Ich war felsenfest davon überzeugt gewesen, zu ertrinken und im Meer zu versinken. In den unendlichen Weiten des Pazifiks verloren zu gehen, ohne dass jemals mehr jemand eine Spur von mir finden würde. Nicht, dass es jemanden gegeben hätte, der sich die Mühe gemacht hätte, nach mir zu suchen. Das war es, was das Meer am Ende des Tages tat. Nehmen und zerstören. Zumindest von uns Menschen und ob es damit so falsch lag, wagte ich zu bezweifeln.
Barfuß lief ich etwas wackelig durch die kleine Sandbucht, in die das Meer mich gespült hatte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber am Horizont konnte man die ersten Strahlen sehen, die sich alle Mühe gaben, sich über den Horizont zu ziehen und die Welt von den Schatten der Nacht zu befreien. Bald würde es hell genug sein, um einen Weg aus der Bucht zu finden. Und bis es so weit war, wollte ich die Stille genießen, die Ruhe, die das Meer ausstrahlte. Als ich aufgewacht war, hatte ich bäuchlings im nassen Sand gelegen und die Wellen hatten immer wieder meine nackten Füße umspült. Meine Schuhe waren im Wasser verloren gegangen, genauso wie mein Rucksack und all meine anderen Sachen. Und der Würfel. Wenn ich wenigstens mein Handy gehabt hätte, hätte ich womöglich Hilfe rufen können. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass das samt den Resten des Flugzeugs am Grund des Ozeans lag. Unerreichbar für mich. Anfangs hatte ich ungläubig nur im Sand gesessen und auf die Wellen gestarrt, vollkommen überfordert mit dem Umstand, dass es mir gut ging. Das ich nicht ertrunken war und, vor allem, dass ich unversehrt und ohne gebrochene Knochen hier am Strand aufgewacht war. Dabei konnte ich mich gut an das Gefühl erinnern, als sich gebrochen waren. Dieser sengende Schmerz in meinen Beinen und meinen Rippen. Ich hätte schwören können, gehört zu haben, wie sie brachen. Im Wasser hatte ich es gehört, aber auch in meinem Kopf. Aber hier war ich, vollkommen unverletzt und zumindest so sicher wie man diese Bucht hier als sicher bezeichnen wollte. Piraten mochte man so nur aus dem Fernsehen kennen, aber Piraterie gab es auch heute noch und ich hatte Sorge, hier in einer Piratenbucht gelandet zu sein.
Also lief ich am Wasser entlang, um Treibholz zusammenzusammeln. Womöglich konnte ich ein Feuer und so auf mich aufmerksam machen. Denn als die Sonne endlich hoch genug stand, hatte ich schnell erkannt, dass es keinen Weg aus der Bucht gab. Sie schien am Fuße einer steilen Felswand zu liegen und sofern ich mir beim Klettern nicht das Genick brechen wollte und auch nicht wusste, wie weit ich würde schwimmen müssen, um an einen anderen, belebten Strand zu kommen, blieben mir nicht mehr viele Optionen. Ich suchte auch nach Coen und Bruce, von der Hoffnung getrieben, wenigstens einen der Beiden zu finden und so nicht mehr allein in dieser doch prekären Lage zu sein. Aber ich fand niemanden und so sammelte ich alles an brennbarem Material ein, dass ich finden konnte. Jetzt, wo ich auch den Würfel nicht mehr hatte, wagte ich zu bezweifeln, dass Coen mich suchen würde, sofern er denn noch lebte. Womöglich hielt er mich für tot und das würde ich ihm noch nicht mal verübeln können. Nach einem Angriff durch einen fliegenden, geschuppten Wurm. Im Moment wusste ich nichts mehr und letztendlich war auch nichts davon wichtig, solange ich in dieser Bucht festsaß ohne etwas zu Essen und Wasser.
Ohne meine Tabletten.
Die Sonne stieg höher und höher und mit ihrem Aufstieg kamen der Durst und die Entzugserscheinungen. Nervosität, eine trockene Kehle. Unwohlsein und das Zittern. Meine Gedanken drehten sich nur noch um das Tilidin und so tat ich alles, um mich irgendwie abzulenken. Ich versuchte mehrmals, ein Feuer anzuzünden, aber das Treibholz wollte und wollte nicht richtig trocken werden. Womöglich scheiterte es aber auch einfach daran, dass ich ein Kind des 21. Jahrhunderts war und ein Feuer bisher immer mit Streichhölzern oder einem Feuerzeug angezündet hatte. Verdammter Fortschritt. Ich watete durchs Wasser und sammelte Muscheln, nur um sie wieder ins Wasser zu werfen, um zu sehen, welche am weitesten flog und am Ende gewann dann doch ein Stein. Fluchend und das Wasser tretend lief ich weiter raus in die Wellen, um einen klaren Kopf zu bekommen und in meiner Wut hätte ich es fast übersehen.
Das schwache blaue Leuchten im Wasser. Ich kannte das.
„Satoru?", rief ich so laut ich konnte und als das blaue Licht aufgeregt zu flackern begann, stiegen mir die Tränen in die Augen. Immer schneller kämpfte ich mich durch die Wassermaßen, riss mir die Jacke vom Körper und watete, bis der Boden unter meinen Füßen steinig wurde. Ich hielt die Luft an und tauchte unter. Das Salzwasser brannte schrecklich in meinen Augen, aber ich zwang mich, sie offenzuhalten. Der Würfel lag etwa vier Meter unter mir zwischen Korallen auf einem kleinen Vorsprung, neben dem es gähnend in die schwarze Tiefe ging. Ich hatte zwar keine Angst vor den Tiefen des Ozeans, aber etwas mulmig wurde mir trotzdem, als ich erneut Luft holte und nach unten tauchte. Auf halber Strecke musste ich einen Druckausgleich machen, ansonsten wären mir die Trommelfelle geplatzt, doch kurze Zeit später hielt ich den Würfel wieder in den Händen. Er summte sanft, als ich ihn aus den Korallen zog, pure Erleichterung schimmerte in seinen blauen Augen, als ich mich auf den Weg nach oben machte. Doch mich beschlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Erst hatte ich Sorge, dass mich gleich ein Hai in Stücke reißen würde. Doch als ich mich langsam umdrehte, sah ich nichts. Langsam senkte ich den Blick und dort, in dem tiefen Abgrund, sah ich wieder diese roten Augen schimmern, die mich aufmerksam zu mustern schienen. Selbst der Würfel schien irritiert zu sein. Oder wütend? Er stoppte mit dem Summen und starrte, wie ich, in den Abgrund. Langsam zogen sich die Augen in die Tiefe zurück und als die Schwärze sie endlich verschluckt hatte, traute ich mich, aufzutauchen.
Hustend schleppte ich mich an den Strand, froh, aus dem Wasser heraus zu sein und ließ mich in den warmen Sand plumpsen. Immer wieder spuckte ich das salzige Wasser aus und würgte einige Male, doch es kam nichts hoch. Der Würfel brachte den Sand neben mir zum Vibrieren und als ich ihn in meine zitternden Finger nahm, wurden seine Augen traurig. Er sah, dass ich unter dem Entzug litt und konnte, wie ich, nichts dagegen tun. Erschöpft zog ich die Beine an den Körper und lehnte mich an den großen Stein, der hier am Strand lag und etwas Schatten spendete. Dieser Stein war es auch, der mich die ganze Nacht vor den Wellen abschirmte und zusammen mit Satoru Zeuge meines Leids wurde. Immer wieder musste ich mich übergeben und brachte nichts hoch außer Galle. Ich bekam Schüttelfrost und fühlte mich so hundeelend, dass es mir wie eine geeignete Lösung erschien, mich einfach dem Meer hinzugeben, statt noch länger unter diesen Entzugserscheinungen zu leiden. Aber ich konnte und wollte Satoru nicht hierlassen. Ich hatte mich nicht entführen, verschleppen und aus einem Flugzeug reißen lassen, nur um jetzt das Handtuch zu werfen. Also rollte ich mich im Schatten des Steines ein, hielt den Würfel fest umschlugen und war bereit für alles, was das Meer mir geben würde.
Und als am nächsten Morgen einige kleine Fischerboote anlegten und mich mehrere besorgte Japaner einluden und mitnahmen wusste ich, dass es jetzt nur besser werden konnte. Sie brachten mich in ein Krankenhaus und zum ersten Mal war ich dankbar, damals an der Volkshochschule parallel zum Abi den Japanisch Kurs gemacht zu haben. Von wegen den würde ich nie mehr brauchen. Ich mochte nicht alles verstehen, aber genug, um mich einigermaßen verständigen zu können und die Lücken, die ich hatte, füllte ich mit Englisch. Eine der Krankenschwestern der Notaufnahme hatte mich in einem der Wartezimmer untergebracht, zusammen mit einer Tasse warmem Tee und trockenen Klamotten. Ich konnte hierbleiben, bis ich jemanden erreicht hatte, der mich würde abholen können. Das ich so jemanden nicht hatte wussten die Leute hier ja nicht, also wollte ich so viel Zeit wie möglich hier verbringen, bevor man mich rausschmeißen würde. Das ich in einem Krankenhaus war, war zudem die ideale Möglichkeit, an Tilidin zu kommen. Ich wusste zwar nicht, ob es das in Japan gab, aber wenn nicht sollte sich doch etwas Ähnliches finden lassen. Also drückte ich mich zusammen mit dem Würfel auf dem Gang in der Nähe des Telefons herum und wartete, bis die Schwestern aufgrund eines eintreffenden Notfalls das Schwesternzimmer räumten. Dank den weichen Socken gab das Linoleum unter ihnen keinen Laut von sich, als ich auf die Türe zutapste und die Hand auf die Klinke legte. „In Japan sind die Gesetze, was Drogenkonsum betrifft, weitaus strenger als in Deutschland." Einwandfreies Deutsch durchschnitt den leeren Gang und als ich mich mit pochendem Herzen umdrehte, standen Coen und Bruce mit Kaffeebechern in den Händen vor mir. Coen hatte, wie immer, einen Lolli im Mund und zu meinem Erstaunen Mitleid in den Augen. Er zog einen Blister aus der Tasche seines Hoodies und warf ihn mir zu. Tilidin.
„Schön zu sehen, dass es dir gut geht, Süße."
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Wir sind in Japan und dazu noch wohlauf. Da kann man ja fast nicht noch mehr verlangen. Aber wir tuns trotzdem mal und sehen uns in Kapitel 13 an, was Japan so zu bieten hat. Und ob es sich lohnt, zu bleiben.
Eure Erin xx
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Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Nichts ist schwerer zu gewinnen als das Spiel des Lebens, nichts leichter zu verlieren. Wer ein schlechtes Blatt hat, wird gezwungen, aufzugeben. Gibst du auf? Oder bluffst du und setzt alles? Ein überraschender Fund mitten in einer sternenlose...