„Kylie?" , flüstert Mom, als sie vorsichtig die Türe auf macht und Licht vom Flur rein fällt. Ich reagiere nicht. Ich weiß nicht was ich sagen soll, also tue ich so als würde ich schlafen.
Sie setzt sich auf mein Bett neben mich und streichelt mein Haar. Ich lasse meine Augen geschlossen.
„Ich weiß, das alles ist nicht einfach für dich..", sie schluckt schwer, „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du fühlst oder denkst oder wie schwer das alles für dich ist."
Irgendwie möchte ich sie in den Arm nehmen. Doch ich möchte auch hören, was sie sagt.
„Aber du sollst wissen, dass dein Vater und ich dich unglaublich lieben."
-oder liebten.
„Auch wenn er nicht hier sein kann um es dir zu sagen, weiß ich es." Sie streicht leicht über meine Schulter, „Du bist etwas ganz besonderes. Ich sage das nicht, weil das jede Mutter sagt. Nein, ich sage das, weil du es bist. Irgendwann wirst du es herausfinden."
Ein Klischee. Trotzdem frage ich mich was sie genau meint. Ich bin ein normaler Mensch. Es gibt nichts rauszufinden. Ich habe keine Superkraft, noch kenne ich einen Vampir, in den ich mich unsterblich verliebe, geschweige davon habe ich eine reiche Familie, die mir vorenthalten wurde. Obwohl.. das mit der Familie könnte stimmen. Ich kenne niemanden außer Lexa, Mom und Dad. Das einzige, was mir Mom und Dad über meine restliche Familie erzählt haben, ist dass sie weg gehen mussten, weil die Eltern es nicht akzeptiert haben.
„Du wirst irgendwann die ganze Welt entdecken und ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich dir so viel vorenthalte."
Was enthält sie mir vor?
„Ich versuche dich damit zu beschützen. Genauso wie Lexa. Das tut nunmal eine Mutter. Ich liebe dich - unendlich, mein Schatz."
Sie gibt mir einen Kuss auf die Stirn, steht auf und macht vorsichtig die Türe hinter sich zu.
Eine Weile grübel ich noch über ihre Worte, doch ich bin zu müde um mehr darüber nachzudenken..[Obwohl die Sonne scheint, ist es kühl. Ich schweife durch den Wald. Alles ist voller Farbe, sogar der Himmel ist blauer als blau. Ein seltsamer Geruch liegt in der Luft. Irgendwie kommt es mir bekannt vor, jedoch kann ich ihn nicht zuordnen. Ich gehe dem Geruch nach.
Mein Herz bleibt für einen kurzen Moment stehen. Meine Luft steckt mir im Hals fest.
Drei Mädchen liegen regungslos auf dem Boden. Mir wird schlecht, als ich das Blut auf ihnen sehe. Ich gehe davon aus, dass sie noch nicht lange tot sind, wenn sie es überhaupt sind. Auf jeden Fall riechen sie nicht nach Verwesung. Doch woher weiß ich, wie Verwesung riecht?
Es ist das Blut, das inzwischen so gut wie überall ist, das die Duftwolke verteilt. Wer würde so etwas Grausames machen? Es sind doch noch Kinder.
Sie sind alle drei jünger und kleiner als ich. Da bin ich mir sehr sicher. Sie haben braunes schulterlanges Haar. Ihre Kleidung besteht hauptsächlich aus Leder und Tierfell. Merkwürdig. Wer trägt das heute noch so?
In jedem Mädchen steckt ein Pfeil. Mitten im Bauch. Ein Zeichen ist auf allen Pfeilen drauf. Ein Baum. Mir kommt das Zeichen bekannt vor. Obwohl mir schlecht wird, gehe ich zu einem der drei Mädchen und schaue mir den Pfeil genauer an. Der Baum sieht aus wie der Glasbaum. Die gleiche Struktur. Ist es ein Zeichen für etwas? Oder einfach reiner Zufall?
Ich hab den Drang den Pfeil herauszuziehen, um ihn genauer anzuschauen. Ich nehme ihn in die Hand.
„Du schaffst das, Kylie." , sag ich mir selber. Ich möchte nicht hinschauen. Tue es aber trotzdem. Ich kann mein Herz in meiner Hand pochen hören.
Er steckt nicht all zu tief. Mit einem schnellen Ruck ist er draußen.
Ich spüre wie mein Mageninhalt sich nach oben bewegt. Dieses Geräusch, das rausziehen des Pfeiles ist eines der ekelhaftesten Dinge die ich je gehört habe. Ich habe den Pfeil in der Hand und schaue auf das Mädchen. Plötzlich öffnen sich ihre Augen, sie schnappt nach Luft und sie schreit: „SAG JASON BESCHEID!"
Ich falle vor Schreck nach hinten...]Als sich meine Augen öffnen, kann ich nichts sehen. Ich setze mich panisch auf und schnappe nach Luft. Langsam beginnt mein Blick wieder schärfer zu werden. Ich bin in meinem Zimmer, jedoch fällt es mir schwer mich zu beruhigen. Der Wald. Die drei Mädchen. Das viele Blut. Die Pfeile. Es war ein Traum. Nur ein Traum.
Den ganzen Morgen kann ich nur an den Traum denken. An das Mädchen, das plötzlich die Augen geöffnet hat und nach Jason gerufen hat. Wer ist Jason? Meine Mom sagt immer, jeder Traum hat eine Bedeutung. Aber ich kann nicht sagen, was mein Unterbewusstsein sagen möchte. Ich lege meine Bücher in den Spind und hole meine Sporttasche raus.
„Hey Kylie" Mia steht plötzlich neben mir. Ich schrecke kurz auf.
„Was ist los?", fragt sie.
„Nichts, sorry. Du hast mich nur erschreckt."
„Sorry", grinst sie
„Was ist passiert, warum schaust du mich so an?"
„Rate mal", sagt sie aufgeregt.
„Keine Ahnung", zucke ich mit meinen Schultern. Viel raten hätte ich eh nicht müssen. Sie platzt förmlich von der Neuigkeit,
„Ich habe eine Eins von Miss Conner bekommen für das Bild!!" Sie strahlt über das ganze Gesicht. Miss Conner muss dann wohl die Kunstlehrerin sein.
„Das freut mich für dich", sage ich ehrlich und lächle.
„Das ist meine beste Kunstnote bis jetzt. Obwohl. Nein. Ich hatte schon mal eine Eins. Damals dürften wir malen, was wir wollten. Ich wollte unbedingt einen Obstkorb malen, also hab ich das getan. Sie hat da irgendwelche Figuren gesehen, die tanzen und fand es so unglaublich das ich eine eins bekam." Sie juckt mit den Schultern und wir beide beginnen zu lachen.
„Deine Lippe scheint schnell zu verheilen. Man sieht es kaum noch, nur wenn man es näher betrachtet." Sie sagt es , als wäre es merkwürdig, „deine Wunde an der Hand ist auch zur Narbe geworden. Hatte es nicht erst geblutet?" Sie blickt mich neugierig und verwirrt an. Sie kommt näher und schaut sich alles genau an.
„Erstaunlich.", sagt sie dann.
Normalerweise ist es mir unangenehm, wenn mir Menschen zu nahe kommen. Doch bei ihr ist es was anderes. Ich weiß nicht wieso.
„Komm mit, sonst kommen wir noch zu spät zu Sport.", lenkt sie dann ab.
„Wir haben Sport zusammen?", sage ich erleichtert.
„Kommt darauf an, Volleyball oder Tanzen?"
Sie schaut gespannt. Als ob das die Frage wäre, die unser Leben entscheidet.
„Basketball", zögere ich.
„Du hast Basketball gewählt?!" sie schaut erstaunt „ich weiß du magst Basketball aber..."
„Aber was?", frage ich.
„Das wirst du sehen."
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Heartbeat - The other side
FantasíaKylie führt ein normales Leben, bis sie eines Tages entdeckt, dass magische Wesen real sind - und sie selbst zu ihnen gehört. Als ihre Schwester plötzlich verschwindet, stürzt Kylie in ein gefährliches Abenteuer, in dem sie alles riskiert, um sie zu...