Kapitel 27

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Wach wurde ich am nächsten Morgen recht früh. Obwohl es erst halb acht war, saß Palmer schon am Tisch und tippte wieder in seinen Laptop. Seine Clock lag neben ihm. Immer griffbereit.
"Morgen", murmelte ich und setzte mich aufrecht hin, meine Haare waren ein einziges Durcheinander. Kein Wunder, ich hatte mich auch die ganze Nacht von der einen auf die andere Seite gedreht. Gähnend strich ich eine Strähne hinter das Ohr, um überhaupt etwas richtig sehen zu können.
Der muskulöse Mann unterbrach seine Arbeit, hob den Kopf und lächelte leicht. "Guten Morgen. Wie hast du geschlafen?"
Ich schüttelte den Kopf. "Alles andere als gut."
Er zog nur eine Grimasse und deutete auf eine kleine Box von Dunkin' Donuts und zwei Becher vor ihm. "Ein Cop war vorhin da und hat Kaffee und Donuts gebracht. Ich hoffe, das ist okay."
"Sicher, ich hab zwar keinen Hunger, aber den Kaffee nehme ich." Mühsam stand ich vom Bett auf, lief zum Tisch und setzte mich auf den noch freien Stuhl.
"Der Linke ist für dich", meinte er. "Der ist schwarz. John meinte, du trinkst den so gerne." Nickend nahm ich den noch heißen Becher in die Hand und nippte dran. Er schmeckte definitiv besser als der Kaffee im Krankenhaus.
"Hast du schon was von John gehört?", fragte ich nach einer weile des Schweigens. Ich wollte ihn nicht sofort überfallen, es war ja immerhin noch früh am Morgen, aber länger hielt ich es nicht mehr aus.
Zu meiner Enttäuschung schüttelte er den Kopf. "Noch nicht. Aber er hat mir gestern Abend geschrieben, dass wir ab halb zehn kommen können, auch wenn er sich noch nicht gemeldet hat. Ich schlage also vor, dass du duschen gehst und dich fertig machst. Danach können wir noch eine Kleinigkeit essen gehen. Ich hab diese ewigen Donuts nämlich echt satt."
Nachdem ich das heiße Gebräu ausgetrunken hatte, schnappte ich mir neue Unterwäsche, wieder die schwarze Jeans und ein dunkelgraues Led Zeppelin Top.

Als ich mir das nicht schlecht riechende Männershampoo von Palmer in die Haare schmierte, zwang ich mich, ruhig zu bleiben. In weniger als zwei Stunden wüsste ich Bescheid. Alles würde gut werden, redete ich mir immer wieder ein. Aber so richtig glauben tat ich das dann doch nicht.
Nach zehn Minuten stellte ich das lauwarme Wasser ab und wickelte mich in ein großes flauschiges Handtuch. Ich trocknete mich ab, zog mir die Klamotten an und betrachtete mich wenn auch etwas widerwillig im Spiegel. Der Anblick meiner tiefen Augenringe und geröteten Augen erschrak, überraschte mich aber nicht. Es war vorauszusehen, dass ich so aussehen würde. Wer würde das auch nicht nach so viel Heulerei, Aufregung und Schlaflosigkeit?
Da ich leider keine Schminke hatte, musste ich so unter die Leute gehen. Aber ehrlich gesagt war mir das zu diesem Zeitpunkt total egal.
Ich putzte noch schnell Zähne und gesellte mich anschließend wieder zu dem Agent, der gerade telefonierte. Er wirkte neutral. Ohne jegliche Emotionen, die sein Gesicht zierten, unterhielt er sich.
Nachdem er mich erblickte beendete er das Gespräch und steckte sein Handy in seine Hosentasche.
Gerade als ich nachfragen wollte, kam er zu Wort.

"Das war mein Boss." Ich nickte. Meine Enttäuschung war nicht zu verbergen. So sehr hatte ich auf die erlösende Nachricht gehofft.
"Können wir dann los?", fragte ich und straffte meine Schultern. Ich wollte stark sein. Nicht die ganze Zeit weinen und Angst haben. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, wenn der Mann den man liebt vielleicht tot ist. Und das tat ich. Ich liebte Nathan von ganzem Herzen.
Diese Situation würde mich nicht so fertig machen, wenn ich es nicht täte.
Aber obwohl immer gesagt wird, verliebt sein, sei etwas schönes, empfand ich in dem Moment nicht so. Es war eine Qual und zerriss mich innerlich.

Wir setzten uns in einen kleinen Diner Nähe des Motels. Es war recht leer, machte aber einen gemütlichen Eindruck. Eine zierliche, recht junge Kellnerin kam zu uns. Palmer bestellte sich Bacon und schlang es in wenigen Minuten runter, während ich meine Pancakes kaum anrührte. Es war ruhig, man hörte nur das leise murmeln der anderen Gäste oder ein Teller klappern aus der Küche.

"Hast du schon mal jemanden umgebracht?", durchbrach ich die Stille zwischen uns. Er hielt mit seiner beladenen Gabel kurz vor dem Mund inne, sah mich überrascht an und legte sie zurück auf seinen Teller.
"Ja."
"Mehr als einen?" Er nickte. 
Jetzt wollte ich es genau wissen und fragte, wie viele es schon waren.
"Fünf. Der erste war der schlimmste. Inzwischen beschäftigt es mich aber nicht mehr so. Es gehört eben zu meinem Job."
"Erzählst du mir davon?" Erst dachte ich, er würde nicht antworten, aber nach einigen Minuten fing er an.
"Ich war gerade seit drei Monaten fest beim FBI. Also noch ein Frischling. Die Arbeit machte mir von Anfang an Spaß und ich konnte es kaum erwarten endlich im Außendienst eingesetzt zu werden. Mein Boss ließ mich jedoch zunächst nur im Büro irgendwelchen Papierkram erledigen, worüber ich nicht so begeistert war. Aber er war der Meinung, ich wäre noch nicht soweit. Ich respektierteres, bis ich irgendwann keine Lust mehr hatte nur die lästige Arbeit für ihn zu erledigen. Ich verlangte nach einer Chance zu beweisen, dass ich schon bereit war mich den gefährlichen Sachen zu stellen. Nach anfänglicher Skepsis willigte er ein und meinte, ich dürfe bei dem nächsten Fall mitkommen. Als es dann soweit war, war ich doch ziemlich nervös." Palmer lehnte sich an die Rückenlehne und verschränkte die Arme vor der Brust. "Es ging um die Entführung eines kleinen Mädchen. Sie war erst seit zwei Wochen in der Schule und wurde auf dem Nachhauseweg in einen schwarzen Minivan gezogen. Ein altes Ehepaar hatte es beobachtet, und konnte uns einen Teil des Nummernschildes verraten, was uns sehr geholfen hat. Nach sechs Stunden meldeten sich dann die Entführer und verlangten zehn Millionen Dollar in bar. Nach einer Stunde sollte die Übergabe stattfinden, allerdings ist es nicht leicht so eine große Summe in so geringer Zeit aufzutreiben. Deshalb mussten wir Zeit schinden und gleichzeitig das Mädchen aufspüren. Glücklicheres schafften wir das auch recht schnell. Sie wurde in einer Lagerhalle gefangen gehalten, die wir stürmten. Die zwei Männer rechneten nicht damit, dass wir sie finden würden und waren daher mehr als überrascht, als wir von allen Seiten einmarschierten. Einer von beiden griff dann allerdings schnell nach einer Waffe und wollte das gefesselte Kind erschießen. Mein Herz raste wie verrückt und ohne nachzudenken drückte ich ab. Meine Kollegen ebenfalls, aber meine Kugel war es letztendlich, die ihn tötete." Man merkte ihm seine Verspannung sichtlich an. Es war wohl kein Thema, über das er gerne sprach.
"Sein Komplize kam in den Knast und das Mädchen war glücklicherweise wohl auf. Ich hatte sie gerettet, schlecht fühlte ich mich aber trotzdem. Schließlich hatte ich jemandem das Leben genommen. Es beschäftigte mich noch einige Wochen, bis mein Boss meinte, der erste sei der schlimmste und es noch häufiger vorkommen würde, dass ich jemanden erschoss. Er versuchte mir klar zu machen, dass es dazugehörte. Immerhin wäre die kleine Emma jetzt tot, hätte ich nicht geschossen. Irgendwann fand ich mich damit ab, und inzwischen ist es schon fast normal geworden. Klar, jemanden umzubringen ist keine gute Tat, aber wie ich schon sagte, es gehört zu meinem Beruf. Irgendjemand muss es tun. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich auch keinen anderen Job machen wollen. Die erleichterten und glücklichen Gesichter der Eltern des Mädchens haben mir dann vor Augen geführt, dass es richtig war." Mein gegenüber trank einen Schluck seines Wassers und stellte das Glas wieder ab.
"Es beschäftigt dich sehr, hab ich recht?" Und wie er recht hatte. Es war so viel passiert, dass es schwer war einen klaren Gedanken zu fassen, dennoch ließ mich das nicht los.
"Ja. Ich komme damit nicht zurecht. Klar, Nathan und ich wären jetzt tot, hätte ich nicht geschossen." Ich schluckte. "Vielleicht ist er bereits tot, aber ich hab mich nur gewehrt. Trotzdem ist der Gedanke, einer Person, die höchstwahrscheinlich Familie hatte, das Leben genommen zu haben, unerträglich. Das lässt sich nicht einfach so vergessen." Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und schnürte mir die Kehle zu.
"Ich verstehe, was du meinst. Die einen kommen damit besser klar, als die anderen, aber einfach ist es nie. Ich glaube, es wäre gut, wenn du zu einem Therapeuten gehst. Der kann dir viellicht helfen." Er hatte recht. Ich musste mir Hilfe suchen. Alleine würde ich das nicht bewältigen können.

Nachdem wir oder eher Agent Palmer noch aufaßen, bezahlte er und wir verließen das Diner. Im Auto war es total warm, weshalb ich das Fenster etwas runter ließ. Wahrscheinlich schwitze ich aber auch nur vor Nervosität und Angst. Ich fragte ihn, ob John sich inzwischen gemeldet hatte, worauf er nur den Kopf schüttelte.
Die Fahrt zum Krankenhaus kam mir endlos vor. Immer wieder bemerkte ich den Blick von Palmer auf mir, da ich nicht still sitzen konnte und als hin und her zappelte. Nach der langen Fahrt, die eigentlich nur fünfzehn Minuten dauerte, hielten wir auf dem Parkplatz und stiegen aus.

Im zügigen Tempo liefen wir zu Intensivstation und fanden John auch sofort auf einem der Stühle im Gang sitzen. Als er uns sah sprang er auf und kam auf uns zu. In seinem Gesicht spiegelten sich keine Emotionen. Das machte mir Angst. Wenn Nathan noch am Leben wäre, müsste er dann nicht lächeln?
Meine feuchten Hände wischte ich an der Jeans ab und wartete gespannt auf die gute oder schlechte Nachricht.

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Hey Leute,

Wow ich hab es endlich geschafft zu updaten. Ich hatte null Ideen in der letzen Zeit, bis eben. Ich hab am Stück durchgeschrieben ohne es nochmal Korrektur zu lesen und hoffe das Ergebnis ist einigermaßen akzeptabel. Ein kleines Feedback darüber wäre nett :D

Naja, ich hoffe ihr hattet eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich weiß das kommt etwas spät, aber wie sagt man so schön? Besser spät als nie. XD

Liegt bei euch Schnee? Bei uns hat es heute ziemlich stark geschneit unser jetzt ist alles weiß. Ich liebe das total, nur dass dann immer die Busse und Bahnen zu spät kommen ist scheiße. :D

Euch noch ein schönes Wochenende. :)

Laura xx

My Personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt