- Jimmy -
Ich sitze an einem meinem Fenster, welches noch offen steht. Von draußen weht ein kühler Wind hinein. Leo's Brief habe ich noch immer in den Händen. Seit Barby ihn mir nach den Proben, welche ich so vergeigt habe, gegeben hat, habe ich ihn sicher zehnmal gelesen. Und das war vor vier Stunden. Ich habe überlegt, Leo ebenfalls einen Brief zu schreiben, doch als ich an meinem Schreibtisch vor dem Bogen Papier saß wusste ich nicht was. Ich will aber auch nicht warten, bis wir uns zufällig im Flur begegnen, ohne das einer meiner Geschwister dabei ist. Leo wird versuchen mir aus dem Weg zu gehen. Eigentlich weiß ich nicht so recht, was sie genau von mir erwartet.
Nebenbei zähle ich die zugehenden Zimmertüren und als ich bei acht angekommen bin, hält mich nichts mehr auf dem Sessel. Ich ziehe ein frisches Shirt und einen Pullover an und schleiche mich mit Leo's Brief in den Händen hinüber zu ihrem Zimmer. Wie immer, wenn ich daran vorbeigegangen bin, brennt noch Licht. Ich frage mich, ob sie es je ausschaltet. Höchstens zum schlafen, wahrscheinlich. Ich klopfe leise, um sie nicht aus dem Schlaf zu reißen und trete dann, ohne eine Antwort abzuwarten, leise ein.
„Hey, du bist ja noch wach.", sagt sie. Dann huscht ihr Blick kurz zu dem Brief.
„Ja, du ja aber auch.", entgegne ich. Ohne eine Aufforderung abzuwarten setze ich mich an das Fußende des Bettes, schiebe die Kissen, auf welchen Leo ihren verletzten Fuß liegen hat beiseite, und platziere diesen auf meinem Schoß.
„Ja, ich konnte nicht schlafen. Ist wahrscheinlich der Mond.", antwortet sie und streicht sich eine ihrer blonden, kurzen Strähnen hinters Ohr.
„Ich musste dich einfach sehen.", sage ich und hoffe, dass es als Erklärung für mein nächtliches Auftauchen ist. Leo senkt den Blick, doch ich sehe das kleine Lächeln, welches sich auf ihr Gesicht stiehlt. Ich lege den Brief auf ihren Nachttisch und beuge mich dabei weit über sie. Leo macht nicht die Anstalten, zurückzuweichen, dreht den Kopf aber ein Stückchen zur Seite.
„Was? Was hast du?", will ich wissen.
„Deine Schwester schläft gleich nebenan.", antwortet Leo und deutet zu der offen stehenden Badezimmertür.
„Na, wenn es weiter nichts ist." Vorsichtig lege ich Leos Fuß auf die Matratze, schließe beide Türen und ehe sie sich versehen kann, bin ich wieder bei ihr und mache da weiter, wo ich eben aufhören musste. Und dieses Mal lässt Leo es zu. Unsere Zungen finden sich, sie vergräbt ihre Fingen in meinen Haaren und ich ziehe sie so eng an mich, das kein Blatt Papier zwischen uns passen würde. Vorsichtig fahre ich mit meinen Händen unter ihren Pullover – die Gegend, wo beim letzten Mal Schluss war. Doch auch jetzt macht Leo keine Anstalten mich zu stoppen. Im Gegenteil – sie löst sich kurz von mir, sieht mich aus ihren blau-grauen Augen an und zieht mir dann mit einem Ruck mein Shirt über den Kopf. Für Jemanden, der keinerlei Erfahrungen hat, sehr geübt.
Meine Hände wandern weiter nach oben, umfassen ihre Brüste, kneten sie. Eine Spur von Küssen folgt meinen Händen. Von ihrem Bauchnabel bis hin zu ihrem BH. Nur ihr Pullover stört noch. Doch als ich gewillt bin, ihn ihr ebenfalls über den Kopf zu ziehen, da dieser Stoff definitiv zu viel Platz zwischen uns einnimmt, hält Leo ganz plötzlich meine Hände fest. Leo löst sich von mir und setzt sich wieder auf. Auch bei dem wenigen Licht, welches ihre Nachttischlampe uns noch spendet sehe ich, dass sich Tränen in ihren Augen gesammelt haben.
„Hey, was ist denn los? Hab ich irgendetwas getan, was du nicht wolltest? Ging dir das zu schnell?", frage ich. Leo schüttelt nur mit dem Kopf und wischt sich die Tränen, welche sich ihren Weg über ihre Wange gesucht haben, mit dem Ärmel des Pullovers weg. Dann setzt sie sich aufrecht in ihr Bett, zieht die Knie an die Brust und umschlingt diese mit beiden Armen. Dabei achtet sie, dass sie Ärmel fest in den Fäusten hält.Toll! Das ging ja mal gewaltig nach hinten los. Warum konnte ich mich nicht auch noch zurückhalten und erstmal mit Leo reden über alles was vorgefallen ist? Wie es sich wohl anfühlt, wenn ich mir selbst eine reinhaue?
„Es ... es ist wegen meinem Vater. Also eher wegen meinem Stiefvater." Kurz denke ich, mir die Worte nur eingebildet zu haben, doch an Leo's Blick erkenne ich, dass dem nicht so ist.
„Was hat er getan?" Will ich das wirklich wissen? Die Geschichten zwischen Kindern und ihren Stiefeltern gehen doch in den seltensten Fällen gut aus. Meine Mutter, Danny, Caroline, Paul und Kathy mal ausgeschlossen!
„Ich bin zu ihm gezogen, als ich sieben Jahre war. Meine Großeltern, bei denen ich bis dahin gewohnt habe, sind gestorben und dann hat das Jugendamt irgendwie meinen Stiefvater ausfindig gemacht.", beginnt Leo zu erzählen. Ich setzt mich ihr gegenüber in den Schneidersitz. Ich suche ihren Blick, doch der ist fest auf ihre Füße geheftet. Ihr Kopfkissen hat sie sich fest an die Brust gedrückt, als müsste sie sich daran festhalten.
„Was ist denn mit deinen Eltern?", frage ich vorsichtig.
„Hab ich nie kennengelernt. Meine Großeltern haben mir nur erzählt, dass meine Mutter meinem Stiefvater fremdgegangen ist ... in Italien im Urlaub, den er ihr zum Hochzeitstag geschenkt hat." Leo lacht bitter und schüttelt den Kopf. Entweder, weil sie nicht glauben kann mir davon zu erzählen, oder wegen der Geschehnisse selbst. Ich will gerade zu einer weiteren Frage ansetzten, als sie sagt: „Sie ist bei meiner Geburt gestorben und mein Stiefvater gibt mir dafür die Schuld."
„Scheiße.", entfährt es mir leise. Mit Allem hatte ich gerechnet, hatte mich auf Alles gewappnet, aber das es so heftig werden wird... Ich selbst spüre, wie mir die Tränen in die Augen steigen, doch es gelingt mir sie weg zublinzeln. Wie soll sich Leo erst fühlen.
„Rede dir das bitte nicht ein. Leo, das war nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür.", sage ich, als ich die Fassung wiedergefunden habe.
„Wenn dir das Jemand sieben Jahre lang einredet, glaubst du es irgendwann. Da kann man nichts machen. Er hat mich seinen Hass jeden Tag spüren lassen. Egal, was in seinem Leben schief lief, ich war Schuld daran. Als er seinen Job verloren hat, als er den ganzen Tag nur noch gesoffen hat... er hat mich in seinem Haus nie akzeptiert." Ich brauche eine Weile um diese Geschichte auf mich wirken zu lassen.
„Und dann komme ich daher und mache dir grundlos zusätzlich das Leben schwer.", spreche ich das Erste aus, was mir in den Sinn kommt.
„Gott, ich bin so ein Idiot." Auf einmal bin ich extrem wütend. Auf Leo's Stiefvater und auf mich selbst. Um dieser Wut freien Lauf zu lassen springe ich auf und beginne im Zimmer auf und ab zu laufen.
„Nein, das bist du nicht.", sagt Leo, was aber nicht so richtig zu mir durchdringt. Erst, als ihre kalte, nassgeschwitzte Hand mein Handgelenk umfasst kapiere ich überhaupt, dass sie aufgestanden und zu mir gekommen ist. Wie sie mich aus ihren rot geweinten Augen ansieht so bittend ansieht, lässt meine Wut verpuffen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ziehe ich Leo an mich und halte sie so fest; am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen. Sie für immer halten und diesen Mist vergessen lassen.
„Ich lasse dich damit nicht alleine. Versprochen.", flüstere ich ihr ins Ohr, woraufhin Leo mich küsst.
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Together we are strong
Fanfic‼️TRIGGERWARUNG‼️ Diese Geschichte enthält triggernde Inhalte, die eventuelle Spoiler für den Verlauf der Geschichte enthalten. Zudem zählen: Verlust der Eltern und anderer geliebter Personen, Kindesmissachtung, Trauer, Waffenmissbrauch und Verarbe...