Kapitel 12

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- Leo -

Die Tür zu seinem Zimmer ist nur angelehnt und durch den schmalen Spalt höre ich Jimmy und John miteinander diskutieren. Über mich - wahrscheinlich, weil ich Jimmy mit dem Küchendienst alleine gelassen habe. Na ganz toll. Umso besser, dass ich von hier verschwinde.

„Warum bist du so scheiße zu Leo? Sie hat dir doch nichts getan.", höre ich John sagen. Ich lehne mich neben die Tür und lausche der Unterhaltung der Beiden, obwohl ich kein gutes Gefühl bei der Aktion habe.

„Warum sollte ich? Hast du vergessen, was die Letzte getan hat, die wir hier haben wohnen und arbeiten lassen?"

„Und du meinst, Leo ist wie Sunny? Das ist doch totaler Blödsinn.", entgegnet John. Es macht mich ein wenig stolz, dass er sich so für mich einsetzt und zweifele kurz an meinem Plan, abzuhauen. Aber wer ist diese Sunny, von dem die Beiden gesprochen haben? Aber noch wichtiger ist, was hat sie getan, was Jimmy so hat werden lassen?

„Ach ja? Damals haben wir uns auch nichts böses gedacht und dann kamen diese Fotos und Gerüchte in die Öffentlichkeit." Ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so über eine Person aufgeregt, wie jetzt über Jimmy. Wie kann er sowas von mir denken? Dieser Blödmann! Wenn er wüsste das ich mithöre und wie sehr mich seine Worte verletzten ... Wütend stoße ich die Tür auf, was Beide auf mich aufmerksam macht. Blicke, in denen einerseits Entsetzen und andererseits Sorge liegen haften auf mir. Ich wiederum sehe nur Jimmy an. Ich habe eine solche Wut in mir, dass ich die Hände zu Fäusten geballt halte und meine Atmung zittert. Tränen treten in meine Augen.

„Leo, hey ... es ist nicht so, wie du denkst.", sagt John und kommt näher. Ich weiche seiner Hand aus. Die Bücher, die er mir irgendwann mal geliehen hatte und die ich ihm eigentlich wiedergeben wollte, ehe ich gehe lasse ich achtlos auf den Boden fallen. Blind vor Tränen laufe ich weiter durch den Flur; immer schneller, bis ich schließlich renne. Zwei Stufen auf einmal nehmend hechte ich die Treppe herunter. Doch schon auf einer der obersten Stufen knicke ich mit dem linken Fuß um, verliere das Gleichgewicht und falle. Hart schlage ich auf dem Boden auf und mir wird kurz schwarz vor Augen. Der Schock sitzt mir tief in den Knochen, weswegen ich mich nicht rühren kann.

„Ist alles okay? Leo, hast du dich verletzt?", fragt John, der auf einmal neben mir kniet. Noch immer etwas verwirrt schüttele ich den Kopf, der sofort zu pochen beginnt. Alles um mich herum dreht sich. Als ich versuche aufzustehen, schießt ein stechender Schmerz durch meinen Fuß. Beinahe wäre ich wieder auf dem Allerwertesten gelandet, hätte Jimmy mich nicht von hinten aufgefangen. Ich weiß in diesem Moment nicht was mich mehr wundert: das er mit hier unten bei mir ist, oder, dass er mich nicht hat fallen lassen.

„Soviel dazu.", sagt er nur und setzt mich auf der untersten Treppenstufe ab.

„Okay, ich bringe dich ins Krankenhaus. Nicht, dass du dir irgendwas gebrochen hast. Warte kurz.", sagt John mich und steht auf. Als ob ich irgendwohin könnte.

„Das ist nicht nötig.", protestiere ich und will ihm nach, doch Jimmy hält mich an der Schulter fest und drückt mich sanft zurück auf die Treppe. Fast so sanft, wie er in jener Nacht meine Hand versorgt hat. Ich verdränge diesen Gedanken und werfe ihm einen finsteren Blick zu, den er ganz gekonnt ignoriert. Was denkt er sich eigentlich, wer er ist?

„Doch, ist es.", widerspricht mir John, der bereits die Autoschlüssel, sowie meine und seine Jacke in der Hand hat.

„Hast du nicht gleich noch einen Termin?", fragt Jimmy seinen Bruder.

„Der muss warten.", antwortet John, legt einen Arm um mich und hilft mir auf die Beine. Ich lasse es einfach geschehen. Eine andere Wahl habe ich eh nicht.

„Muss er nicht. Ich fahre sie." Überrascht wenden wir uns zu Jimmy um, der seinem Bruder schon die Schlüssel abgenommen hat. John sieht mich kurz fragend an und auf mein Nicken übergibt er mich an Jimmy.

„Meldet euch, wenn ihr zurück seid, okay?", ruft John uns noch nach, doch Jimmy ist schon damit beschäftigt mir auf den Beifahrersitz zu helfen. Natürlich hätte ich John auch bitten können zu bleiben, aber ich kann nicht zulassen, dass er wegen mir irgendwelche wichtigen Termine absagt. Jimmy und ich kommen schon klar, irgendwie ...

Der Parkplatz des Krankenhauses ist völlig überfüllt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es dann erst im Wartezimmer aussehen mag. Doch zu meiner Überraschung parkt Jimmy den Wagen am Hintereingang. Fragend sehe ich ihn an.

„Was wird das jetzt?", frage ich ihn, als er den Motor abstellt und den Schlüssel aus dem Zündschloss zieht.

„Warte kurz hier. Ich hole einen Arzt. Wie du dir ja sicher vorstellen kannst, werde ich mich nicht ins Wartezimmer setzen.", antwortet er.

„Klar, ich werde schon nicht wegrennen.", rufe ich ihm nach. Doch Jimmy hat die Tür schon zugeschlagen und in einer der Türen verschwunden. Über die Sache mit dem vollen Wartezimmer habe ich mir, um ehrlich zu sein, bis eben keine Gedanken gemacht, da ich angenommen hatte, dass er mich hier absetzt und wieder verschwindet.

Umso überraschter bin ich, als Jimmy tatsächlich wenige Minuten später mit einem Arzt wieder nach draußen kommt. Die Beiden diskutieren über irgendwas, was ich nicht verstehen kann, aber als Jimmy auf mich deutet, kapiere ich, dass es wohl um mich geht. Und da sich das Krankenhauspersonal sicher nicht für unseren Kleinkrieg interessiert kann Jimmy ihm nur erklären, was passiert ist und weswegen wir hier sind.

Während der Arzt sich einige Notizen auf seinem Klemmbrett macht kommt Jimmy um den Wagen herum und öffnet die Beifahrertür.

„Sie haben ein Taxi bestellt?", fragt er, einen Scherz versucht, und deutet auf den Rollstuhl, den ich erst jetzt bemerke. Ich könnte meine Ohren auf Durchzug stellen, die Arme verschränken und in die andere Richtung sehen; so tun, als hätte ich ihn nicht gehört. Doch leider, so muss ich mir eingestehen, habe ich in meiner Lage keine andere Wahl, als Jimmy zu vertrauen.

„Glaube nur nicht, dass das irgendwas ändert.", zische ich leise, lasse mir dann aber von ihm aus dem Auto helfen.

„Gehen Sie beide doch schon mal in das Behandlungszimmer. Gleich wenn Sie reinkommen links. Ich habe noch einen Patienten, dann bin ich bei Ihnen. Bis dahin, wenn es irgendwie möglich ist den Fuß hochlegen und kühlen." Mit diesen Worten ist der Arzt verschwunden.

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