Kapitel 28

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- Jimmy -

„Sind sie nicht goldig? Wo ist der Fotoapparat wenn man ihn mal braucht?"

„Ich weiß, ehrlich gesagt, immer noch nicht was ich davon halten soll."

„Wäre es dir lieber, Jimmy würde Leo wieder wie am Anfang ignorieren?"

„Natürlich nicht. Aber das?" Wahrscheinlich deutet er auf uns. Meine Geschwister haben versucht leise zu sprechen, um Leo und mich nicht zu wecken, was ihnen aber – zumindest bei mir – nicht gelungen ist.

„Jetzt stell dich nicht so an. Oder bist du etwa eifersüchtig?" Da ist sie wieder die Frage. Diesmal allerdings aus Joey's Mund.

„Blödsinn.", entgegnet John nur und verschränkt die Arme. Das sie noch nicht mitbekommen haben, dass ich wach bin nutze ich aus. Vorsichtig ziehe ich meinen Arm unter Leos Kopf weg und schleudere den Beiden dann mein Kopfkissen entgegen. Überrascht über den plötzlichen Tiefflieger schauen sie in meine Richtung. Ich stehe auf, ziehe die Decke wieder über Leo, die noch immer tief und fest schläft. Und da sie das so gut wie nie tut, werde ich einen Teufel tun und sie jetzt wecken. Ich schiebe meine Brüder aus dem Zimmer und schließe leise die Tür.

„Ist ja schön, wenn ihr euch auf meine Kosten amüsieren könnt, aber geht das auch ein bisschen leiser?", frage ich sie schließlich, als wir im Flur angekommen sind.

„Ihr zwei seid einfach zu niedlich zusammen.", sagt Joey und knufft mich in die Wange. Ich schlage seine Hand weg und sehe zu John, der nur mit dem Kopf schüttelt und schon im Esszimmer verschwinden will, wo wahrscheinlich der Rest der Familie auf mich wartet. Bevor er eintreten kann halte ich ihn am Arm fest und hindere ihn somit daran.

„Willst du mir irgendwas sagen?", frage ich ihn ganz direkt. Das ich seine Worte eben im Proberaum gehört habe ist ihm spätestens jetzt klar.

„Nein, überhaupt nicht. Ich will nur nicht, dass dir die Sache mit Leo in einer Woche zu langweilig wird und du sie fallen lässt." Okay, das war ehrlich.

„Gut, dann will ich dir mal was sagen. Ich liebe Leo. Wir haben uns ausgesprochen und sie weiß Bescheid was passiert ist. Nur wegen dieser Sache mit Sunny habe ich sie auf Abstand gehalten, obwohl ich ihr am liebsten schon am ersten Tag um den Hals gefallen wäre." Das hat gesessen. Entgeistert sieht mein Bruder mich an. Mit so einem Geständnis hat er anscheinend nicht gerechnet. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich selbst nicht gedacht, dass ich je irgendjemanden außer Leo die Wahrheit sagen würde.

„Soll das heißen, nur aus Angst wieder so ausgenutzt und verarscht zu werden, hast du Leo so scheiße behandelt?" John stützt sich im Türrahmen ab und versperrt mir so den Weg zu den Anderen. Langsam bekomme ich Hunger. Andererseits hätte ich auch nichts dagegen, mich wieder neben Leo auf das kleine Sofa zu kuscheln.

„Ja, nur deswegen. Können wir jetzt frühstücken gehen?"

„Ich habe keine Lust hinterher wieder deine Scherben zusammenzukehren. Haben wir Alle nicht.", sagt er und deutet zur Tür.

„Wie gesagt, da wird es nichts zu kehren geben.", versichere ich meinem Bruder und schiebe mich dann an ihm vorbei, wo ich noch die Worte „Na hoffentlich.", aufschnappe.

Während des gesamten Frühstücks muss ich mir mein Grinsen verkneifen. Das John mit seiner Aussage, er wolle keine Scherben aufkehren, Erinnerungen bei mir wachgerufen. Gedanken an jene Gewitternacht, als Leo sich an dem kaputten Glas geschnitten hat. Ich glaube, da habe ich zum ersten Mal so richtig gecheckt, wie viel sie mir eigentlich wirklich bedeutet. Und ich habe gemerkt, dass meine Gefühle nicht einseitig sind. Jede meiner Berührungen haben etwas in Leo ausgelöst, das ich mir extra viel Zeit genommen habe, den Verband um ihre Hand zu wickeln. Diese Nacht war sozusagen der Anfang von Allem. Alles was im Krankenhaus dann passiert ist, wäre vielleicht nicht passiert, wenn es diese Spannung zwischen uns nicht schon gegeben hätte.

Für Anfang März ist es heute schon ziemlich warm. Trotzdem haben Leo und ich uns in Regenjacken gepackt, als wir Hand in Hand durch die Straßen laufen. Das bei diesem Wetter kaum jemand unterwegs ist, ist für mich ziemlich praktisch. Da kann ich mir immerhin die Sonnenbrille und das Basecap sparen. So brauche ich nur meine Kapuze tiefer ins Gesicht ziehen, wenn uns Leute entgegenkommen. Einmal tue ich so, als müsste ich mir die Schnürsenkel neu binden, als eine Gruppe Mädchen auf uns zukommt.

„Ist das nicht total anstrengend?", fragt mich Leo, als sie vorbei sind und wir unseren Weg fortsetzten können.

„Manchmal ja, aber man gewöhnt sich dran.", antworte ich. Ihre Hand liegt kalt in meiner, was sicher nicht nur an dem Wetter liegt. Bei jedem Auto, welches uns entgegenkommt, dreht sie den Kopf in meine Richtung und taucht ebenfalls tiefer in ihrer Jacke ein. Seit sie bei uns wohnt hat sie noch keinen Fuß vor die Tür gesetzt, außer, wenn sie für uns einkaufen war. Und nach dem, was sie erzählt hat kann ich mir auch denken warum. Aus Angst, ihrem Stiefvater in die Arme zu laufen. Nach allem was Leo über ihn erzählt hat, würde er sie wahrscheinlich wie ein Kaninchen im Genick packen und nach Hause schleifen und wir hätten die nächste Anzeige im Briefkasten. Oder auch nicht, weil Leo sich seiner Meinung nach, dann ja freiwillig bei uns versteckt hätte. Gott, ich will gar nicht darüber nachdenken – mir die verschiedenen Szenarien gar nicht vorstellen.

Ich lege meinen Arm um Leo und ziehe sie so eng an mich, dass wir kaum noch laufen können ohne bei jedem Schritt beinahe über die Füße des jeweils Anderen zu stolpern. An einem kleinen Blumenladen an der nächsten Straßenecke machen wir Halt. Tropfnass treten wir ein und über der Tür erklingt ein kleines Glöckchen. Und es dauert auch nicht lange, ehe eine ältere Frau hinter dem Tresen erscheint. Wir wärmen uns an der kleinen Heizung, die die Verkäuferin im Laden aufgestellt hat, während diese einen kleinen Strauß aus verschiedenfarbigen Rosen bindet. Das ihr Blick immer wieder zu uns huscht während sie arbeitet entgeht mir nicht, doch erst nachdem ich ganz sicher festgestellt habe, dass sie mich ansieht und nicht Leo, kann ich mich entspannen und die Wärme an meinen Händen genießen.

Es dauert gar nicht lange und unser Strauß ist fertig. Ich bezahle und wir wollen schon nach draußen gehen, als sie eine Zeitschrift unter ihrem Tresen hervorholt. Ich hätte das alles ja gar nicht mitbekommen, hätte Leo mich nicht darauf aufmerksam gemacht.

„Ich will euch wirklich nicht belästigen, aber meine Enkeltochter ist ein riesiger Fan von euch. Und jedes Mal wenn sie mit mir hier im Laden ist, bittet sie mich nach einem Autogramm zu fragen, wenn ich einen von euch sehen sollte.", sagt sie zu mir und hält mir die aufgeschlagene Zeitung entgegen in deren Mitte sich ein Poster von mir und meinen Geschwistern befindet. Und Tatsächlich entdecke ich auf dem Bild auch schon die Unterschriften von Patricia und Angelo.

„Wie heißt ihre Enkelin denn?", frage ich und nehme den Stift entgegen.

„Clara.", antwortet sie mit einem breiten, dankbaren Lächeln. So gut es mit meinen kalten Fingern geht schreibe ich den Gruß neben mein abgedrucktes Gesicht und setze meine Unterschrift dazu.

„Vielen, vielen Dank." So breit, wie sie nun strahlt, könnte man fast denken, dass die Geschichte mit der Enkeltochter nur ausgedacht war.

„Gerne, schönen Tag noch.", sage ich. Dann nehme ich die Blumen und halte Leo die Ladentür auf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 7 days ago ⏰

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