Kapitel 7

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- Jimmy -

Man mag es nicht glauben, aber während wir essen ist es so still, wie sonst nie im Haus. Diese Minuten versuche ich immer so gut es geht zu genießen. Sie machen das Frühstück und das Abendessen zu etwas Besonderem. Sämtliche Termine, Konzerte und Buchungen geraten in den Hintergrund, Niemand spricht darüber. Nur das Klirren des Geschirrs ist zu hören.

„Das kann doch nicht war sein!", flucht da Joey und holt mich aus meinen Gedanken.

„Was ist denn los?", will Kathy von ihm wissen. Mein Bruder deutet auf die Zeitung und sofort versammeln sich meine Geschwister um ihn. Vorbei ist die Stille. Ich atme tief und stelle meine Tasse ab.

„Das gibt's doch nicht. Wie kann es sein das solche Menschen ungestraft davonkommen?" Genervt fährt John sich übers Gesicht. Fragend sehe ich meinen älteren Bruder an. Auch Joey bemerkt meine fragenden Blicke und reicht mir die gefaltete Zeitung. Ich nehme sie ihm ab und verschlucke mich beinahe an dem letzten Bissen meines Brötchens, als ich das Gesicht erkenne, welches groß und breit neben dem Artikel abgedruckt ist. Trotz der geschwärzten Augen und der Abkürzung des Namens. Ich überfliege den Text nur, doch das wesentliche nehme ich auf. Es brennt sich regelrecht in meine Augen. Schon allein die Überschrift.

17 – Jährige FREIGESPROCHEN!

In Köln wurde der Prozess zwischen der Schülerin Sandra B. und der Kelly Family beendet. Die Beschuldigte wurde in alle Punkten freigesprochen. Vorgeworfen wurde ihr unter anderem Diebstahl, Herausgabe von Songs und anderen sensiblen Daten. Außerdem gab Sandra B. an, von mehren Kelly-Jungs angefasst geworden zu sein. Genauer wollte die Schülerin sich dazu nicht äußern.

„So eine Scheiße!" Ich zerknülle die Zeitung und werfe sie in den Müll.

„Wie kann das sein, dass die mit ihren dämlichen Lügen durchkommt. Was war denn da für ein Anfänger am Werk?" Meine Stimme wird zum Ende hin immer lauter, so wütend bin ich.

„Hey, komm mal runter. Es ist scheiße gelaufen, ja. Aber wir können daran jetzt nichts mehr ändern.", sagt John zu mir. Wie kann er nur so ruhig bleiben. Wir werden in aller Öffentlichkeit als Lügner und Perverse dargestellt und mein Bruder ist die Ruhe selbst.

„Oh doch. Ich nehme mir Sunny nochmal zur Brust. Zur Not rede ich nochmal mit einem anderen Anwalt." Ich lasse mein Frühstück stehen und stürze aus dem Esszimmer.

„Das wirst du schön bleiben lassen. Wenn man dich da draußen mit ihr sieht haben wir gleich noch mehr Fotos und den nächsten Platz auf den Titelbildern sichern. Am Ende heißt es noch, wir seien auf Rache aus.", mahnt mich Kathy, die mir gefolgt ist und mich am Treppenabsatz eingeholt hat.

„Fuck, man!" Ich schleudere zerknülle die Zeitung, die ich noch immer in der Hand habe und gehe nach oben.

Im Flur treffe ich auf Leo, die gerade mit ihrem Geschirr aus dem Zimmer kommt. Meine Geschwister waren zum Glück so schlau und sind mir nicht gefolgt, sodass ich nun keinen Anlass habe, übertrieben nett zu ihr zu sein.

„Jetzt nicht.", sage ich, als Leo ansetzt etwas zu mir zu sagen. Erschrocken weicht sie mir aus und stößt dabei gegen die Kommode. Ohne mich umzusehen, ob sie sich wehgetan hat, gehe ich in mein Zimmer und lasse die Tür mit einem lauten Knall zufallen. Mir egal, wie oft ich deswegen schon ermahnt wurde. Ich weiß einfach gerade nicht wohin mit meiner Wut. Aufgebracht gehe ich im Zimmer auf und ab und fahre mir immer wieder mit den Händen übers Gesicht. Das kann doch alles nicht war sein! So ein verdammter Mist! Mit einem Schwung fliegen sämtliche Papiere von meinem Schreibtisch, die bis eben ordentlich geordnet dort lagen. Nun liegen sie verstreut auf dem Boden wie ein Teppich. Angefangene Texte, Folgen von Akkorden, die ich probieren wollte. Doch gerade rast so viel Adrenalin durch meinen Körper, das ich es nicht wage, meine Gitarre anzufassen. Ich muss meine Wut irgendwo anders loswerden. Jetzt – sonst platze ich!

„Hey Jimmy, kommst du? Wir wollten proben." Ohne das ich es bemerkt habe ist Patricia in mein Zimmer gekommen. Sie steht mitten zwischen meinen Papieren und sieht mich fragend an.

„Was? Ja, ich komme. Gib mir noch eine Minute. Könnt ja schon mal anfangen.", antworte ich. Wortlos verschwindet meine Schwester und ich beginne meine Sachen vom Boden aufzusammeln und wieder zu sortieren. Als sämtliche Papiere wieder in sauberen Stapeln auf meinem Schreibtisch liegen und ich meine angefangenen Songs gefunden habe, mache ich mich auf den Weg zum Probenraum.

Das gemeinsame musizieren mit meinen Geschwistern lenkt mich tatsächlich von dem ganzen Drama ab. Kann aber auch daran liegen, dass ich meine ganze Wut am Schlagzeug ausgelassen habe. Warum bin ich da nicht alleine drauf gekommen? Wenn man schon die Möglichkeit und das Könne hat, warum diese dann nicht nutzen? Der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter und über die Stirn, aber das ist mir egal. Jeder Tropfen nimmt ein wenig der Wut mit aus meinem Körper.Wir spielen, probieren uns an neuen Songs und verleihen bereits vorhandenen und fertig geglaubten noch den letzten Schliff. Denn in einem Punkt sind wir uns einig: Der Song ist erst fertig, wenn Alle mit dem Endergebnis zufrieden sind. Und wenn man bei uns mal durchzählt, kann dass schon mal eine Weile dauern.

Am Nachmittag haben wir drei neue Songs und einen Haufen neuer Ideen, aber keine Energie mehr. Irgendwie ist die Luft raus. Die Luft in dem Raum ist stickig und meine Wasserflasche habe ich eben leergetrunken.

„Ich fühle mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen.", sagt Joey zu mir und lässt sich auf eines der Sofas fallen.

„Und das soll schon was heißen, wenn sogar du das sagst.", entgegne ich und sammele die letzte leere Flasche in den Kasten. Ich stelle ihn neben die Tür und setzen mich neben meinen Bruder, der schon wieder seine Gitarre in den Händen hat. Ich lehne mich zurück, schließe die Augen und lausche den leisen Tönen, die er den Saiten entlockt. Die Melodie kommt mir vertraut vor. Ist das nicht ... Ich öffne die Augen und drehe den Kopf leicht in Joey's Richtung. Tatsächlich hat er meine Notizen auf dem Schoß liegen. Muss ich während der Probe wohl auf meiner Hosentasche verloren haben.

„Und? Gibt's dazu schon 'nen Text?", will mein Bruder wissen, der meine Blicke bemerkt hat. Joey hat aufgehört zu spielen und deutet auf meine Akkordfolge.

„Bis jetzt noch nicht, aber ich bin immer offen für Vorschläge.", antworte ich.

„Aber nicht mehr heute." Joey legt seine Gitarre weg und gibt mir meine Notizen wieder. Er den Kasten mit den leeren Wasserflaschen und lässt mich alleine im Probenraum. Ich räume die letzten Sachen an ihre Plätze und öffne ein Fenster, um frische Luft hinein zu lassen. Dann folge ich meinen Geschwistern und schließe die Tür hinter mir ab. Immerhin wollen wir ja nicht erneut unserer Songs beraubt werden. Toll, und schon bin ich mit meinen Gedanken wieder bei Sunny. Sofort wünschte ich mich zurück hinters Schlagzeug.

Together we are strongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt