Die Geräusche des verschlossenen Tropenhauses gingen mir mittlerweile seit einer halben Stunde auf die Nerven. Erst hatte ich sie noch spannend und passend zum Flair des Zoos gefunden. Aber mittlerweile wäre ich am liebsten mit einem Baseballschläger durch den Zoo gezogen, um die Lautsprecher in ihre Einzelteile zu zerlegen. Einfach nur, damit endlich Ruhe war. Normal war ich nicht so leicht reizbar. Oder auch nur dann, wenn ich keine Drogen mehr hatte. Aber nachdem die zur Abwechslung mal nicht mein Problem waren, konnte meine Reizbarkeit nur an der Situation liegen. Ich hatte zwar vorher schon einige Straftaten begangen, aber in meinen Augen keine mit allzu großem Ausmaß. Aber eingebrochen war ich noch nie und wenn, dann hätte ich nie damit gerechnet, dass mein erster Bruch ein Zoo wäre. Aber hier stand ich, mit Coen Seite an Seite vor dem Meeresbecken der Orkas des Metropolenzoos und atmete die salzige Luft ein. Wir hatten uns lange den Kopf zerbrochen, wie wir den jungen Mann mit den dunkelblauen Haaren finden konnten. Aber weder fand Coen was über seine Kontakte raus, noch tat Bruce das von Deutschland aus. Das überraschte mich angesichts der Tatsache, dass niemand aus der normalen Bevölkerung mit einer derartigen Armprothese herumlaufen konnte. Und diese jetzt auch nicht zwingend unauffällig war. Und nachdem wir sonst keine Anhaltspunkte gehabt hatten, hatten wir uns an dem starken Meergeruch aufgehangen, den der junge Mann mit ins Hotelzimmer gebracht hatte. Nachdem das Meer dann doch ein Stück entfernt war und in der Nähe sonst nur der Zoo lag, hatten wir uns um kurz nach Mitternacht einen Weg hineingesucht und waren kurzerhand über den Zaun geklettert, der zum Bereich der Angestellten führte.
Als Kind war ich zuletzt im Zoo gewesen, also widmete ich mich zur Ablenkung von den Geräuschen einfach dem gewaltigen Meeresbecken, dass sich unter meinen Füßen erstreckte. Man konnte einige Meter über dem Wasser auf einer Glasplattform laufen und manchmal, wenn der Mond durch die Wolken brach, konnte man die weißen Flecken der Orkas blitzen sehen, die unter meinen Füßen lautlos durch das Wasser sausten und mich immer wieder beäugten. „Meinst du wirklich, dass das hier was bringt?", Coen trat zu mir an die Brüstung und starrte hinunter ins dunkle Wasser. Den Grund konnte man dank der fortgeschrittenen Dunkelheit nur erahnen und allein der Gedanke, dort unten zu sein ließ mich bibbern. „Groß eine Alternative haben wir nicht, oder? Er war getränkt mit Meerwasser und hier in der Nähe ist nirgendswo anders Meerwasser. Zudem war er noch nass. Also konnte der Weg auch nicht lang gewesen sein, den er vom Wasser zurückgelegt hat. Und schau, man kann unser Hotel von hier sehen." Ich ging einige Schritte, runter von der Plattform und deutete gen Süden, wo man zwischen den vielen Häusern auch unser Hotel ausmachen konnte. „Er muss von hier gekommen sein." Coen nickte bloß und ließ seinen Blick über das Wasser wandern. „Stellt sich mir nur die Frage, was er verdammt nochmal im Wasser gemacht hat. Es geht doch niemand freiwillig mit Orkas schwimmen. Ich mag nicht studiert haben, aber selbst ich weiß, dass die Viecher verdammt schlau sind. Und Spitzenpredatoren noch dazu." Seine Stimme bekam einen respektvollen Unterton, während ich weiterhin Ausschau hielt. Womöglich war das hier doch dämlich gewesen.
„Hey, Süße." Als ich mich zu Coen umdrehte, starrte er wie gebannt durch die Glasplattform unter sich und winkte mich hektisch heran. Vorsichtig gesellte ich mich zu ihm auf die Plattform und als ich durch das Glas sah, rutschte mir das Herz in die Hose. Die vielen Orkas, es waren sechs an der Zahl, hatten allesamt ihre Köpfe unter uns aus dem Wasser gestreckt und sahen uns an. Immer wieder gaben sie Klicklaute und eine Art Knurren von sich, ohne uns aus den Augen zu lassen. Und dann sah ich es. Oder besser, sie. Die roten Augen, die uns aus der Mitte der Orkas ansahen. Langsam kamen sie näher und als der dazugehörige Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, blickte ich in das Gesicht des jungen Mannes. Seine roten Augen ließen mich nicht los, während er einem der Orkas sanft über die Nase strich. Das Tier gurrte und verschwand dann zusammen mit seinen Kameraden wieder in den Tiefen des Beckens. Der Fremde unter uns schwamm lautlos ans Ufer und verschwand dort durch die Mitarbeitertüre. Die Stille, die daraufhin folgte, war ohrenbetäubend und sowohl ich als auch Coen hielten den Atem an. Selbst der Würfel, der bis jetzt besorgt gesummt hatte, war wieder verstummt. Satorus Augen hefteten sich an die Türe in der kleinen Mauer, aus der der Fremde schließlich kam. Wasser tropfte aus seinen Haaren, lief über seine nackte Brust und tropfte auf den Pflasterstein unter ihm. Ich war überrascht. Das Wasser schien seiner Prothese nicht zu schaden, ich hörte sie nach wie vor leise arbeiten und summen.
„Ich hatte euch gesagt, dass ihr mit dem Portal nichts anfangen könnt," seine Stimme war glockenklar und doch tief und wenn ich sie einem Wesen hätte zuordnen müssen, dann einem Engel. „Und jetzt steht ihr hier und bettelt um Hilfe." Coen ballte die Hände zu Fäusten und trat einen Schritt nach vorn, seine gelben Augen flackerten wütend. „Hier bettelt niemand, mein Freund." Der Fremde hob eine Augenbraue und betrachtete dann gelangweilt seine Fingernägel. „Das solltet ihr aber." „Es tut uns, mir, leid." Mit dem Würfel in der Hand ging ich einige Schritte nach vorn, trotzdem noch drauf bedacht, genug Abstand zu halten. „Wir dachten, dass andere den Würfel öffnen und Satoru befreien können. Aber ... aber sie wollten nicht." Der Fremde schwieg, seine roten Augen wanderten langsam über mein Gesicht, als ich fortfuhr. „Wenn du den Würfel, das Portal oder was auch immer das jetzt ist, öffnen kannst dann bitte, bitte tu es. Niemand verdient es, darin eingesperrt zu sein." Erneut zog der Blauhaarige eine Augenbraue in die Höhe und verschränkte die Arme vor der Brust. „Bitte." Mir war klar, dass ich in Coens Augen gerade den Höhepunkt der Erbärmlichkeit erreicht hatte. Aber wir hatten keine andere Möglichkeit, Satoru aus dem Würfel zu holen. „Ich ... ich beknie dich auch, wenn du willst ..." „Nicht nötig." Coen hatte mein Handgelenk gepackt, das Grinsen auf seinem Gesicht war rasiermesserscharf. „Er wird uns helfen. Oder meinst du, er ist in das Hotelzimmer gekommen, weil ihm der Würfel so egal ist? Sicher nicht. Er will das Ding. Nicht wahr?" Die letzte Frage war an unsren Orkaflüsterer gerichtet, der jetzt an uns vorbei und auf die Plattform zulief. Das Mondlicht offenbarte eine großflächige Tätowierung auf seinem breiten Rücken und als ich genauer hinsah, erkannte ich darin einen Kraken. Feine, dünne Linien malten das Tier auf den Rücken des Fremden, dessen Fangarme sich über seine Schulter, seine Hüften und seinen unversehrten Arm ergossen und knapp vor seiner Hand endeten. Die Fangarme schienen auch über den anderen Arm verlaufen zu sein, aber dort, wo die Haut in die Prothese überging, gab es einen groben Abbruch der Tätowierung. „Wollt ihr jetzt, dass ich euch helfe? Oder wollt ihr hier weiter dumm rumstehen?", die Stimme des Fremden riss mich aus meiner Starre und ließ mich ihm schnell folgen. Kurz hatte ich gedacht, Coen würde zurückbleiben. Aber da hörte ich den Kopfgeldjäger auch schon genervt seufzend über das Glas der Plattform laufen. „Darf ich wissen, wie du heißt?", fragte ich, als ich aufgeschlossen hatte. Aber ich wurde ignoriert. „Ich bin Nisha." Jetzt blieb der Fremde stehen und hob seinen unversehrten Arm. Die Plattform, auf der wir wieder standen, wurde kurz darauf mit dem Meerwasser aus dem Becken unter uns benetzt. Wie zähflüssiger Schleim war es die Balken heraufgekrochen, sammelte sich in der Mitte und bauschte sich dann zu einem kreisrunden, mannshohen Kreis auf. „Da geht's lang."
Ohne eine Antwort abzuwarten, packte er mich am Kragen und schubste mich durch das Wasser hindurch. Doch statt auf der anderen Seite wieder heraus und auf die Plattform zu stolpern, fiel ich in die Tiefe und kurz darauf in derart stinkendes Wasser, dass mir übel wurde. Würgend hustete ich das Abwasser aus dem Mund und gab alles, mich nicht zu übergeben. Immerhin saß ich hier schon in stinkendem Abwasser. Da musste es nicht auch zusätzlich noch Kotze sein. Hinter mir machte es platsch und schon hörte ich Coen lautstark fluchen. Doch seine Schimpftirade hielt nicht lange an, als ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde und sein Gesicht wieder im Abwasser landete. Der Fremde war über uns durch den noch geöffneten Wasserkreis gekommen und landete elegant auf Coens Rücken. Von dem aus stieg er dann auf die kleine Mauer, die sich durch die Kanalisation zog und lief, im Gegensatz zu uns frei von Abwasser und Scheiße, die Kanalisation entlang.
Der Würfel summte aufgebracht, als ich ihn aus der Plörre und einige Blatt benutztes Klopapier von ihm herunterzog. „Tut mir so leid, Satoru. Das ist wohl der einzige Moment, in dem es praktisch ist, da drin zu sein," meinte ich und betrachtete die braunen Schmierereien auf meiner Haut. Eine Dusche würde nicht reichen, um mich wieder sauber fühlen zu lassen, so viel war sicher. Coen hatte sich würgend auf die Füße gekämpft und betrachtete missmutig seine verschmutzten Klamotten, bevor er mir auf die kleine Mauer folgte. Der Fremde hatte doch tatsächlich auf uns gewartet und wagte es, das Gesicht zu verziehen, als wir uns ihm samt dem Gestank näherten. „Seit dankbar, dass es keine Walscheiße ist. Der Geruch klebt tagelang an einem," sagte er lapidar und drehte sich dann wieder um.
„Ich bin Nautilus."
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Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Nichts ist schwerer zu gewinnen als das Spiel des Lebens, nichts leichter zu verlieren. Wer ein schlechtes Blatt hat, wird gezwungen, aufzugeben. Gibst du auf? Oder bluffst du und setzt alles? Ein überraschender Fund mitten in einer sternenlose...