Kapitel 33

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„Was sagst du da?"

Sikras' Augenbrauen zogen sich so eng zusammen, dass sie schon fast eine durchgehende Linie bildeten. Mit langsamen Schritten baute er sich vor dem Tank auf und hob den Blick, um in Tidens Gesicht zu sehen. „Du hast mich schon verstanden." Der junge Atlanter schwebte sicher einen Meter über Sikras im Wasser und blickte mit neutraler Mine auf ihn herab. „Er wird die Weltenfresser freilassen. Und wenn er das tut, dann ist nichts mehr übrig, dass einen auf die Existenz der Menschen schließen lassen könnte. Dann wird überall Wasser sein. Und nirgends mehr Land, auf dem ihr euch verstecken könnt vor dem, was in der Tiefe gelebt hat." Mein Kopf schnellte zu Nautilus. Der Kronprinz hatte die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben, einen leeren Ausdruck in den Augen. Mit einem Mal kam er mir müde vor. Sehr sehr müde. Die Worte seines Freundes schienen ihn nicht zu überraschen.

„Mein Vater hat euch Menschen nicht immer gehasst. Früher, als er noch jung war, waren die Meere euch heilig, ebenso wie uns. Ihr habt sie genutzt, um zu überleben und die Meere waren gut zu euch. Aber er hat miterlebt, was geschieht, wenn euch niemand Einhalt gebietet und ihr Gott spielen könnt." Nautilus' Augen begannen, zu flackern, als er mich ansah. „Er musste dabei zusehen, wie sein Volk unter euch leidet, wie ihr das Wasser verpestet und verschmutzt. Wie ihr die Tierbestände an ihre Grenzen treibt und es einige Arten schon lange nicht mehr gibt. Und dass es andere bald nicht mehr geben wird. Das ist alles nur noch eine Frage der Zeit und früher oder später wird in den Meeren nichts mehr sein, dass ihr töten könnt." Tiden hatte seinem Freund stumm zugehört, seine violetten Augen glitzerten zustimmend, als er eine Hand hob und sie von innen auf die dicke Glasscheibe legte. „Hochmut kommt vor dem Fall und wenn die Meere sterben, dann werdet auch ihr sterben." Seine Finger ballten sich zu einer zitternden Faust. „Wisst ihr eigentlich, wie vielen Tieren ich schon Plastik aus den Mäulern und Bäuchen geholt habe? Wie viele ich nicht mehr retten konnte, weil sie in euren weggeworfenen Fischernetzen qualvoll ertrunken sind? Wie viele See- und Wasservogel, bedeckt mit Öl ertrunken oder an Vergiftungen gestorben sind?"

Warme Tränen liefen mir mehr und mehr über das Gesicht, ich schaffte es gar nicht, sie in den Griff zu bekommen. Tiden und Nautilus, ja selbst der König. Sie hatten recht. Wir waren alles andere als gut zu den Ozeanen und am Ende des Tages schien es egal zu sein, wie gut man seinen Müll sortierte, wenn er verschifft und in ärmeren Ländern achtlos im Meer entsorgt wurde, weil sie kein Geld für bessere Methoden hatten. Touristen, die ihren Müll nicht ordnungsgemäß wegwarfen, sondern am Strand liegen ließen. Konzerne, die ihre Abfälle illegal in den Ozeanen entsorgten. Aus den Augen aus dem Sinn. Das war das Motto.

„Genau das." Tidens Worte ließen meine Augen zu ihm wandern. Er deutete durch die Scheibe auf mich, ein weiches Lächeln auf den geschwungenen Lippen. „Du kannst nachvollziehen, warum der König euch auslöschen will. Ihr seid nicht mehr als ein Schandfleck auf diesem Planten der ihn früher oder später in den Ruin treiben wird. Wie eine tödlich endende Krankheit. Aber nicht jeder von euch verdient deswegen den Tod, nur weil eure Anführer keine Lösung für dieses Problem finden können oder auch wollen." Der junge Mann mit den goldenen Haaren schwamm näher an die Scheibe heran. „Aber das du weinst um all die, die wir schon verloren haben zeigt mir, dass du dafür nicht den Tod verdienst. Du, ihr alle, ihr habt eure Leben riskiert, um mich aus Atlantis zu holen. Ihr habt Nautilus Schutz geboten, als man ihn töten wollte. Und wenn ich euch so ansehe, bin ich mir sicher, dass es weitaus mehr Menschen mit guten Herzen gibt, als man es in Atlantis wahrhaben will." Wie ein Blitz war Tiden abgetaucht und streckte kurz darauf seinen Kopf aus dem großen Becken zu unseren Füßen. „Ihr verdient eine Chance, eure Fehler wiedergutzumachen. Der König will sie euch nicht geben und darum werden Nautilus und ich alles dafür tun, damit ihr sie bekommt. Das ist das, was Neptun getan hätte."

Ich sah die Betroffenheit in den Gesichtern aller Anwesenden. Midare hatte wie ich Tränen in den Augen. Velvet war blass und Thorne und Coen konnten Tiden nicht mehr in die Augen sehen. Hinter Satorus Stirn sah ich die Zahnrädchen arbeiten. „Also ist alles, was wir tun müssen, verhindern, dass König Redeus herausfindet, wo die Portale sind. Das du eins mit dir herumträgst ist schon gefährlich genug." Tiden deutete auf Satoru. „Man könnte den Eindruck bekommen, dass du auch weißt, wo der Rest von ihnen ist," meinte der Atlanter und legte den Kopf schief. „Auch wenn ich davon nicht ausgehe. Also, warum hast du es?"

Die Situation war schnell erklärt und ließ Tiden nicht schlecht staunen. Fasziniert nahm er Satoru das Portal ab und wiegte es in seinen Händen hin und her. „Warum deine Kräfte hier drinnen sind und nicht mit dir extrahiert wurden ist leicht erklärt," sagte er und stellte das Portal am Beckenrand ab, wo Lulu auch gleich aus dem Wasser flitzte und es neugierig umrundete. „Diese Portale wurden einzig und allein aus dem Grund geschaffen, die Felsenbrecher darin einzusperren. Die Tiere haben ihren Namen nicht von ungefähr. Sie ernähren sich nämlich nicht von Fleisch, Fisch oder Pflanzen, sondern von Gestein. Sie haben gewaltige mahlende Kiefer und werden so groß, dass man sich das nicht mal vorstellen will. Sie würden die Kontinente schlichtweg von innen aushöhlen und darauf warten, dass die dann instabile Oberfläche einstürzt, um diese dann auch noch zu fressen." Lulu hatte das Portal mit viel Mühe ins Wasser gezerrt und schoss es dort mit ihrer Schwanzflosse wie einen Ball fröhlich schnurrend durch die Wellen. „Die Portale wurden also dafür geschaffen, physische Stärke einzufangen und gefangen zu halten. Das heißt, das Portal konnte nur dich, also deinen physischen Körper, wieder freilassen. Aber nachdem dein Jujutsu nichts Physisches ist, konnte das Portal es nicht erkennen. Für das Portal ist dein Jujutsu nicht existent und was nicht existent ist, kann es natürlich auch nicht freilassen." Satoru nickte bloß und sah an Tiden vorbei zu Lulu, die sich jetzt auf das an der Oberfläche treibende Portal gesetzt hatte und mit dem Wellengang kämpfte, der es immer wieder schwanken ließ. „Wie bekommen wir meine Kraft also aus dem Portal?"

Tiden schüttelte bedauernd den Kopf. „Das weiß ich nicht. Aber ich habe von einem Mann gehört, der es wissen könnte. Einem Mischling aus Mensch und Atlanter, der auf dem Land leben soll. Er soll wissen, was es mit den Portalen auf sich hat und er soll wissen, wo sie sind. Er ist deine einzige Chance, Satoru. Die Frage ist nur, ob wir ihn finden können. Immerhin sucht der König ihn schon sehr lange. Aber bis heute weiß keiner, wo er lebt. Und ob es ihn überhaupt gibt."

Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt