Nautilus hatte angeboten, ihn hinunter in seinen Tank zu begleiten, um nach Tiden zu sehen. Anfangs hatte ich mich noch gewundert, warum sie seine Ebene hier alle als Keller bezeichneten. Keller lagen für mich normal immer unterirdisch. Aber hier war seine Ebene schlichtweg die unterste der Forschungsstation. Unter unseren Füßen ging es also mehrere hundert Meter in die Tiefe, bevor man auf das Wasser aufschlug. Bei der Höhe würde dich ein Sprung sofort töten und allein der Gedanke bescherte mir Gänsehaut. Allerdings bei weitem keine so Schlimme wie der Anblick, der sich in der Wand zu meiner Linken bot, als wir den Tank betraten. Letztendlich befand sich in diesem Raum neben einiger einzelner Tanks nichts außer einem gewaltigen Becken voller Meerwasser, an dessen Grund ich mehrere elegant gestaltete Maschinen erspähen konnte, die ich noch nie gesehen hatte. Ein stetes Summen füllte den Raum, eine Spannung, die mein Herz schneller schlagen ließ. Ich hatte das Gefühl, meine Welt verlassen zu haben. Die Wände waren aus dunklem Stahl gefertigt und das Licht hier drinnen nur schummrig. Aber wer brauchte schon Licht, wenn man im Dunkeln sehen konnte? Und dennoch blieb der Horror mir nicht verborgen. In die Wand, in einer großen Vitrine, lag quer der größte Zahn, den ich je gesehen hatte. Der Zahn selbst war sicher an die 20 Meter lang und dementsprechend dick. Die Innenseite des weißen Knochens war übersäht mit allerlei Haken und Spalten, die es dem Tier wohl leicht gemacht hatten, das Fleisch aus dem Körper seiner Beute zu reißen. Wie groß auch immer das Beutetier hatte sein müssen, um den Besitzer dieses Zahnes sättigen zu können.
Nautilus war stehengeblieben, mit den Händen in den Hosentaschen hielt er mit dem Rücken zu uns inne und gab uns einige Sekunden, den Zahn zu betrachten. Coens Schuhe rutschten unruhig über den Boden und Satoru schien wie mir der Atem im Halse stecken zu bleiben. Velvet und Thorne dagegen, ebenso wie Sikras, waren weitaus weniger eingeschüchtert von dem Giganten, der unter uns weilte. „Als ich noch ein kleiner Fisch war, hat mein Großvater mir erzählt, dass die Felsenbrecher früher einen anderen Namen hatten. Ayde'nu. Die Weltenfresser." „Die Forscher, die vorher hier auf der Station waren, haben den Zahn in den Tiefen eines Grabens gefunden," Velvet war an die Vitrine herangetreten und legte eine Hand auf die Scheibe. „Ich war dabei, war Teil des Teams, das hier gearbeitet hat. Ich weiß noch, wie wild mein Herz in meiner Brust geschlagen hat, als wir den Zahn geborgen und aus der Tiefe gezogen haben. Aber ich habe schnell gemerkt, dass niemand wusste, was das für ein Tier gewesen war. Das es niemand wissen konnte!" Ihre Hand rutschte leise die Scheibe herunter und hing schließlich schlaff an Velvet herab. „Und dass es einen weltweiten Skandal auslösen würde, würde diese Information an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn nicht gar eine Massenpanik. Ein Tier solchen Formates ... für ein solches Wesen wäre das Ende des Meeres kein Grund, nicht weiterzugehen. Ich habe darauf bestanden, den Zahn zurückzubringen und es unter den Teppich zu kehren. Aber meine Kollegen haben das ganz große Geld gerochen. Ich habe noch am selben Tag gekündigt, wollte damit nichts mehr zu tun haben und bin erst wieder hierher zurück, nachdem Sikras mich gefunden und um meine Hilfe gebeten hatte, kurz, nachdem er die Station gekauft hatte." Sie seufzte und strich sich ihren dicken grünen Zopf über die Schulter.
„Wie?"
Satorus Frage, das war allen sofort bewusst, war an Sikras gerichtet. Dessen weiße Augen schnellten von der Vitrine zu dem Ex-Jujuzisten, der nach wie vor still und unbekümmert den Zahn betrachtete. „Eine Station voll mit geldgeilen Wissenschaftlern nach einem bahnbrechenden Fund. Wie ist es dir gelungen, dass niemand etwas erzählt hat?" mein Bauchgefühl verriet mir, dass das eine rhetorische Frage gewesen war, dass Satoru die Antwort schon längst erkannt hatte. Das schien auch Sikras bewusst zu sein. Aber er beantwortete sie trotzdem, ein Lächeln in den geschwungenen Mundwinkeln.
„Das Meer ist wie ein schwarzes Loch. Was man hineinwirft, kehrt nie mehr zurück."
Das hatte Sikras also gemeint, als er damals zu mir und Coen sagte, sie würden hier die Welt retten. Er hatte alle Mitwisser der Felsenbrecher aus dem Weg geschafft und eine Gruppe zusammengestellt, die sich dem Problem annehmen sollte, um eine Lösung zu finden. Und mit Nautilus hatten sie alle einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht. „Schau mich nicht so entsetzt an, Nisha." Sikras' Lächeln war warm, seine Augen ebenfalls. „Der Zweck heiligt die Mittel und manchmal müssen Bauern fallen, damit der König vorwärtskommen kann. Wären diese Informationen an die Öffentlichkeit geraten, hätte es früher oder später nichts gegeben als Probleme. Probleme, gegen die wir Menschen mit unserem jetzigen Wissensstand nicht ankommen könnten." Eine entsprechende Geste auf den Zahn folgte. „Wir sind noch lange nicht so weit, uns ihnen zu stellen. Aber wenn die Menschheit in etwas unübertroffen ist, dann in Torheit. Wir waren, sind immer noch, die Katze im Katz-und-Maus-Spiel. Aber früher oder später wird sich auch das ändern." Sein Blick wurde scharf. „Und wenn es so weit ist, will man bereit sein."
Nautilus räusperte sich und hob jetzt ebenfalls den Blick. „Das gemeine Volk aus Atlantis weiß nicht viel über die Tiere und mittlerweile sind sie mehr Legende als Realität. Ich habe selbst nie daran geglaubt. Für mich waren es nur Horrorgeschichten, die mir die Ammen erzählt haben, damit ich nicht allein durch die Ozeane streife und innerhalb des Schildes blieb. Sie haben mir erzählt, dass die Felsenbrecher aus dem Kern der Erde kamen. Und dass sie nur durch die Ängste der Menschen und Atlanter solche Ausmaße haben annehmen können." Er trat einen Schritt näher an die Vitrine heran. „Shibuya, euer Fluchkönig Sukuna," er schüttelte den Kopf. „Alles unwichtig im Angesicht der Felsenbrecher. Sie sind die ultimativen Flüche, die wir mit unseren Ängsten in den Schatten der Ozeane herangezüchtet haben. Selbst der Fluchkönig würde einräumen müssen, gegen seine Vorfahren keine Chance zu haben. Aus was immer Sukuna entstanden sein mag, es ist nichts im Vergleich zu dem, was die Ayde'nu geschaffen hat." Coen strich sich durch das rote Haar und setzte ein spitzbübisches Grinsen auf. „Aber sie sind ja eingesperrt, nicht wahr? In den Portalen. Vorausgesetzt, diese Legende stimmt, von der du erzählt hast. Warum macht man sich dann so Sorgen um eine Eventualität, die womöglich nie eintreten wird?" „Alle Eventualitäten mit einzuplanen ist das, was es Kenjaku überhaupt erst möglich gemacht hat, Shibuya ins Rollen zu bringen. Nur, wenn man an alles gedacht hat, kann man alles kontrollieren," beantwortete Satoru Coens Frage und sah ihn an. „Einen Plan für den Plan zu haben ist das, was einen Menschen gefährlich macht. Kalkül und Unberechenbarkeit sind der Schlüssel zur Macht. Und wenn die Tiere wirklich in die Portale eingesperrt wurden, dann ist der Schlüssel zu ihrer Befreiung exakt jener, der auch mich befreit hat. Und der ist nicht weit weg von hier."
„König Redeus weiß, wo der Schlüssel ist, und er weiß, wie er funktioniert. Alles, was ihm noch fehlt, sind die Portale." Die Tanks, die lose im Raum verteilt waren, schienen mit dem großen Becken verbunden zu sein, in dem Nautilus Tiden abgelegt hatte. Violett strahlende Augen blickten uns aus dem Tank hinter dem Kronprinzen an. Die goldenen Schuppen an Tidens Armen funkelten im gedämmten Licht und als er die Arme vor der breiten Brust verschränkte, hob er eine Augenbraue.
„Wenn er sie hat, dann wird er die Ayde'nu freilassen. Und sie werden eure Welt dem Erdboden gleichmachen."
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Kapitel 32 versorgt uns alle mit etwas mehr Input bezüglich der Hintergründe und der Legenden rund um die Felsenbrecher. Wir werden unser bestes geben, den Plan des Königs zu verhindern.
Eure Erin xx
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Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Nichts ist schwerer zu gewinnen als das Spiel des Lebens, nichts leichter zu verlieren. Wer ein schlechtes Blatt hat, wird gezwungen, aufzugeben. Gibst du auf? Oder bluffst du und setzt alles? Ein überraschender Fund mitten in einer sternenlose...