Kapitel 27

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An Satorus Hand schwamm ich eine ganze Weile hinter den anderen her durch das kühle Wasser. Man hatte als Landmensch die verschobene Vorstellung, dass unter der Wasseroberfläche immer und überall ein wahres Paradies lebte und atmete. Bunte Korallen und noch buntere Fische auf atemberaubenden Felsformationen. Aber dem war nicht so. Oder zumindest nicht hier draußen auf offener See. Hier war alles, was man sah, blaues Wasser und, wenn man in die Tiefe blickte, alles verschlingende Schwärze. Ich konnte jeden verstehen der Angst vor den Dingen hatte, die in der Tiefe lebten und darum nicht oder nicht gern ins Meer ging. Diese Angst hatte ich so langsam auch. Zwar hatte Nautilus erzählt, dass die Felsenbrecher schon lange nicht mehr gesehen worden waren, aber ... naja das musste nicht zwingend etwas heißen. Und so malte mir meine Fantasie auf dem Weg blutige Szenarien, wie eines der Viecher ohne Vorwarnung aus der Schwärze unter uns schoss und uns entweder bei lebendigem Leibe verschlang oder in der Mitte durchbiss.

„Woran denkst du?" Satorus Daumen strich weich über meinen beschuppten Handrücken, in seinen Augen lag ein fragender Ausdruck. Aber kein Drängender. „Hast du Angst vor der Tiefe?" der Weißhaarige spähte nach unten und starrte eine Weile in die Schwärze. „Man hat sie mir schon immer automatisch abgesprochen. Die Fähigkeit, Angst zu haben." Ein kleines, alles versteckendes Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Es wirkte einstudiert. Ich war dankbar, dass man Tränen im Wasser nicht sehen konnte. Jedes seiner Worte war wie ein Stich ins Herz gewesen. Wer nur hatte ihm eingetrichtert, dass seine Träume und Wünsche nicht wichtig waren? Seine Gefühle? Das sich niemand tiefergehend um ihn scherte? Unweigerlich fragte ich mich, warum mich das eigentlich überraschte. Wo seine Freunde ihn doch in dem Würfel zurückgelassen hatten als sie merkten, dass er für sie keinen Nutzen mehr haben würde. Es war ihnen nur um seine Kräfte gegangen.

Und nicht um ihn selbst.

Jetzt wusste ich auch, was sein Schmunzeln versteckt hatte. Trauer und Resignation. „Aber wenn du Angst vor der Tiefe hast, Nis, dann lass mich dir etwas zeigen." Satoru zog mich hinter sich her, ein Stück weg von der Gruppe und weiter hinaus in das offene Meer. So weit, dass wir die anderen nicht mehr sahen aber noch nah genug, um von Nautilus schnell wieder aufgespürt werden zu können. „Sieh mal." Er deutete mit seiner freien Hand in die Ferne, aber ich hatte schon längst erspäht, was er mir hatte zeigen wollte. Dort, freischwebend im nassen Blau in der Mitte ihrer Schule, schwamm eine Walkuh mit ihrem Baby. Der kleine Wal schwamm munter Pirouetten und flitzte durch das Wasser, ohne das seine Mutter ihn aus den Augen ließ. „Solange die Wale hier frei und unbesorgt schwimmen, musst du dir keine Sorgen machen, dass etwas aus der Tiefe kommt," sagte Satoru leise und zog mich näher an sich heran, um seine Arme um ich zu legen. Die Wärme seiner Haut wirkte schon fast elektrisierend und ich sehnte mich sofort nach mehr. Als ich vorsichtig den Kopf hob, sah er mich bereits an. Ein helles Lächeln zog sich über sein Gesicht, als mein Blick seinen traf. Mit seiner rechten Hand, mit der Linken hielt er nach wie vor meine Hand fest, strich er mir über die Wange. Sein Atem strich mir prickelnd über die Lippen, als er näherkam ...

„Habt ihr eigentlich den Verstand verloren?" erklang mit einem Mal Nautilus' Stimme in unseren Rücken und ließ uns zusammenzucken. „Erst macht ihr einen Polnischen," ich war überrascht, dass er die Redewendung kannte, „und dann wagt ihr euch so nahe an die Walschule heran? Sie bringen euch um, wenn ihr den Kälbern zu nahekommt!" als ich mich umdrehte, sah ich einen frustrierten Nautilus in der Mitte von Coen und Thorne. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und als Thorne den Mund aufmachte, begann die kleine Ader auf der Stirn des Kronprinzen wieder zu zucken. „Jetzt mach dich doch mal locker, Ti. Für dich mag das ja ganz natürlich sein, einfach mal so im Meer eine Walschule zu sehen," der Gelbhaarige schloss zu uns auf, drängte sich grinsend zwischen mich und Satoru und legte jedem einen Arm um die Schultern. Meine Wange fühlte sich ohne Satorus Berührung mit einem Mal sehr leer und kalt an. „Sorry Leute, ich hab echt versucht euch noch eine Minute zu lassen. Aber im Schwimmen kann ich gegen Nautilus nur verlieren." Flüsterte er so leise, dass es nur Satoru und ich hören konnten, bevor er wieder lauter wurde. „Aber für uns ist das eben was Neues mit den Walen!" seine gelben Augen begannen, zu leuchten, als er den Walen einen neugierigen Blick zuwarf. „Wow. Da fühlt man sich ganz klein und unbedeutend, nicht wahr?" mit einem Ruck zog er mich und Satoru an sich heran und zwang uns, wieder die Wale anzusehen. „Bin ich froh, dass wir diesen besonderen Moment als Gruppe teilen können!" ich hörte Satoru auf Thornes anderer Seite leise seufzen, als er sich von dem Jujuzisten löste. Nautilus deutete zwischen ihm und mir hin und her. „Kein freies Herumwandern mehr, klar? Ihr bleibt schön da, wo ich euch sehen kann. Denn ich ziehe euch sicher nicht aus dem Magen eines Wales."

„Müssten wir nicht mittlerweile weit genug weg von der Station sein?" klinkte sich Coen in das Gespräch mit ein und zuckte mit den Schultern, als Nautilus ihn ansah. „Ich meine, von hier aus könnten wir wirklich in jede Richtung geflohen sein." Ach ja, da war ja was gewesen. Ich hatte Nautilus' nur mit einem Ohr zugehört, aber jetzt, wo es zur Sprache kam, fiel es mir wieder ein. Nautilus hatte erzählt, dass Atlantis zwar nicht allzu weit entfernt war. Was auch immer "nicht allzu weit" für Nautilus bedeutete. Trotzdem wollte er seine Portale nutzen. Aber nachdem sein Vater seine Portale nachverfolgen konnte, wollte er erst so viel Abstand wie möglich zwischen uns und die Station bringen, bevor er eines öffnete. Nautilus nickte auf Coens Worte hin und öffnete eines der kreisrunden Portale, die Coen und ich schon kannten. „Das ist wahr. Na schön. Sobald wir auf der anderen Seite sind, sind wir vor den Toren von Atlantis. In die Stadt hinein kann ich kein Portal aufspannen. Das liegt an den Schutzwallen, die Neptun damals gezogen hat. Also müssen wir rein schwimmen." Er massierte sich gestresst den Nasenrücken, seine roten Augen flackerten. „Normal kann man den Schutzwall einfach passieren, ohne das etwas geschieht. Er lässt lediglich keine Magie zu, die ihn umgehen würde. Trotzdem wird überall patrouilliert und das heißt für uns, dass wir so unauffällig wie möglich sein müssen, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen." Mit seiner Roboterhand deutete er auf Thorne. „Also keine Witze, kein Ti und vor allem, leise sein." Thorne verschloss sich mit dem symbolischen Schlüssel den Mund und ließ ihn dann grinsend in die Tiefe fallen, woraufhin der Finger zu mir und Satoru wanderte. „Ihr beide lasst die Finger voneinander und du," der Finger blieb bei Coen stehen, „jammerst nicht wegen dem Wasser." Mit einem Augenrollen wendete sich Nautilus dem Portal zu. „Atlanter haben keine Angst vor Wasser." er zupfte das Hemd zurecht, dass er sich übergezogen hatte, um sein Kalmartattoo zu verdecken und blieb dann vor dem Portal stehen. „Noch Fragen?" Und als wir alle den Kopf schüttelten, schwamm Nautilus als erster durch das Portal. Er mochte seine Emotionen mehr als gut verstecken können und ich hatte bis jetzt geglaubt, dass er vielleicht auch einfach keine hatte. Aber bevor er das Portal passiert hatte, hatte ich es in seinen Augen flimmern sehen.

Die Angst.

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Wir stehen vor den Toren Atlantis, drauf und dran, Tiden aus dem Gefängis zu holen. Auch für Nautilus keine leichte Sache, zurück nach Hause zu gehen nach über zwei Jahren.

Eure Erin xx

Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt