Kapitel 15

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- Jimmy -

Was bin ich froh, dass diese Situation so glimpflich ausgegangen ist. Von allem, was danach zwischen Leo und mir passiert ist, ganz zu schweigen. Niemals hätte ich gedacht, dass sie sich mir gegenüber so öffnen kann. Das ich das kann. Wegen der Sache mit Sunny habe ich Leo mit Absicht auf Abstand gehalten und ja, ich wollte sie nicht im Haus haben. Zumindest habe ich mir das jeden Tag eingeredet. Mein Herz war da wohl von Anfang an anderer Meinung. Und jetzt fühle ich nichts als Erleichterung; darüber, dass es Leo gut geht und das ich ihr endlich die Wahrheit sagen konnte.

Ich parke den Wagen vor unserem Haus, bleibe aber noch eine Weile sitzen. Bevor ich meinen Geschwistern unter die Augen trete muss ich mich erst ein wenig sammeln. Leo und ich haben noch nicht übe das Gesprochen, was genau das jetzt zwischen uns ist und ich will ihr die Entscheidung nicht abnehmen und gleich mit der Tür ins Haus fallen. Auch wenn die Vorstellung witzig wäre: Hey, Leo geht es gut und übrigens, wir sind jetzt zusammen. Nein, das kann ich nicht bringen. Das wäre die kürzeste Beziehung, die ich je hatte. Von Sunny mal abgesehen, aber eine richtige Beziehung war das genau genommen auch nicht. Sie hat mich und meine Brüder benutzt und ausgehorcht.

Schließlich steige ich aus, will die Haustür aufschließen, doch als ich den Schlüssel ins Schloss stecken will, kommt meine Familie mir zuvor. Abwartende Blicke treffen auf mich.

„Wie geht es Leo?" „Was ist überhaupt passiert?" „Man, Jimmy. Was hast du denn jetzt wieder angestellt?" All diese Fragen prallen auf einmal auf mich ein, all meine Geschwister reden gleichzeitig auf mich ein. Ich schalte auf Durchzug, während ich meine Schuhe ausziehe und meine Jacke in die Garderobe hänge.

„Ist mal gut jetzt?", unterbreche ich schließlich meine Geschwister, die schon untereinander angefangen haben zu spekulieren, was passiert ist. Bei meinen Worten verstummen sie alle und erst jetzt fällt mir auf, dass John noch nicht wieder da ist. Wahrscheinlich ist er noch bei seinem Termin und konnte die Anderen noch nicht auf den neusten Stand der Dinge bringen.

„Es gab ein kleines Missverständnis. Leo wollte weg und da ist sie die Treppe herunter gefallen, aber keine Sorge. Es geht ihr soweit gut. Die Ärzte wollen sie nur zur Beobachtung eine Nacht dabehalten.", erkläre ich.

„Was denn für Missverständnisse?", will Kathy wissen. Alleine die Erinnerungen an das Gespräch mit meinem Bruder und Leo's Blick, als sie sich uns gezeigt hat und ich begriffen habe, dass sie Alles mitgehört haben muss, jagt mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper.

„Nicht weiter wichtig.", sage ich nur und erklimme eben diese Treppe, auf der das ganze Drama seinen Anfang fand. Die Rufe meiner älteren Schwester ignorierend gehe ich direkt in Leo's Zimmer. Wie sie schon sagte steht ihr Rucksack neben ihrem Bett. Das alles darin ist, was sie braucht, zweifele ich nicht an, da all ihre Sachen Gepackt sind. Ein Blick in das Badezimmer verrät mir, dass sie wirklich Alles eingepackt hat. Die Bettdecke ist ordentlich zurückgeschlagen und das Kissen aufgeschüttelt. Die Klamotten, die Leo sich von uns geliehen hat, liegen ordentlich gefaltet auf dem Stuhl. Das Zimmer sieht aus, als hätte schon ewig Keiner mehr hier gewohnt. Wie ein lange leer stehendes Hotelzimmer. Nur nicht ganz so groß.

Im Schatten nehme ich war, wie Jemand in den Raum kommt. Als sich Barby's kleine Hand in meine schiebt sehe ich zu ihr und entdecke in ihrem Gesicht die gleichen Emotionen, die in mir wüten. Unwissen, Angst und Verzweiflung.

„Was hat das zu bedeuten?", fragt meine kleine Schwester, mehr sich selbst als mich. Dennoch schüttele ich nur den Kopf und zucke mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung.", gestehe ich, obwohl ich da so einen Schimmer habe. Leo wollte weg, ehe sie John und mich hat reden hören. Sie hat sich verletzt gefühlt, als ich sie beim Abwasch so vor den Kopf gestoßen habe. Und erst jetzt weiß ich, dass sie nicht nur an die frische Luft wollte, sondern weg. Wirklich weg von hier.

„Meinst du, Leo kommt wieder? Ich hatte eigentlich das Gefühl, ein bisschen zu ihr durchgedrungen zu sein. Ich meine, sie hat mit uns gegessen, war mit bei den Proben ... sie sah wieder ein bisschen glücklich aus und hat gelacht." Ich weiß, dass meine Schwester sich alle Mühe mit Leo gemacht hat. Sie überredet hat sich mehr in unseren Alltag einzubringen. Und ich hätte ihr beinahe alles verdorben.

„Klar, ich bringe ihr jetzt ihre Sachen und morgen kann Leo sicher wieder nach Hause. Mach dir keine Gedanken.", antworte ich, um Barby die Sorge zu nehmen, Leo verloren zu haben.

„Okay.", sagt sie nur und verschwindet durch das Badezimmer in ihr Eigenes.

Ich schnappe mir Leo's Rucksack und mache mich schon auf weitere Fragen gefasst, doch als ich wieder nach unten komme haben sich meine Geschwister wieder im Haus verteilt. Gerade als ich das Haus wieder verlassen will, kommt John von seinem Termin zurück. Beinahe wären wir in der Tür zusammengestoßen.

„Hey, du bist ja wieder zu Hause. Du solltest mich doch anrufen, wenn ihr mit einem Arzt gesprochen habt.", tadelt mein älterer Bruder sofort , sieht mich aber abwartend an.

„Ja, sorry. Hab ich vergessen. Ist wohl eine leichte Gehirnerschütterung und im Sprunggelenk sind ein paar Bänder überdehnt. Sie wollen sie eine Nacht zur Kontrolle dabehalten.", fasse ich das zusammen, was Leo mir erzählt hat, da ich ja bei der Untersuchung selbst nicht dabei war.

„Glück im Unglück, was?" Auch John atmet erleichtert aus.

„Ja, sieht wohl so aus.", bestätige ich.

Gerade, als ich Leo's Rucksack auf den Beifahrersitz gestellt habe und den Motor anlassen will, geht die Beifahrertür wieder auf.

„Kann ich mitkommen?" Barby steht neben dem Wagen und sieht mich fragend an. Ich denke an all die Zeit, die ich gern alleine mit Leo hätte, aber meiner kleinen Schwester kann ich keinen Wunsch abschlagen. Die Zeit hätte ich haben können, wäre ich nicht so ein Arsch gegenüber Leo gewesen.

„Worauf wartest du noch?" Ich hieve den Rucksack auf den Rücksitz und deute auf den freien Platz neben mir. Freudestrahlend springt Barby in den Wagen und schnallt sich an.

Als wir in Leo's Zimmer ankommen, schläft sie. Der Tag hat an ihren Kräften gezehrt und die Schmerzmittel, die die hier in sie herein pumpen, tun wahrscheinlich den Rest. Ich lege den Rucksack auf das leere Bett und ziehe mir leise einen Stuhl neben das Bett. Kaum berührt mein Hintern den bequemen Stoff, hat es sich Barby auf meinem Schoß bequem gemacht. Ich lege einen Arm um sie und nehme mit meiner freien Hand, die von Leo. Unter Barby's skeptischen Blicken verwebe ich unsere Finger und hauche dann einen sanften Kuss auf Leo's Handrücken.

„Hab ich irgendwas verpasst?", fragt Barby und schaut mich erstaunt an. Klar, sie weiß, genau wie der Rest meiner Familie nicht's von Leo's und meiner neuen Verbindung.

„Ich glaube, wir müssen erstmal selbst kapieren, was das zwischen uns ist.", sage ich und lächele Barby an.

„Aber ich weiß, dass ich es will. Mehr als alles andere."

„Keine Sorge. Von mir erfährt Niemand was." Barby drückt mir einen Kuss auf die Wange und rutscht dann von meinem Schoß.

„Ich warte im Auto auf dich.", sagt sie, anscheinend wissend, dass ich gerne noch etwas Zeit alleine mit Leo hätte, meine Schwester aber auf keinen Fall wegschicken will.

„Ich komme auch gleich.", sage ich und gebe ihr die Autoschlüssel. Barby nickt und verschwindet dann leise aus dem Zimmer.

„Schlaf dich aus. Ich komm dich morgen hier raus holen.", sage ich, nachdem ich noch eine Weile bei Leo gesessen habe. Es ist schon spät und Leo schläft weiterhin tief und fest.

„Ich glaube, ich liebe dich."

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