Kapitel 3

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Ding Dong, hörte ich die Klingel im inneren des kleinen Hauses schallen. Nervös fuhr ich mir durch die Haare und tippte wieder auf meinem Oberschenkel rum. Dann konnte ich näher kommende Schritte Vernehmen und die Tür wurde geöffnet.
Ein Mann um die fünfzig mit leicht ergrautem Haar stand vor mir und sah freundlich zu mir runter. "Guten Tag! Kann ich Ihnen helfen?"
"Ähm.. Nein, also ja, doch. Irgendwie-", stotterte ich drauf los.
"Kaici?", unterbrach er mich und kam einen Schritt näher.
"Ja. Du erinnerst dich an mich?"
"Natürlich erinnere ich mich an die Tochter meines besten Freundes." Lächelnd kam er näher und umarmte mich vorsichtig. "Was machst du denn hier? Ich dachte, du lebst an der Ostküste bei deiner Pflegefamilie." Es bildete sich eine tiefe Falte zwischen seinen Augenbrauen, die er damals schon hatte, wenn er verwirrt war.
"Wer hat denn so einen Schwachsinn erzählt? Ich wohne keine Stunde von hier entfernt."
"Eine recht kleine Frau mit kurzen Haaren und einer etwas zu großen Nase kam einige Wochen nach dem Tod deines Vaters zu mir und meinte, sie wäre vom Jugendamt. Sie hat mir erzählt, dass sich eine Familie gefunden hätte, die dich aufnehmen möchte, diese wohne allerdings in der Nähe von New York."
Zähne knirschend kniff ich die Augen zusammen. "Hatte diese Frau eine Narbe am Kinn?"
"Ja, ungefähr zwei Zentimeter lang." John hatte schon immer ein gutes Gedächtnis und merkte sich alle möglichen Kleinigkeiten. Nicht gerade schlecht, wenn man beim FBI arbeitete.
Eine Welle des Zornes überkam mich, und am liebsten hätte ich eine Reihe von Wörtern ausgespuckt, die man eigentlich nicht sagen sollte. "Das war Kristen. Meine Pflegemutter. Ein Miststück durch und durch."

"Wie wär's, wenn du erstmal reinkommst und mir erzählst, was dich hierher führt." Er ließ mich rein und wir gingen in die Küche. "Willst du was trinken?" Dankend nahm ich eine Cola an und setzte mich ihm gegenüber an den Küchentisch.
"Dann erzähl mal. Irgendwas hast du doch auf dem Herzen."

Und somit erzählte ich ihm alles. Er ließ mich ausreden, ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen.
"Ich brauche deine Hilfe, John. Bitte. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Die- die legen mich um, wenn sie mich kriegen. Ich kann nicht zurück, da finden die mich sofort. Aber ich hab keine Unterkunft, keinen Job und kein Geld mehr. Bitte, hilf mir. Ich hab Angst." Einen kleines Schluchzen entfuhr mir. Beruhigend nahm John meine Hand in seine und Strich drüber.
"Beruhig dich, alles wird gut. Du kannst erst mal hier bleiben. Ich passe auf dich auf. Und wenn ich mal nicht da bin, ist Nathaniel da, mein Sohn. Du erinnerst dich vielleicht noch an ihm. Ihr habt früher immer zusammen gespielt."
Ein kleines Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht. "Er geht zum FBI. Seine Ausbildung ist zwar noch nicht ganz fertig, aber seine Prüfung ist in wenigen Wochen. Du bist in guten Händen. Wir beschützen dich und ich werde dafür sorgen, dass die gefasst werden. Ich bin zwar schon im Ruhestand, wegen einer Verletzung, aber ich hab noch gute Kontakte beim FBI."

"Danke, aber ich will euch nicht zur Last fallen, wenn ich hier wohne."
"Das wirst du nicht. Ich würde fast alles für dich tun, du bist eine White." Grinsend stand er auf und ging zum Gefrierfach. Zurück kam er mit einer großen Box Schokoladeneis und einem Löffel. "Hier. Iss davon, dann geht's dir gleich besser und alles ist vergessen. Danach zeig ich dir alles und wir sehen weiter, okay?"
Lächelnd nahm ich den Löffel entgegen und schaufelte mir einen großen davon hinein. Eis half immer.

Eine halbe Stunde später führte John mich durch das Haus. Es war nicht besonders groß, aber sehr gemütlich.
"Wir haben leider kein Gästezimmer. Nur eine ausklappbare Couch und das Zimmer von Nathan. Ich werde ihm sagen, wenn er nachher kommt, dass du sein Zimmer kriegst. Er kann dann mal im Wohnzimmer schlafen."
"Was? Nein, nein. Ich schlafe auf dem Sofa. Er soll nicht wegen mir sein Zimmer aufgeben." Er legte seine Hände auf meine Schultern. "Du schläfst in seinem Bett und er auf der Couch. Mein Sohn ist nicht aus Zucker, dem wird das nichts ausmachen." Zwinkernd zog er mich leicht in ein mittelgroßes Zimmer, welches direkt neben dem Bad im oberen Stockwerk lag. Viele Möbel waren nicht drin, nur ein riesiges Bett, welches in der Mitte stand, ein kleiner Schrank und ein Schreibtisch. Die Wände waren weiss gehalten. Nur eine Seite war grau gestrichen. Wäre es nicht so unordentlich gewesen, hätte man denken können, es wäre aus Ausstellungsschlafzimmer. Es war kalt, keine Bilder waren zu sehen. Nichts, was irgendwas persönliches aussagt.

"Entschuldige die Unordnung. Nathan wird nachher noch aufräumen." Er stellte meine Tasche neben das Bett auf den Boden. "Ich muss nochmal Weg. Ich werde zum FBI fahren und nach einem Agent Fragen, der den Fall übernimmt. Auf dem Rückweg kaufe ich noch ein. Willst du irgendwas bestimmtes? Außer Schokoladeneis?"
"Nein, danke", lächelte ich.
"Okay, Nathaniel kommt wahrscheinlich erst so gegen Abend. Bis dahin bin ich aber wieder da."
"Ist gut. Kann ich vielleicht mal duschen gehen? Ich fühl mich irgendwie so dreckig." Er zeigte mir die Dusche und verabschiedete sich dann.

Endlich stand ich unter der Dusche und ließ das heiße Wasser auf meinen Rücken prasseln. Ich war total verspannt durch die ganze Aufregung des letzten Tages, und die Wärme Tat tut. Deshalb stand ich bestimmt eine halbe Stunde unter dem heißen nass. Danach ging es mir um einiges besser. Ich wickelte mich in ein Handtuch und lief dann über den Flur Richtung Nathan's Zimmer, wo meine Klamotten lagen.
Gerade, als ich die Tür öffnen wollte, wurde sie auf gemacht und jemand rannte mich um. Ich lag auf dem Boden und jemand auf mir drauf. Erst reagierte ich gar nicht richtig, starrte nur in die unglaublichsten braunen Augen, die ich jemals gesehen hatte.
"Wer zur Hölle bist du?" Seine raue Stimme ließ mich zusammen zucken.
"Könntest du vielleicht von mir runter gehen, du wiegst ja eine halbe Tonne", ächzte ich. Das war etwas übertrieben, denn er stützte sich außen auf dem Boden etwas ab. Aber seine Nähe ließ mich nicht so klar denken, wie ich wollte.
Er rappelte sich auf und musterte mich. Als sein Blick über meinen Körper glitt, grinste er dreckig.
Verwirrt sah ich nach unten und erschrak. Mein Handtuch hatte sich gelöst und gab etwas zu viel meiner nackten Haut Preis. Schnell bedeckte ich meine geheimen Körperteile wieder und stand mit hochrotem Kopf auf. "Das war unhöflich", murrte ich.
"Wer ist denn in mich gerannt?" Er grinste immer noch. Er hatte genau das gleiche Lächeln wie früher. Es hatte mich damals schon in den Wahnsinn getrieben, nur nicht unbedingt im positiven Sinne. Jetzt wusste ich wieder, warum.

"Das war deine Schuld, Nathan", motzte ich rum und zog das Handtuch enger um meinen Körper.
"Kennen wir uns? Was machst du nackt in unserem Haus?" Beim letzten Satz grinste er wieder, wobei sich Grübchen auf seinen Wangen bildeten.
"Ich wohne die nächsten Tage hier. John hat mir dein Zimmer gegeben. Du musst auf der Couch im Wohnzimmer schlafen. So, ich würde mir gerne etwas anziehen, wenn du mich bitte entschuldigen würdest." Damit trat ich an ihm vorbei in sein Zimmer und schloss die Tür ab, ohne nur auf eine Antwort zu warten. Er klopfte noch ein paar mal, aber ich ignorierte dies. Schnell zog ich mir Unterwäsche, eine Jeans und ein etwas zu großes Bullet For My Valentine T-Shirt an. Danach ging ich runter in die Küche, wo Nathaniel stand und sich gerade eine Fertigpizza in den Ofen schob.

"Sagst du mir jetzt auch deinen Namen?", fragte er ohne sich umzudrehen.
"Kaici." Erwartungsvoll sah er mich nun doch an. "Weiter?"
"White. Kaici White." Dann fiel bei ihm der Groschen. "Ach, ja ich erinnere mich an dich. Wir haben früher immer verstecken gespielt."
"Ja, du hast mich aber nie gefunden."
"Stimmt", grinsend fuhr er sich durch seine hellbraunen verwuschelten Haare. "Du warst gut darin, wegzulaufen."
"Ich hatte auch allen Grund dazu."
Er tat, als träfe ihn das tief und fasste sich theatralisch ans Herz. "Was soll das denn heißen?"
"Das weißt du ganz genau!" Kaum zu glauben, dass er sich nicht mal dafür entschuldigte, was er früher immer getan hatte. Er war daran Schuld, dass ich eine panische Angst vor Spinnen hatte.
"Ach komm", lachte er. "Das war doch witzig."
"Für dich vielleicht", maulte ich ihn an. "Seitdem hab ich eine totale Angst vor Spinnen und ähnlichen Krabbelviechern. Allein schon beim Gedanken daran, läuft mir ein Schauer über den Rücken." Ich konnte mich noch genauestens daran erinnern, wie er mir als wir mal Zelten gegangen waren, eine große Spinne, Ameisen und Käfer in meinen Schlafsack gepackt hatte. Das hatte ich nur etwas zu spät bemerkt und hatte alles zusammen geschrien, als die Viecher über mich krabbelten.
Lachend holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete die Flasche mit einer anderen.
"Warum bist du überhaupt hier?", wechselte er das Thema. Seufzend ließ ich mich auf dem Stuhl nieder und stützte meinen Kopf in die Hände. Ich hatte jetzt echt keine Lust darüber zu reden.
"Erzählen ich oder John dir später. Ich bin müde und leg mich ein bisschen hin." Schon stand ich wieder auf und lief nach oben. Dort schmiss ich mich aufs Bett und kuschelte mich in die Decke. Die Matratze war wirklich bequem und es duftete alles so gut nach Nathan. Ich konnte ihn zwar nicht ausstehen, aber er roch gut. Nach Seife und wie, wenn es über Nacht geregnet hat und man dann früh morgens das Fenster aufmacht und alles so frisch duftet.

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