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Ich konnte mich an dieser Aussicht nicht sattsehen. In der Ferne ragte der Eiffelturm, wie ein dunkler Schatten umrahmt von Häusern und Bäumen, in den Himmel. Das Abendrot tauchte den Himmel in ein Farbenmeer aus Rot und Gelbtönen, die miteinander verschwammen und den Himmel aussehen ließen, als würde er in Flammen stehen. Ein paar Wolken waren aufgezogen, deren nebeliger Schleier von dem hellen Licht der Sonne strahlend hell erleuchtet wurden. Es sah wunderschön aus und auch, als Leonard an meine Seite trat, wendete ich den Blick nicht ab. Mein Atem stockte und ich spürte, wie sich meine Lungen nach frischer Luft sehnten, und so sog ich die Luft, die ich angehalten hatte wieder hörbar ein.
»Wunderschön oder?«
»Ich habe bisher in meinem Leben nichts schöneres gesehen«, sprach ich leise und andächtig, dann erst wendete ich meinen Blick zu Leo. Wieder zeigte er dieses charmante Lächeln. Diese Grübchen erschienen auf seiner Wange und ich konnte nicht anders als das Lächeln zu erwidern.

»Was möchtest du noch machen? Der Abend ist noch jung«, fragte er und musterte mich. Mein Magen knurrte, kaum das er mir diese Frage gestellt hatte, vor Hunger auf.
»Also hier in der Nähe gibt es ein wirklich hervorragendes Restaurant, wenn du Lust hast gehen wir hin«, schlug er vor, als er das laute Knurren vernahm, und ich war sichtlich erstaunt darüber.
»Du würdest mich begleiten?«
»Wenn du möchtest, ich bin schon ein paar Tage in Paris und vielleicht kann ich dir das ein oder andere zeigen«, auf einmal fühlte ich mich weniger alleine in dieser fremden Stadt.

»Ja klar, gerne«, stimmte ich ohne lange zu überlegen zu und war jetzt schon verzaubert von Leonard und seinem umwerfenden Lächeln, dass selbst die Sonne am Himmel verblassen ließ. Ich beschloss, ihm zu vertrauen, vor allem als er wie versprochen seinen Personalausweis vorlegte. Alle Angaben, die er mir genannt hatte, stimmten mit dem überein, was ich auf seinem Ausweis lesen konnte.
»Mach ruhig ein Foto, schick es deinen Eltern oder deiner besten Freundin, wenn du möchtest. Dann wissen sie mit wem du hier in Paris unterwegs bis,« forderte er mich entspannt auf und Himmel, dieses Lächeln, was abermals folgte, brachte mich völlig aus dem Konzept. Ich sah ihn eine Weile nur an und schüttelte mich kaum merklich, setzte mich in Bewegung, um mein Smartphone aus der Tasche zu ziehen, und fotografierte den Personalausweis ab. Doch wem sollte ich es schicken? Wenn ich es meiner Mutter schicken würde, dann würde ich mich den Rest des Abends mit ihren Fragen konfrontiert sehen und vor allem mit Moralpredigten. Sie würde mir erzählen, dass es eine denkbar schlechte Idee war einem wildfremden Kerl, der mir gerade über den Weg lief, zu vertrauen. Paul wäre hier wahrscheinlich die bessere Wahl und so öffnete ich den Chat, fügte das Foto ein und sendete es ihm.

Sieht nett aus, wer ist das, was soll mir das sagen? Folgte schon die Antwort, kaum, dass ich die Nachricht abgeschickt hatte.

Lange Geschichte, aber das ist Leonard und er hat mir gerade ziemlich aus der Klemme geholfen. Melde mich morgen bei dir, okay? Ich habe einen Bärenhunger und ich gehe jetzt mit ihm etwas essen. Ich verfasste die Antwort und drückte auf Senden.


Na da bin ich ja auf die Erklärung gespannt, lasst es euch schmecken. Paul schien das Ganze recht entspannt hinzunehmen und so versuchte ich mich ebenfalls zu entspannen und vor allem dankbar zu sein. Alleine, mitten in Paris auf einer Parkbank zu nächtigen, war die weitaus schlechtere Option, als einem wildfremden mit einem sagenhaft einnehmenden Lächeln zu vertrauen.
»Ich denke ich gehe mich kurz frisch machen, die Reise heute hatte es in sich«, erklärte ich meinen Plan und trat an meinem Koffer heran.
»Das Badezimmer ist da hinten«, er deutete auf eine Tür, die an das Wohnzimmer angrenzte und verschwand erst einmal selbst im Schlafzimmer. Ich zog meinen Waschbeutel aus dem Koffer, nahm eine kurzärmlige Bluse heraus und verschwand im Bad, um mich frisch zu machen. Ich staunte über die Ordnung, die in dem Bad herrschte, denn mit Paul erlebte ich schon andere Dinge. Die Zahnbürste von Leonard stand auf einer Ladestation am Rand des Waschbeckens, daneben ein gereinigter Rasierer. Bei Paul hätte man hier zahlreiche Bartstoppeln gefunden, doch Leo schien da anders zu sein. Ein Stück Seife, die offensichtlich vom Hotel stammte, lag auf der anderen Seite des Waschbeckens. Die benutzten Handtücher konnte ich eindeutig von den ungenutzten unterscheiden und so nahm ich mir eines der frischen Handtücher und begann mich zu waschen. Mein Make-up bekam eine kleine Auffrischung und ich sah wieder annehmbarer und weniger erschöpft aus. Manchmal staunte ich darüber, was Make-up so alles bewirken konnte. Ein prüfender Blick in den Spiegel, dann legte ich das Handtuch über die Heizung und verließ samt Waschbeutel das Badezimmer. Leonard war wieder im Wohnzimmer und schien sich umgezogen zu haben. Er trug eine lange Hose und ein kurzärmliges hellblaues Hemd, das ihm ausgesprochen gut stand.

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