Kapitel 3

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Ein lautes Schrillen weckt mich auf. Ich drehe mich um, doch es hört nicht auf.
„Guten Morgen, Sonnenschein!", schreit Lexa und macht meinen Wecker aus, „Komm schon, Kylie. Es ist der erste Schultag auf der neuen Schule."
Falsch. Es ist nicht der erste Schultag. Es ist mein erster Schultag - mitten im März.
Weil ich mich nicht bewege stampft Lexa aus meinem Zimmer und lässt meine Türe offen. Sie weiß genau, dass ich das hasse.
Ich setze mich auf und schau auf meine rechte Hand. Immer noch verbunden. Das gestrige Gespräch mit Mom während sie mir meine Hand verarztet war komisch. Sie sah gestresst aus und beängstigt. Vielleicht hatte sie nur Panik, weil sie denkt ich habe wieder scheiße gebaut. Aber dieses Mal war es nicht meine Schuld. Der Schrank... Aber wie soll ich das erklären?

Frisch angezogen gehe ich die Treppen hinunter um in die Küche zu gehen. Lexa isst gemütlich Müsli während Mom Zeitung liest und Kaffee trinkt. Jetzt fehlt nur noch Dad der am Herd steht und Pfannkuchen macht. Dabei macht er alle möglichen Tricks und bringt Lexa und mich zum Lachen. Ich vermisse ihn so sehr.
Als ich mich hinsetzte und mein Müsli zusammen stelle, frage ich Mom: „Wann fahren wir?"
„Du musst heute mit dem Bus fahren, Kylie"
„Mit dem Bus?!" Das Müsli bleibt mir im Hals stecken. Wieder eine Sache die auf meiner Liste steht von unangenehmen Dingen: Bus fahren.
„Tut mir leid, Schatz. Zu deiner Schule gibt es eine gute Busverbindung. Und Lexas Schule liegt auf meinem Weg zur meiner neuen Arbeit."
Lexa sieht von ihrer Schüssel auf und grinst mich an. Ich widme ihr einen gespielten bösen Blick und sie beginnt zu lachen.
Mom schaut auf von der Zeitung und sagt: „Der Bus fährt in 10 Minuten. Kannst du dich noch an die Bushaltestelle erinnern? Die an der wir vorbei gefahren sind?"
Ich nicke und stehe auf.

Ein kalter Wind trifft mich, als ich die Haustüre aufmache. Es ist kühl und der Himmel ist Schnee weiß. Gerade als ich los laufe, fällt mir ein, dass ich die Einschreibung vergessen habe.
Soll ich sie noch schnell holen? Wo hatte ich sie hingelegt.. Aber vielleicht bekomme ich den Bus dann nicht mehr und am ersten Tag zu spät zu kommen wäre noch schlimmer.
„Mist! Du idiot...", sage ich zu mir selbst.
Hinter mir ertönt ein Lachen. Erschrocken schaue ich auf Jake der mich einholt und jetzt neben mir geht.
„Führst du öfters Selbstgespräche?"
„Nein. Also.. ich..." Wieso stottere ich? Ich hole tief Luft und sag dann „Ich habe nur was vergessen."
„Es ist ungewöhnlich mitten im Jahr zu wechseln. Wieso seid ihr umgezogen?" und unterbricht damit die kurze peinliche Stille.
„Meine Mutter wollte einen Neustart, nachdem mein Vater gestorben ist."
Nicht die ganze Wahrheit aber auch nicht komplett gelogen.
Und da war es. Dieses Mitfühlende Gesicht. Es erinnert mich an die Beerdigung. An alle Gesichter. An alle falschen Gesichter. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher ob ich das wirklich erwähnen werde falls noch jemand etwas fragt. Ich brauche das gespielte Mitleid nicht.
„Es tut mir leid, dass er..."
„Du hast ihn nicht getötet. Also muss es dir auch nicht leid tun."
Kurz blickt er überrascht auf mich. Wieder durchbohrt mich sein Blick. Suchend nach etwas was ihn brennend interessiert.
„Du hast recht.", sagt er dann.
Bis wir an der Bushaltestelle sind ist es still zwischen uns. Ich frage mich was in seinem Kopf vorgeht.

Jake steigt vor mir ein. Fast alle Plätze sind belegt. Ich spüre die Blicke der anderen. Kurze interessierte und urteilende Blicke. Die ganzen Augen machen mich so nervös, dass ich wie angewurzelt stehen bleibe.
Ein paar Jungs rufen Jakes Namen und er macht sich auf den Weg zum hinteren Abteil.
„Kylie? Kommst du?" ,dreht er sich nochmal um.
Nun höre ich geflüstere. Am liebsten wurde ich „Nein" sagen, gehe dann jedoch trotzdem hinter ihm her.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Jake ein Frauenschwarm ist. Ich bin nicht einmal in der Schule und schon werden mich sämtliche Mädchen hassen. Super Kylie. Wirklich gut gemacht.
Jake ruscht zum Fenstersitz damit ich neben ihm platz nehmen kann.
„Ist das deine neue? Wieso bekommst du immer solche?, fragt eine Stimme hinter uns. Ein paar Jungs lachen. Jake schaut mich an und lächelt. Warum macht er das? Wieso kann er nicht klar sagen das da nichts ist? Ich sehe es jetzt schon wie ich alleine sitzen werde in der Cafeteria. Deshalb nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und sage : „wir sind nicht-"
„Also bist du noch zu haben?", werde ich unterbrochen von einer Stimme neben uns.
Ich schaue zu dem Jungen. Er hat schulterlanges Haar. Seine Haut is gebräunt und sein Gesicht sieht aus wie gemacht. Er erinnert mich an einer dieser Models auf der Frauenzeitschrift meiner Mom.
„Darf ich mich vorstellen? Ich bin Ryan und wie heißt du, meine Hübsche?" Ich schlucke schwer, als er meine Hand nimmt und mir einen Kuss auf sie gibt.
Bevor ich was sagen kann, nimmt Jake meine Hand von ihm und sagt: „Lass gut sein."
Wieder ertönt lautes Gelächter. Ich blicke zu Jake, der seinen Blick immer noch auf Ryan hat. Er blickt ihn intensiv an. Ich könnte schwören, dass ich da leichtes rot in seinen Augen sehe. Bilde ich mir das ein?

„Alles gut? Du warst die restliche Fahrt so still. Tut mir leid, wenn die Jungs dich eingeschüchtert haben. Sie sind immer so."
„Alles gut.", antwortete ich.
Er lächelt.
„Also, das ist die Schule.", sagt er dann und zeigt auf ein Riesengebäude. Das Gebäude sieht nicht aus wie eine Schule. Zumindest nicht im Vergleich zu meiner alten.
Vor der Schule sind Unmengen an Schülern. Im Gang ist es eng und laut. Jake führt mich zu einem Büro mit der Aufschrift „Sekretariat".
„Wir sehen uns.", sagt er und lächelt. Ich erwidere sein Lächeln und er verschwindet in der Menge. Er scheint nett zu sein. Aber da ist etwas, dass ich nicht erklären kann. Ein ungutes Gefühl. Vielleicht mein Alarmsystem. Etwas das mir sagt : „Lauf".
Ich klopfe an der Tür und trete dann ein.

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