Ein paar Minuten, nachdem ich das Tilidin eingeworfen hatte, hörten meine Hände auf, zu zittern und meine Gedanken wurden wieder klar und die Wut kam hindurch. Bruce hatte uns, wahrscheinlich dank einer weisen Voraussicht, zurück in das leere Wartezimmer gebracht. Dabei wäre es scheißegal gewesen, ob ich hier drinnen zur Höchstform auflief oder dort am Gang. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand Deutsch sprach, war so niedrig, dass ich meinem Frust lautstark Luft machte. „Was in drei Teufelsnamen ist hier verdammt nochmal los!?", vor Wut zitternd hob ich einen Finger und deutete damit auf Coen, der mir stumm bei meinem Ausbruch zusah und den Kopf schief legte. „Erst werde ich von unsichtbaren Leuten verfolgt, durch die halbe Stadt gejagt, geködert und als ob das nicht alles reichen würde, verschleppst du mich aus meinem zuhause und ich stürze aus einem fliegenden Flugzeug, dass ein gigantischer weißer Wurm aus der LUFT GERISSEN UND IM MEER VERSENKT HAT!" ich wurde immer lauter, mein Finger wanderte anklagend zwischen den beiden Männern hin und her. Bruce sah tatsächlich ein wenig betroffen aus. Im Gegensatz zu Coen. Der Kopfgeldjäger packte seelenruhig einen Lolli aus und schob ihn sich unbeeindruckt in den Mund, was mich nur noch mehr anstachelte. Wutentbrannt stapfte ich auf ihn zu und riss ihm den Lolli aus dem Mund. „UND JETZT SITZT IHR HIER, LEBENDIG NACH EINEM VERSCHISSENEN FLUGZEUGABSTURZ UND SCHAUT MICH AN WIE ZWEI HÜHNER, WENNS BLITZT!"
Ich kämpfte zwar dagegen an, aber letztendlich verlor ich gegen die Tränen, die mir jetzt stumm über das gerötete Gesicht liefen. Es waren Tränen der Angst. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so viel Angst gehabt wie in den letzten 36 Stunden, die ich erfüllt von Furcht und Unverständnis in dieser Bucht verbracht hatte. Was, wenn die Fischer dort nicht zufällig vorbeigekommen wären? Der Gedanke ließ mich nicht los und machte mein Schluchzen nur noch schlimmer. Bruce war sofort aufgestanden und zog aus seiner Anzugjacke einen weißes Stofftaschentuch, dass er mir reichte. Mitleid schimmerte in seinen haselnussbraunen Augen, als er mich ansah und einen Schritt zurücktrat, um mir etwas Freiraum zu lassen. Die Engländer und ihre guten Manieren. Coen zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das Gleiche könnte ich dich fragen, Süße. Das du hier vor uns stehst ist so unwahrscheinlich wie eine Vereinigung von Sonne und Mond."
Einige Momente lang herrschte Stille in dem kleinen Wartezimmer, bis ich mich einigermaßen wieder gefasst hatte. „Ich verdiene die Wahrheit. Das habe ich von Anfang an und ich hab die Nase gestrichen voll." Bruce' Blick folgte meinem, als ich mich Coen zuwendete und mir die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte. „Und ich werde dieses Krankenhaus nicht verlassen, bis ich sie kenne." Coen war aufgestanden, die funkelnden Ringe an seinen Fingern erinnerten mich an das, was er mir im B&B erzählt hatte. Aber ich wich nicht einen Schritt zurück, sondern reckte trotzig das Kinn. „Du willst mich mit Gewalt zwingen? Nur zu, du Arschloch. Wir sind hier in einem Krankenhaus, umgeben von Menschen, die sofort die Polizei rufen, solltest du mich schlagen oder bewusstlos hier raustragen wollen." Coens gelbe Augen verdunkelten sich, als er seine Hände zu Fäusten ballte. Hatte ich es mir doch gedacht. Er konnte hier drinnen rein gar nichts ausrichten. Endlich hatte ich die Zügel in die Hand und früher oder später würde Coen mir aus der Hand fressen, nur damit ich mit ihm und dem Würfel dieses Krankenhaus verließ. Also machte ich am Absatz kehrt und riss die Türe auf. „Wenn ihr mich also sucht; ich bin in der Cafeteria."
Der frische Kakao, den ich mir aus einem der Automaten herausgelassen hatte, wärmte meine Finger, die trotz der frühlingsgleichen Temperaturen kalt waren und mich bibbern ließen. Daran änderte auch die Sonne nichts, die durch die hohen Panoramafenster in die Cafeteria fiel und das blaue Linoleum beleuchtete, dass hier ausgelegt worden war. Es war Mittagszeit und so roch es nach gebratenem Fleisch, Reis und frisch gebrühtem Tee. Ich hätte gern etwas gegessen. Aber das bisschen Kleingeld, dass ich hier in einem der Parkautomaten gefunden hatte, hatte geradeso für den Kakao gereicht. Also ignorierte ich, wie so oft schon, das Loch in meinem Bauch und starrte durch die großen Fenster hinaus in den Garten des Krankenhauses. Die Anlage war gepflegt, die penibel gestutzten Büsche würden bald anfangen, zu blühen. Ein kleiner Springbrunnen war in der Mitte eines Teiches platziert worden, in dem ich einige Kois schwimmen sehen konnte, die sich immer wieder unter den großen Blättern einiger Seerosen versteckten, wenn jemand am Teich vorbeilief oder ein Kind lachend seine Hände hineinsteckte. Jeder einzelne Fisch tauchte ab, als ein kleines Mädchen kichernd auf der steinernen Umrandung balancierte, ohne die Hand seines Vaters loszulassen. Die dazugehörige Mutter schob einen Rollstuhl, in dem eine sehr alt wirkende Frau saß. Immer wieder gestikulierte sie in Richtung ihrer eigenen Schulter, fast so, als wolle sie etwas verscheuchen. Eine Mücke oder etwas in der Art. Aber die jüngere Frau, wohl ihre Tochter, nahm die faltige Hand ihrer Mutter jedes Mal aufs Neue wieder herunter und redete ihr gut zu.
DU LIEST GERADE
Cube's Secret (Satoru Gojo X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Nichts ist schwerer zu gewinnen als das Spiel des Lebens, nichts leichter zu verlieren. Wer ein schlechtes Blatt hat, wird gezwungen, aufzugeben. Gibst du auf? Oder bluffst du und setzt alles? Ein überraschender Fund mitten in einer sternenlose...