Kapitel 19

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"Komm her. Ich säubere deine Wunden." Ich hatte mich inzwischen frisch gemacht und die Sachen von Anna, Nathan's Mutter angezogen. Sie waren etwas zu weit, aber das störte nicht weiter, besser als wenn ich aussah wie eine Presswurst. Da Nathan nicht antwortete lief ich in die Küche. Er trank etwas Wasser aus dem Wasserhahn. Als er mich sah, stellte er das Glas ab. "Fertig?"
"Ja, aber jetzt werde ich erst mal deine ganzen Wunden säubern. Nicht, dass da noch Dreck reinkommt."
Stur wie er war, wehrte er ab. "Dazu ist keine Zeit. Wir müssen hier verschwinden." Er wollte alle Sachen nehmen doch ich hielt ihn zurück. "Vergiss es. So viel Zeit wird uns noch bleiben. Jetzt komm mit ins Bad." Widerwillig folgte er mir dann doch und setzte sich auf den zugeklappten Klodeckel. Ich nahm Pflaster und ein feuchtes Tuch und kniete mich vor ihn.
"Halt still", murmelte ich, da er zurück zuckte nachdem ich ihn an der größten Wunde berührt hatte. Ich war ihm nah. Zu nah, aber keiner von uns beiden ging auf abstand. Meine linke Hand legte ich vorsichtig an sein Kinn. Was mich zu diesem Zeitpunkt geritten hatte, wusste ich nicht. Aber ich ließ meine Finger wo sie waren und machte weiter. Ich konzentrierte mich vollends auf das schon längst angetrocknete Blut an seiner Wange, jedoch konnte ich im Augenwinkel sehen, dass er mein Gesicht genauestens musterte, bis er an meinen Augen hängenblieb.
Plötzlich fühlte sich mein Mund staubtrocken an. Sein Blick war so intensiv, dass ich einfach zurück starren musste. Ich ließ meine rechte Hand mit dem Tuch sinken. Wollte etwas sagen, aber es ging nicht. Es kam kein Wort über meine Lippen. Die Zeit schien still zu stehen. Nichts außer uns beiden existierte mehr. Und das war einer dieser magischen Momente in Filmen, wo sich die Protagonisten ineinander verliebten. Nur dass wir in keinem Film waren und bei uns kein keine Liebe im Spiel war. Dennoch, es knisterte heftig zwischen uns. Es war zum greifen nah.
Würde er mich küssen? Zu gern hätte ich seine weich aussehenden Lippen auf meinen Gespürt. Die mit den meinen spielten und zärtlich geneckt hätten. Wie dann seine Zungenspitze leicht über meine Unterlippe gestrichen wäre um nach Einlass zu bitten. Wenn er es nicht getan hätte, hätte ich es getan.

Innerlich seufzte ich frustriert auf, denn just in diesem Moment meldete sich mein gesunder Menschenverstand zurück. Ich räusperte mich und stand dann von den kalten Fließen auf. "So, das war's. Die Pflaster kannst du dir selbst drauf machen."
Nun schien auch er wieder bei klarem Verstand zu sein. Er mied meinen Blick und nickte. Ich wusste aber genau, dass er das nicht tun würde. Und ich lag vollkommen richtig, denn er stand auf und räumte alles an seinen Platz zurück.
"Jetzt müssen wir aber wirklich hier weg. Die können jeden Moment hier auftauchen und dann möchte ich jedenfalls nicht mehr hier sein." Er schob mich leicht aus dem Raum und löschte das Licht.
Ich nahm unaufgefordert die Essens Sachen und die Kissen und zog meine Doc Martens an. Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns, die keiner unterbrach. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Meine Gedanken kreisten unaufhörlich um die Situation ein paar Minuten zuvor.
"Komm", forderte er mich auf, da er nun alle Sachen hatte. Ich machte das Licht aus und wir gingen raus. Nachdem er wieder abgeschlossen hatte, legte er die Schlüssel an seinen ursprünglichen Platz im Boden zurück.
Nebeneinander, aber mit einem kleinem Abstand liegen wir zum verborgenen Strand.

"Wir legen uns ein bisschen an die Seite. Dort vor die Büsche. Falls die, was ich nicht denke, die Stelle hier finden, werden sie uns nicht sofort sehen." Ohne zu antworten lief ich zu dem Sträuchern und legte alles nieder. Ein paar Minuten später saßen wir dicht beieinander eingekuschelt in die Decken und verputzen die Chips und die Schokolade. Es war schon sehr kalt geworden, dabei war es erst viertel nach elf. Diese Nacht würde ziemlich ungemütlich werden, aber besser als am nächsten Tag tot aufzuwachen.
"Kriege ich mal das Ginger Ale?", fragte ich leise und er reichte es mir wortlos. Diese Anspannung zwischen uns war unerträglich. Unauffällig schielte ich zu ihm rüber, wobei ich das Gefühl hatte, meine Augen fallen gleich raus. Nathan sah nachdenklich auf das Meer. Er war so gut darin, seine Emotionen nicht zu zeigen. Zu gut. Dabei war ich gerade zu ein offenes Buch, das von jemandem vorgelesen wurde.
Ich hielt es irgendwann nicht mehr aus. "Ich bin müde. Ich würde mich gerne hinlegen." Er stand auf und bereitete eine Decke auf dem kühlen Sand aus. Mit der anderen deckten wir uns zu. Wir legten uns Schulter an Schulter hin und starrten in den von funkelten Sternen übersäten Himmel.
Nathan hatte eine Pistole direkt neben seinem Kopf liegen. Die anderen beiden Waffen ebenfalls griffbereit.
"Du wirst heute Nacht nicht schlafen, hab ich recht?"
"Nein."
"Nathan. Du brauchst auch etwas Schlaf."
"Schlaf wird überbewertet." Seufzend drehte ich meinen Kopf und sah um dunkeln sein Profil. Er rührte sich nicht.
"Bitte. Du musst auch ein bisschen schlafen. Sonst bist du morgen total müde und so ist keinem von uns geholfen."
"Ich muss vorbereitet sein, falls die heute Nacht doch kommen und uns finden." Er klang so distanziert, was mir einen kleinen Stich versetzte. Warum wehrte er nun komplett ab? Ich hatte doch nichts getan.
"Wenn du willst bleibe ich in der Zeit wach."
"Und dann? Willst du die abknallen?", fragte er leicht spöttisch.
"Vergiss es einfach. Dann bleib halt wach." Genervt drehte ich mich auf die andere Seite. Weg von ihm. Ich probierte zu schlafen, doch es gelang mir nicht. Dabei war das flüstern des Meeres und das leise Atmen von Nathan sehr beruhigend.
Irgendwann schaffte ich es doch noch weg zu dämmern trotz der Kälte und der vielen Gedanken.

Lang dauerte es nicht, bis ich wieder wach wurde. Ich fror tierisch. Anna's Strickjacke war nicht besonders dick, genauso wenig wie die Decke. Ich öffnete meine Augen und starrte direkt in die von Nathan. Er lag auf der Seite hatte seinen Kopf mit dem einen Arm abgestützt. Obwohl ich in hm quasi beim beobachten erwischt hatte, wendete er seinen Blick nicht ab. Wieder sah er mich so intensiv an, dass ich eine Gänsehaut bekam. Aber diesmal war da noch etwas anderes. Und zwar pures Verlangen.
Es war dunkel, aber sein Fenster zur Seele leuchtete und ließ alles erstrahlen.
Seine Augen fuhren immer wieder zwischen den meinen und meinen Mund hin und her. Das machte mich noch kribbliger. Ich zitterte leicht.
Ich wollte endlich seine Lippen spüren. Auch wenn ich es später bereuen würde. Es war mir egal. So egal, dass ich ohne nachzudenken meinen Kopf anhob und die paar Zentimeter, die zwischen uns lagen, zu schließen.

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Hey Leute,
Erst mal vielen lieben Dank für die ganzen Reads, Votes und comments. <3
Was sagt ihr zu dem Kapitel? Und wie findet ihr, wie sich die Situation zwischen Kaici und Nathan entwickelt?
Ich hoffe es gefällt euch :D

Ach und wisst ihr überhaupt, wie man Kaici ausspricht? XD

Wünsche euch ein schönes Wochenende! :)

Laura xx

My Personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt