Kapitel 19

41 9 0
                                    

Nautilus führte uns durch die Kanalisation, ohne auch nur ein Wort mit uns zu wechseln. Doch zu meiner Überraschung war es keine unangenehme Stille in seiner Nähe. Er schien einfach grundsätzlich nicht viel zu reden und seine Aura machte auch jedem klar, dass er sich schon melden würde, sollte er was brauchen. Also gab es auch keinen Grund, sich dank der Stille unwohl zu fühlen. Was mich dagegen sehr wohl unwohl fühlen ließ war der Umstand, dass er barfuß durch die Plörre lief, in der Coen und ich vorhin noch gelandet waren. Während der Kopfgeldjäger und ich penibel drauf achteten, nicht noch mehr Unrat auf die Haut zu bekommen, lief Nautilus lautlos durch das Wasser. Seine Schritte verursachten keinerlei Geräusche, zu hören waren lediglich meine Schritte und die von Coen auf der kleinen Mauer. Hätte man uns nicht gesehen, sondern nur gehört hätte ich es niemandem verübelt zu glauben, wir wären nur zu zweit. Auch die spärliche Beleuchtung hier unten schien den Blauhaarigen kalt zu lassen. Während Coen und ich fast blind durch die Dämmerung stolperten schien Nautilus kein Problem damit zu haben, hier unten etwas zu sehen. Ich wusste noch nicht, in welche Kategorie ich ihn einordnen sollte.

Mysteriös oder gruselig.

Wobei. Beide schienen zu passen.

Nach einigen Minuten, ich konnte und wollte mich nicht an den Gestank hier unten gewöhnen, erreichten wir eine kleine Leiter. Nautilus kletterte sie hinauf und schob mit seiner Prothese den Gullideckel zur Seite. Weißes Neonlicht fiel durch das geöffnete Loch und blendete mich nach der Dunkelheit hier unten derart, dass ich einige Male blinzeln musste, bevor ich ihm folgen konnte. Immer wieder rutschte ich mit meinen schmutzigen Schuhen auf den Metallstreben aus, aber schlussendlich schaffte ich es und zog mich durch das Loch, aus dem kurz darauf auch Coen kroch. Jetzt, im hellen Neonlicht, sah ich, wie eklig wir eigentlich aussahen. Mittlerweile waren die Überreste an mir festgetrocknet und hatten sich festgesetzt. Genau wie der Geruch. Coen verzog angewidert das Gesicht, als er mich sah und rümpfte die Nase. „Da wird ein Bad nicht reichen, Süße." Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich ihn von Kopf bis Fuß. „Na da bin ich nicht die Einzige. Du, wir, riechen wie ein Klärwerk." „Wartet hier," unterbrach Nautilus unsere Unterhaltung. Er hatte ein dünnes weißes Leinenhemd von einer kleinen Bank gezogen, streckte es, ohne es anzusehen in die Luft und ließ es dann fallen, um sich zu bücken. Irritiert sah ich dabei zu, wie er ein paar Schuhe unter der Bank hervorzog, dann doch tatsächlich in die Luft blickte und sich verwirrt umsah. Erst dann schien ihm aufzufallen, dass das Hemd ja zu Boden gefallen war. Mit genervtem Gesichtsausdruck hob er es auf und verschwand dann ohne noch ein weiteres Wort durch eine automatische Türe und ließ uns samt dem Gestank zurück. Nur braune, zur Tür hin schwächer werdende Fußabdrücke auf dem weißen Boden ließen wissen, dass er hier gewesen war.

Und nachdem wir keine Ahnung hatten, wo wir waren, standen Coen und ich eine halbe Stunde in dem erschreckend weißen Raum herum. Alles war weiß. Der Boden, die Wände, die Decke. Sogar die Sitzgelegenheiten, auf die sich keiner von uns zu setzen traute. Oder ich zumindest nicht. Coen dagegen ließ sich dann doch ohne mit der Wimper zu zucken auf einen der weißen Stoffsessel fallen und legte die Füße auf den dazu passenden, weißen Beistelltisch, während ich den Raum inspizierte. Die vielen Regale waren leer, ebenso wie die vier Aquarien, die ich fand und nachdem der Anreiz dann doch recht gering war, versuchte ich nach einer Stunde mein Glück an den beiden Türen, die je an gegenüberliegenden Seiten lagen. Ich versuchte es, aber die Türen gingen nicht auf, als ich auf sie zuging. Ich winkte davor, um den Sensor zu aktivieren. Aber nichts geschah. So langsam wurde mir unwohl und Coen schien es ebenso zu gehen. Nach fast zwei Stunden war ich drauf und dran, mit einem der Sessel auf die nächstbeste Türe einzuschlagen und um Hilfe zu rufen. Doch mit einem Mal begann der Würfel in meiner Jackentasche, zu summen und schon öffnete sich die Türe in meinem Rücken, durch die Nautilus verschwunden war und eine junge Frau mit zwei grellgrünen Zöpfen kam herein. Sie war derart in ihr Klemmbrett vertieft, dass ihr der Gestank noch vor unserer Anwesenheit auffiel. Sie rümpfte die Nase und hob den Blick. Ihr Klemmbrett fiel zu Boden, genau wie ihr Stift und ihre Kinnlade. Letzteres natürlich nur sinnbildlich. Für einige Sekunden starrte sie mich mit dem Sessel in den Händen an, dann Coen, der zum Gruß vom Sessel aus die vor Dreck starre Hand hob und grinste.

„Hi."

Auf sein plumpes Hi hin konnte ich nicht anders, als mit den Augen zu rollen. Schnell stellte ich den Sessel ab und klopfte mir so gut ich konnte den Dreck aus der Kleidung. „Wer zur Hölle seid ihr? Und wie seid ihr hier reingekommen?" die giftgrünen Augen der Frau sprühten Funken, als sie auf uns zu stapfte. Dicke hellgrüne, zähflüssige Masse lief ihr die Arme herunter und ätzte tiefe Löcher in den weißen Boden. Schnell hob ich die Hände und schüttelte wild den Kopf, parallel zu Coens rasantem Aufstehen. „Nein, nein. Wir wollen niemandem etwas Böses. Wir ... Nautilus sagte, wir sollen hier warten." Auf meine Worte hin verschwand das grüne Zeug von ihren Armen, die sie jetzt vor der Brust verschränkte und eine Augenbraue lupfte. „Nautilus? Er hat gar nicht Bescheid gesagt, dass ... das ist ja mal wieder typisch!" ihr schmales Gesicht verzog sich vor Wut, als sie auf einen kleinen Knopf neben der Türe drückte. „Sikras! Schwing deinen Arsch hier runter! Wir haben Besuch," bellte sie in die Gegensprechanlage und beendete die Verbindung, ohne auf eine Antwort zu warten. Keine zwei Sekunden später ertönte ein lautes Rauschen in den mutmaßlichen Luftschächten, bis mit einem Mal ein Rabe aus einem der Rohre flog. Schwarze Federn segelten leise durch die Luft, als aus dem Raben ein großer Mann mit langen schwarzen Haaren und stechend weißen Augen wurde. Als er grinste, entblößte er zwei Reihen weißer Zähne, die einen krassen Kontrast zu dem schwarzen, bodenlangen Mantel bildeten, den er trug. „Sieh mal einer an. Da bringt unser lieber Nautilus Gäste mit und sagt uns nichts." Die Frau neben Sikras, ich nahm einfach mal an, dass er das war, rollte mit den Augen und seufzte. „Wundert das dich, dass er nichts gesagt hat? Er lässt immer alles stehen und liegen. Weil irgendwer wird's ja schon irgendwann finden," meinte sie und verzog angewidert das Gesicht. „Bah, stinkt ihr. Hat er euch durch die Kanalisation gebracht?" Coen und ich nickten synchron und auch überflüssigerweise angesichts der Scheiße an unserer Kleidung.

„Na na, Velvet. Wir wollen jetzt mal nicht vergessen, dass ihm 85 Jahre lang alles nachgetragen worden ist. Bei so einer langen Zeit fällt es einem sicher schwer, Gewohnheiten abzulegen," sagte Sikras und hielt sich ein weißes Stofftaschentuch vors Gesicht, bevor er uns bedeutete, ihm zu folgen.

„Dann kommt mal mit."

---------------

Eure Erin zurück mit Kapitel 19. Wir nähern uns dem wahren Problem dieser Geschichte, dass sicher alles ist nur nicht Kenjaku und sein Kreuzzug durch Tokyo. Aber das hat Nautilus uns ja schon zu verstehen gegeben.

xx

Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt