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Mit Paul hatte ich seit unserer Auseinandersetzung kein Wort mehr gesprochen. Ich war ihm förmlich aus dem Weg gegangen. Wann immer er einen Raum betrat, in dem ich mich befand, hatte ich diesen verlassen. Da ich nicht arbeiten ging, ließ ich mich morgens nicht in der Küche blicken und verließ mein Zimmer erst, wenn ich hörte, dass Paul die Wohnungstüre hinter sich ins Schloss fallen ließ. Ich war immer noch wütend und enttäuscht von ihm. Es war das erste Mal in unserer langjährigen Freundschaft, dass wir uns derart gestritten hatten, denn die Diskussionen über meine Freizeitgestaltung waren nichts gegen das gewesen, was sich an dem Tag zuvor zwischen uns abgespielt hatte. Meistens war ich es, die reumütig zu ihm kroch und sich entschuldigte, doch dieses Mal würde er lange darauf warten. Das hatte ich mir fest vorgenommen.
Ich verbrachte den Tag damit, mich um meine Wäsche zu kümmern. Die frisch gewaschene Wäsche trocknete ich auf dem Wäscheständer, der auf unserem Balkon stand. In der Sonne ging das recht schnell und ich verstaute die T-Shirts und Kleider, die ich mitnehmen wollte, direkt in meinem Koffer. Im Anschluss wusch ich mich und zog mich an, um ein paar Erledigungen zu machen. Ich musste mir ein paar Hygieneartikel für die Reise besorgen. Außerdem hatte ich beschlossen, mir eine kleine Reiseapotheke zuzulegen, sicher war sicher. Ich nahm wieder mein Fahrrad und fuhr in eine Drogerie, um Shampoo, Conditioner und neues Make-up zu besorgen. Dieser Teil meines Einkaufes war schnell abgeschlossen und auch den Besuch in der Apotheke hatte ich schnell hinter mich gebracht. Da ich so gut, wie alles für den Tag erledigt hatte, beschloss ich mir einen Kaffee in unserem Stammcafé zu gönnen. Es war merkwürdig dort alleine zu sitzen und nicht mit Paul, doch der Gedanke an Paul ließ die Wut wieder in mir aufsteigen.
Die Kellnerin kam, um meine Bestellung aufzunehmen, und wie immer orderte ich meinen Latte macchiato, der mir nach wenigen Minuten gebracht wurde. Ich ließ meinen Blick zum Wasser schweifen. Die Sonne spiegelte sich glitzernd in den sanften Wellen, die am Ufer schaumig ausliefen. Ich lehnte mich entspannt zurück. Die Auseinandersetzung mit Paul beschäftigte mich weiterhin, aber es gab kein Weg zurück. Die Reise war gebucht und in drei Tagen würde ich morgens am Bahnsteig stehen und auf die Bahn warten die mich nach Paris bringen würde. Nur meinen Eltern und Nana musste ich davon erzählen. Genau das tat ich an diesem Abend. Meine Mutter hatte meist gegen halb fünf Feierabend und war dann um fünf zuhause. Ich saß auf den Stufen vor der Haustüre und wartete, als sie in ihrem kleinen Fiat 500 angefahren kam.
»Lou, waren wir verabredet?«, wollte sie wissen, weil sie wohl dachte, sie hätte es vergessen. Ich schüttelte den Kopf und erhob mich,

»Nein, sind wir nicht aber ich muss mit Papa und dir reden«, sagte ich und meine Mutter legte fragend ihre Stirn in Falten.
»Okay, komm erst mal rein«, sagte sie und schloss die Haustüre auf. Gus kam bellend auf uns zu gelaufen und umrundete mich mehrmals freudig fiepend, bis er mich endlich weiter gehen ließ und er vorauslief.
Aus seinem Körbchen holte er seinen Ball, der mit jedem Biss fröhlich quietschte und Gus zum Spielen animierte. Meine Mutter lief noch einmal zum Auto und holte den Einkauf aus dem Kofferraum und kam wieder ins Haus.
Ich schob die Terrassentüre auf und Gus lief in den Garten.
»Wann kommt Papa?«, erkundigte ich mich und warf einen Blick über meine Schulter zu meiner Mutter, die die Papiertüten ausräumte und die gekauften Waren in den Schränken verstaute.
»Er wird auch gleich kommen, er wollte heute früher Feierabend machen«, gab sie zurück und ich nickte zufrieden.
Bis mein Vater kam, spielte ich mit Gus, der wie ein Wilder dem Ball hinterherrannte, den ich immer wieder warf. Wenn meine Eltern den ganzen Tag arbeiteten, schien er sich fürchterlich zu langweilen und holte dann alles an Bewegung nach.

Mein Vater ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten. Gegen kurz vor halb sechs hörte ich seinen Wagen vor fahren und ging auf die Terrasse zurück. Er nahm meist den Weg durch die Garage, die einen Zugang zu unserem Garten hatte und so stand er wenig später vor mir.
»Oh hi, hab gar nicht damit gerechnet, dass du heute kommst«, begrüßte er mich mit einem Kuss auf die Wange und einer kurzen Umarmung.
»Ich bin hier, weil ich mit Mama und dir reden muss«, erklärte ich und mein Vater stellte seine Aktentasche ab.
»Okay, dann schieß mal los«, forderte er mich auf und meine Mutter brachte die Getränke auf die Terrasse und wir setzten uns an den Tisch. Ich nahm einen Schluck von der Zitronenlimonade und sah beide abwechselnd an.
„Ich werde in drei Tagen um 10 Uhr nach Paris reisen", sprach ich das Thema direkt an und mein Blick wechselte zwischen den beiden hin und her.
»Wie. Was. Alleine? Hast du denn schon Urlaub?«, wollte meine Mutter sofort wissen und ihr prüfender Blick entging mir nicht eine Sekunde. Sie schien irritiert zu sein, über meine spontane Abreise.
»Ja, ich habe schon Urlaub ich konnte den Urlaub aus dem Herbst vorziehen und naja, ich werde wohl eine Weile unterwegs sein.«

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