„Kylie!"
Mia und Liv kommen auf mich zu.
„Du warst gar nicht im Bus heute."
„Ich war heute früher da. Musste noch ein paar Aufgaben machen. Hätte ich gewusst, dass Geschichte entfällt und wir eine Freistunde haben, hätte ich länger schlafen können."
Liv grinst zu Mia und sagt: „Viel Spaß im Unterricht, Einstein"
„Danke", sagt Mia genervt und rollt ihre Augen, „wir sehen uns später."
Während Mia weg geht, schaue ich zu Liv
„Wo warst du gestern?"
„Mir ging es nicht so gut."
Ich schau auf ihr Bein, das an ihrem Knöchel mit Verband umwickelt ist.
„Hast du dich verletzt?"
„Du bist ziemlich neugierig.", lacht sie.
Ich zucke mit den Schultern und lächle.
„Komm mit.", sagt sie und umgreift mein Handgelenk. Sie führt mich aus der Schule, zu einer Wiese. Wir setzen uns unter einen Baum.
Es ist schön hier. Ein paar Blumen blühen und auch wenn das Schulgebäude 50 Meter weit weg ist, ist es entspannend.
„Wieso seid ihr Umgezogen?", unterbricht Liv die Stille.
Innerlich kämpfe ich. Die Wahrheit? Ich weiß nicht. Doch ich denke sie könnte mich verstehen.
„Du musst es nicht sagen, wenn du nicht willst, Kylie."
„Alles gut." Ich kenne sie nicht mal eine Woche. Und trotzdem fühle ich mich verbunden zu ihr und Mia.
„Ich vertraue dir.", sage ich.
„Wovor schreckst du dann zurück?"
„Dass du mir nicht mehr vertraust."
„Tue ich das überhaupt?", lacht sie.
Ich lache auch. Erstaunlich wie unterschiedlich sich die beiden sind. Mia vertraut blind. Liv braucht einen Beweis. Und ich? Ich bin beides. Manchmal blind und manchmal hinterfragend.
„Ich hatte ein paar Schwierigkeiten. Man kann sagen, dass ich nicht freiwillig von meiner alten Schule gegangen bin. Ich bin rausgeschmissen worden."
„Krass, das hätte ich nicht erwartet." Sie schaut mich erstaunt an, „was ist der Grund gewesen?"
„Ich habe zu oft gefehlt und.." Ich schlucke, „ich hatte noch mehr Schwierigkeiten. Ich und meine damaligen ^Freunde^ haben viele Dinge geklaut. Die Schule wollte mich also nicht mehr."
„Freunde", denke ich.. Wir waren eine kleine Gruppe von 5 Personen. Von drei weiß ich nicht einmal mehr wie ich sie kennengelernt habe. Doch ich weiß noch genau wie alles angefangen hat.
„Als wir nach ein paar malen erwischt wurden.. wurde ich geschnappt. Wir hatten ausgemacht das wir alle zusammen sagen das wir schuldig sind. Letztendlich hatte ich die Schuld auf mich genommen. Als einzige. Die anderen hatten mich beschuldigt, sie angestiftet zu haben." Ich schlucke. Jedesmal wenn ich darüber nachdenke könnte ich mich selber schlagen. Wie dumm und naiv ich war.
„Krass", sagt Liv und schaut in den Himmel.
Es ist beruhigend, es ausgesprochen zu haben und auch dass sie keine Fragen stellt.„Irgendwie ist er schon süß.", sagt Mia.
„Wer?", frage ich.
Sie macht eine Andeutung auf Mr. Eneris, der gerade das Klassenzimmer betritt.
„Mr. Eneris??", frage ich schockiert.
Sie nickt und schaut ihn dabei zu wie er seine Tasche auspackt.
„Weißt du was ich wirklich seltsam finde?", fragt Liv Mia.
„Was?"
„Du hast noch von keinem einzigen Jungen geschwärmt, der auf die Schule geht. Und jetzt schwärmst du von einem Lehrer der mindestens doppelt so alt ist wie du? Der könnte dein Vater sein! Schon alleine die Vorstellung wie du ihn Daddy nennst, bringt mich zum übergeben."
Mia blickt uns böse an, als wir beide beginnen lauthals zu lachen.
„Das ist echt schräg Mia", sagt Liv zu ihr
„Du bist schräg.", schnappt sie zurück.
„Ich muss Mia - auch wenn es total seltsam ist - verteidigen. Er sieht gut aus für sein Alter. Aber süß?"
„Ich habe nie gesagt, dass er nicht gut aussieht. Ich meine nur, dass er-"
„Haben Sie keinen Unterricht, Miss Taylor?", unterbricht Mr. Eneris Liv.
Erst jetzt fällt mir auf, dass er die anderen Schüler mit „Sie" anspricht. Doch mich mit „Du". Merkwürdig. Vielleicht weil er alleine mit mir gesprochen hat.
„Doch, ich werde mich sofort dahin begeben", richtet Mia an Mr. Eneris. Sie kommt nochmal ganz näher zu uns und flüstert: „Daddy". Während sie raus geht, brechen ich und Liv in lachen aus. Auch wenn wir gefühlt die Aufmerksamkeit, der halben Klasse haben.
„Möchten Sie den anderen mitteilen, was so lustig ist?"
„Lieber nicht", antwortet Liv auf Mr. Eneris Frage und versucht sich dabei das Lachen zu unterdrücken.
„Okay, dann können wir ja anfangen mit dem Unterricht."Heute muss ich mich beeilen. Ich muss nach Lexa schauen. Was Mom wohl den Tag gestern gemacht hat?
„Kylie", unterbricht Liv flüsternd meine Gedanken.
Ich widme ihr meine Aufmerksamkeit. Sie schaut zu Mr. Eneris, der mich anstarrt. Alle starren mich an. Hat er was gesagt? Hab ich was gesagt?
„Und Kylie?", sagt er ungeduldig.
Oh nein. Er hat mir eine Frage gestellt. Ich werfe einen Blick auf die Tafel. Es steht nichts drauf. Nichts was mir helfen könnte. Ich schaue wieder zu ihm.
„Die Frage war, was deine größte Angst ist." Er zieht eine Augenbraue hoch. Größte Angst? Spinnen und Wasser. Da ich nicht „typisch Frau" hören möchte, sag ich: „Ich habe sowas wie Aquaphobie."
Er schaut mich überrascht an. „Also Angst vor dem Wasser?"
„Ausschließlich tiefes Gewässer"
„Interessant. Weißt du woher das kommt?"
Ich zucke mit den Schultern.
Er richtet sich wieder an die Klasse: „Viele Ängste haben ihre Ursprünge schon sehr früh. Ein Trauma könnte zum Beispiel für Aquaphobie verantwortlich sein. Zum Beispiel, dass man selbst schon mal fast ertrunken ist oder man hat jemanden ertrinken sehen. Andererseits könnte es auch sein, dass man nicht schwimmen kann und sich deshalb schämt und um diese Situation zu vermeiden, vermeidet man tiefes Wasser. Ich gehe nicht davon aus, dass eins dieser Dinge zutrifft, oder?" Er blickt wieder zur mir. Ich nicke. Keines dieser beiden Dinge trifft zu. Aber es stimmt. Woher kommt meine Angst vor tiefen Wasser? Es kann ja nicht einfach so sein. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, es war einfach da. Seit ich denken kann. Seltsam.
„Machen wir weiter." Mr.Eneris redet weiter über Ängste. Wie konnten wir so weit von Mathe abschweifen? Ich sollte besser aufpassen.Als es klingelt stehen alle auf und gehen raus. An der Tür drehe ich mich noch einmal zu Mr. Eneris. Er lächelt mir zu.
„Was ist los?", fragt Liv
„Nichts", sage ich und gehe mit ihr raus. Irgendwas hat Mr. Eneris an sich. Etwas geheimnisvolles.
„Ich habe das Lächeln gesehen", lacht sie, „da hat wohl jemand ein Auge auf dich geworfen."
„Wer hat ein Auge auf dich geworfen", fragt Mia, die zu uns kommt.
„Dein Daddy auf Kylie.", grinst Liv
„Ach man, ich dachte er könnte vielleicht auf Blonde stehen.", sagt sie genervt.
Liv und ich fangen an zu lachen.
„Sag das bitte nie wieder", lacht Liv
„Lass dir nichts einreden. Er ist freundlich zu allen.", sage ich.Als ich aus dem Bus aussteige höre ich eine Stimme hinter mir meinen Namen sagen. Jake. Er steht inzwischen neben mir, als der Bus weiter fährt.
„Wieso hast du dich nicht hinten zu uns gesetzt?"
„Ich saß bei Liv und Mia"
„Ah okay" Er möchte mehr sagen, aber unterdrückt es.
„Was ist los?"
„Nichts, wieso?"
„Ich sehe dir an, dass du etwas sagen möchtest."
„Ich sehe dich zurzeit oft mit den beiden. Seid ihr Freunde."
Ich nicke auf seine Frage.
„Ich möchte die beiden nicht schlecht reden, aber findest du die beiden nicht auch komisch?", zögert er.
Ich lache: „Ja, sie sind seltsam. Aber auch sehr nett. Ich mag sie."
„Vertraue niemanden zu viel, Kylie. Ich will das du aufpasst."
„Kann ich denn dir Vertrauen?"
Er lächelt und streichelt mir über die Wange. Dann sagt er, in einem ersten Tonfall: „Niemanden"
Dann läuft er zur anderen Straßen Seite. Ich blicke ihm noch hinter her, bis er im Haus verschwindet.
„Niemanden". Es ist als wüsste er mehr als er sagt.
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Heartbeat - The other side
FantasyKylie führt ein normales Leben, bis sie eines Tages entdeckt, dass magische Wesen real sind - und sie selbst zu ihnen gehört. Als ihre Schwester plötzlich verschwindet, stürzt Kylie in ein gefährliches Abenteuer, in dem sie alles riskiert, um sie zu...