", lacht Blake seine Freundin aus. Dafür kassiert er einen Schlag von eben dieser. "Leute, ihr müsst euch nicht um das letzte Bier schlagen. Hier ist schon Nachschub", lässt Tameo verlauten. Er und Phil sind mit unseren bestellten Getränken beladen. Auf einem kleinen Tisch stellen sie alles ab. Dummerweise sitze ich am weitesten davon entfernt. Musst du wohl aufstehen, faules Kind. Ich erhebe mich und schnappe mir mein Bier. Doch als ich mich wieder in meinen Liegestuhl sinken lassen will, ist er bereits besetzt. "Phil! Das ist mein Platz. Mach dich daraus." Doch er lacht nur. Das nennt sich also bester Freund. "Bitte!", quengel ich weiter und ziehe das 'e' in die Länge. Als er immer noch keine Anstalten macht mir Platz zu machen, schaue ich mich suchend nach einer neuen Sitzgelegenheit um. Der Boden scheint mir ganz passend. Bevor ich mich setzen kann, packt mich Phil sanft an meiner Hüfte und zieht mich zu sich auf seinen Schoß. "Dann eben so", lächel ich. Über seine Beine kreuze ich meine. So lässt es sich leben. Während ich ein Schluck trinke, nehme ich Connies irritierten Blick, der auf mir ruht, wahr. Mach dir irgendwann anders Gedanken darüber.
"Wir waren vorgestern im Kino und hinter uns saßen solche Rotzlöffel, die nichts besseres zu tun hatten als die ganze Zeit gegen die Sitze zu treten und alle mit Popcorn ab zu werfen. Die haben mich richtig aggressiv gemacht", regt sich Chrissy gerade auf. Mit ihren Händen fuchtelt sie wild in der Luft rum und schlägt Blake heute schon zum zweiten Mal. Wenn auch diesmal ausversehen. "Ich weiß gar nicht mehr, um was es in dem Film ging, weil ich die ganze Zeit damit beschäftigt war das Popcorn aufzusammeln", fährt sie fort, ohne zu bemerken, dass Blake sich seine Wange reibt. "Warum hast du das denn aufgesammelt?", fragt Alex lachend. "Oh, weil sie am Ende an dem Saalausgang gewartet hat und dem Rotzlöffel mit den orangenen Haaren alles in seine Kapuze und Kragen gestopft hat", prustet Blake los. "Nur so kennen wir dich", steige ich in das Gelächter ein. Chrissy zieht einen Schmollmund, jedoch nimmt sie keiner ernst. Und schon lacht sie selber.
"Ihr scheint mächtig Spaß zu haben. Und das ohne uns?" Außerhalb unseres kleinen Kreises stehen Jonas und Samuel. Freudig springe ich auf und laufe zwischen den Stühlen hindurch. Da freut sich aber jemand seine neuen Freunde zu sehen.
In den letzten Tagen habe ich ziemlich viel mit Jonas geschrieben und ihm letztendlich vorgeschlagen heute auch zu kommen. Wie selbstlos von dir. Okay, vielleicht war es ein wenig aus der Intention heraus nicht mehr die Jüngste zu sein. Aber mir war nie wirklich bewusst, dass alle mindestens ein Jahr älter als ich sind. Genug mit dem Selbstmitleid.
"Hat er es dir gesagt?", fragt Jonas mich, als er mich umarmt. "Wer hat mir was gesagt?" Irritiert gucke ich ihn an, aber er ist schon weg die Anderen begrüßen. Auch auf später verschieben.
"Na du?", begrüßt mich auch Samuel. "Na du." Breit grinsend führe ich ihn zu dem Rest der Gruppe. "Dann kann die Party losgehen!", ruft Tameo und erhebt sein Glas. Wir alle stoßen an. "Und ob sie das kann!"

Distract me with your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt