Kapitel 21

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- Leo -

Kaum hat Jimmy die Tür hinter sich geschlossen ziehe ich mir das Kissen unter dem Kopf weg und drücke es mir aufs Gesicht. Um mich selbst zu ersticken, oder nur meine Schluchzer? Keine Ahnung. Dies sind wohl diese Momente, in denen man seine beste Freundin anruft und sich bei der dann aus heult. Das Problem ist nur, dass ich meine letzte beste Freundin in der zweiten Klasse hatte. Da waren wir gerade einmal sieben und unsere größten Probleme waren, dass wir nicht wussten, wie wir unsere neuen Spielzeugpferde nennen sollen. Bisher musste ich mit noch Niemanden über Jungs reden – abgesehen vom Kindergarten, als mich einer aus meiner Gruppe von der Schaukel geschubst hat. Aber das kann man hiermit absolut nicht vergleichen. Diese Sache mit Jimmy wiegt so viel mehr, tut so viel mehr weh. Was bildet er sich nur ein? Mich so hin und her zu schubsen, wie es ihm gerade passt? Als wäre ich sein Spielzeug. Aber ich bin kein Spielzeug! Warum lasse ich ihn dann so mit mir umgehen?

„Leo?" Barby's Worte dringen nur gedämpft durch das Kissen zu mir durch.

„Ich hab nicht gelauscht, wirklich nicht. Aber ihr zwei wart einfach nicht zu überhören.", sagt sie. Ich nehme das Kissen von meinem Gesicht; mir egal wie verheult oder verzweifelt ich aussehe. Wahrscheinlich wie der Struwwelpeter höchst persönlich.

„Ist okay.", sagt ich nur, streiche mir die Haare aus dem Gesicht und rutsche ein Stück zur Seite, um Barby Platz auf meinem Bett. Sie kommt meiner stillen Bitte nach und setzt sich neben mich. Eine Weile schweigen wir nur – währenddessen streicht Barby mir tröstend über den Oberarm. Diese blöden Tränen wollen einfach nicht aufhören zu fließen.

„Leo, ich kenne Jimmy jetzt schon mein ganzes Leben und ich weiß, dass er ein ziemlicher Arsch sein kann. Aber ich weiß auch, was im Krankenhaus zwischen euch vorgefallen ist.", sagt sie irgendwann und legt sich neben mich auf die Matratze. Sie nimmt meine Hand in ihre und verschränkt unsere Finger, genau wie eben ihr Bruder.

„Ja, er hat mir davon erzählt.", sage ich und fahre mir wieder und wieder übers Gesicht. Als ich kurz zur Seite sehe begegne ich Barby's fragenden Blick. Mist! Jimmy hat es mir gestern Nacht in seinem Zimmer erzählt. Bevor dieses Chaos begann. Aber das ist jetzt auch egal.

„Gestern Nacht.", antworte ich daher nur knapp, gewappnet auf noch mehr Fragen.

„Gestern Nacht? Heißt das, mein Bruder hat hier übernachtet?" Barby ist aufgesprungen und hat sich im Schneidersitz vor mich gesetzt; so nah an die Kante, dass ich schon Angst habe, dass sie rückwärts aus dem Bett fällt.

„Nein, ich war bei ihm. Und geht das bitte etwas leiser?" Ich sehe zur Tür. Nicht's wäre noch peinlicher, als wenn ausgerechnet jetzt all seine Geschwister von der Sache zwischen Jimmy und mir erfahren.

„Oh, ja klar. Sorry. Aber jetzt erzähle!", fordert Barby mich auf. Ihre Wangen sind vor Aufregung gerötet und sie kann kaum still sitzen.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wir haben uns ausgesprochen.", antworte ich.

„Du willst mir weiß machen, dass du dich mitten in der Nacht in Jimmy's Zimmer geschlichen hast, wo du eh kaum laufen kannst, und ihr dann nur geredet habt? Leo, ich bin nicht von gestern.", entgegnet Barby. Ich setzte mich auf, so gut das eben geht drücke mir ein Kissen vor die Brust und versuche das übertriebene Grinsen zu verbergen, als ich an diese Nacht zurück denke und sehe dann wieder zu Barby.

„Wir haben uns geküsst und wir haben ... „

„Ja, ja, ich kann es mir denken. Solches Kopfkino will man von seinem Bruder nicht haben.", unterbricht mich Barby und hält sich die Ohren zu.

„Nein, wir haben nicht ... also, zumindest nicht richtig. Außerdem wolltest du es doch hören.", antworte ich und werfe sie mit meinem Kissen ab. Barby fängt es geschickt kurz vor ihrem Gesicht ab. Wahrscheinlich jahrelange Übung aus Kissenschlachten mit ihren Geschwistern.

„Und wo ist dann jetzt das Problem? Jimmy liebt dich, du liebst ihn und trotzdem schiebt du ihn von dir.", fasst Barby die letzten Stunden zusammen und sieht mich dann abwartend an.

„Es ist einfach ... ah, keine Ahnung."

„Du hast es doch schon gesagt. Es ist einfach. Schafft dieses Problem aus der Welt und gesteht euch endlich ein, dass ihr euch liebt."

„Wenn du das sagt, klingt es wirklich einfach. Aber Jimmy wäre schön blöd, mir jetzt noch zu verzeihen, wo ich so blöd zu ihm war. Außerdem bin ich nicht so gut im reden.", gestehe ich. Barby legt den Kopf schief, sieht mich aber nur an. Erst denke ich, dass sie mir gleich die nächste Standpauke halten will, doch dann merke ich das sie gedanklich ganz wo anders ist.

„Ha, ich hab's!", sagt sie dann so plötzlich, dass ich erschrocken zusammenzucken. Ich will schon fragen, da ist sie aufgestanden und hat meinen Rucksack ans Bett gezogen. Sie holt mein Notizbuch daraus hervor, welches zum Glück obendrauf liegt und reicht mir dieses. Zögerlich nehme ich es entgegen und sehe sie fragend an.

„Naja, wenn du nicht gut im Reden bist, schreib ihm einen Brief." Barby klatscht vor Aufregung in die Hände.

„Und was soll ich ihm schreiben?", frage ich, während ich eine freie Seite suche und einen Stift von Jimmy's Schwester entgegennehme.

„Keine Ahnung. Das musst du schon selbst wissen." Ein paar Mal setzte ich an, streiche aber gleich den ersten Satz wieder durch und reiße die Seite heraus. Schon bald liegen auf dem Boden etliche zerknüllte Seiten herum. Ich lehne den Kopf gegen die Wand und schließe die Augen. Sofort habe ich die Bilder der letzten Nacht vor Augen und es beginnt zwischen meinen Beinen zu kribbeln. Ruckartig öffne ich die Augen wieder. Nicht, dass ich alleine von den Erinnerungen an Jimmy's Berührungen komme und seine kleine Schwester neben mir auf meinem Bett sitzt. Peinlicher geht's dann wirklich nicht. Ich setzte den Stift an und beginne zu schreiben.

Jimmy,

es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Wie ich nach der letzten Nacht mit dir umgesprungen bin. Du hast jeden Grund wütend auf mich zu sein. Aber du hast es selbst gesagt: Da ist etwas zwischen uns. Und ich will, genau wie du herausfinden, was es ist. Zusammen mit dir. Ich habe noch nie für Jemanden so empfunden, wie für dich. Aber ich glaube es ist Liebe. Ja, verdammt, Jimmy – ich liebe dich. Egal was war.

Leo

Zufrieden falte ich das Papier zusammen. Am liebsten würde ich sofort aufstehen und Jimmy den Brief persönlich geben. Nur zu gern würde ich seinen Blick sehen, wenn er meine Zeilen liest. Doch leider macht sich ausgerechnet jetzt mein Knöchel wieder bemerkbar, was mir das Aufstehen unmöglich macht.

„Hier, den Rest musst du erledigen.", sage ich und übergebe Barby meinen Brief. Diese Strahlt bis über beide Ohren.

„Das ich irgendwann mal Amor für einen meiner älteren Brüder spielen darf ... wer hätte das gedacht." Ich kann ihr trauen, ihnen Allen, das weiß ich. Aber nun einmal ist Barby diejenige, die am meisten weiß.

„Keine Sorge, dein Glück liegt bei mir in sicheren Händen. Ich werde den hier ..." sie deutet auf meinen Brief. „ .. gleich bei Jimmy angeben, wenn ich dir aus der Küche ein neues Coolpack hole. Das hier ist schon ganz warm."

„Du bist ein Schatz." Ich kann nicht anders, als sie in meine Arme zu ziehen. Klar, dadurch das wir uns das Badezimmer teilen hatte ich von Anfang an mehr Kontakt zu Barby, als zu ihren Geschwistern, aber mit der Zeit ist zu der Schwester geworden, die ich nie hatte. Und ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann. In allen Angelegenheiten.

Together we are strongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt