Kapitel 18

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Ich war nie eine Person gewesen, die risikofreudig oder mutig war. Ich tat eigentlich immer nur Sachen, bei denen ich wusste, es war sicher. Zudem war ich ein wirklicher Angsthase. Und leicht paranoid. Und das nur, weil ich mal einen Horrorfilm gesehen hatte. Seitdem guckte ich jedem Abend in meinen Schrank und unter meinem Bett, ob da nicht irgendeine Kreatur lauerte, die mich im Schlaf kaltblütig ermorden wollte.
Dad war immer der Mutige von uns gewesen. Was ja auch irgendwie klar war, denn sein Job erforderte das auch. Aber jetzt war ich dran. Ich musste die mutige sein. Und das war nicht einfach. Nathan und ich waren getrennt. Ich hatte niemanden, der mir helfen konnte. John konnte ich nicht kontaktieren. Genauso wenig wie die Agents vom FBI.
Der Weg zu dem Ferienhaus der Browns war nicht allzu lang, aber da ich dreimal Umstieg, verlängerte sich das ganze etwas. Die Züge waren meist recht leer. Ob ich deshalb etwas beruhigt war oder nicht, konnte ich nicht sagen. Ich hab mich jedenfalls die ganze Zeit beobachtet gefühlt. Mit der 45er, die ich in meinen Gürtel unter dem weitem schwarzen T-Shirt festgesteckt hatte, fühlte ich mich zwar etwas sicherer, aber Angst hatte ich trotzdem zu genüge.
Es war inzwischen viertel nach neun. In einer Dreiviertelstunde würde ich hoffentlich Nathan wieder sehen. Ich hatte solche Angst um ihn, sodass ich die ganze Zugfahrt nur an ihn habe denken müssen. Die Schüsse, die fielen. Die Schreie. Immer wieder spielte sich die Szene in meinem Kopf ab, dabei hatte ich die Auseinandersetzung am Bahnhof gar nicht gesehen.

Als ich um halb zehn endlich an der Endhaltestelle Ausstieg, machte ich einen kleinen Abstecher in eine Tankstelle, gegenüber des Bahnhofes. Mein Magen hatte unaufhörlich geknurrt.
"Das macht dann vier Dollar fünfzig", grinste der Junge Kerl an der Kasse und musterte mich von oben bis unten, wobei sein Blick etwas länger als nötig auf meinen Brüsten hängen blieb. Mit seinen riesigen Segelohren erinnerte er mich ein bisschen an Dumbo, den fliegenden Elefant.
Ich knallte ihm fünf Doller aus den Tresen, nahm meine Schokoriegel und lief zur Tür. "Pass auf, dass du nicht wegfliegst", rief ich ihm noch im weggehen zu. Verwirrt sah er mir nach, doch bevor er etwas erwidern konnte, verschwand ich nach draußen.
Genüsslich biss ich endlich in mein Twix. Nichts ging über Keks mit Karamell, überzogen mit Schokolade.
Lange blieb ich aber nicht stehen, um meinen Hunger zu stillen. Ich musste schließlich noch das Haus finden. Nathan hatte es mir noch kurz beschrieben, was hoffentlich ausreichte.
Der Stand war lang, was hieß, ich musste mich auf einen recht langen Weg zu Fuß gefasst machen. Und dann musste ich noch den Pfad finden, um zum Strand zu gelangen, wo Nathaniel und ich uns in schon zwanzig Minuten treffen wollten.
Ich war schnell am Strand angekommen und entschied mich nach kurzer Überlegung nach Norden zu gehen.
Es war schon dunkel, was das ganze nicht einfacher machte. Und da ich niemandem um diese Uhrzeit begegnete, konnte ich auch niemanden fragen. Das war doch zum verrückt werden. Ich wollte einfach nur noch in mein, oder eher gesagt Nathan's Bett und schlafen. Mich in die Weichen Laken kuscheln, die so schön nach ihm rochen, und alles vergessen.

Ich war kurz davor aufzugeben, doch dann sah ich es. Nicht sonderlich groß, aber die Terrasse war dafür umso größer. Es standen einige Grünen Pflanzen am Rand und eine große Couch speziell für draußen zeigte direkt auf das Meer. Es sah genauso aus, wie Nathan es beschrieben hatte. Also konnte der schwer zu findende Strand nicht weit entfernt sein. Ich lief erst noch ein Stück weiter nach Norden, verließ dann den Strand. Und tatsächlich, die Gegend kam mir bekannt vor. Hier war ich mit Nathan lang gelaufen, als er mich hierhergebracht hatte. Ohne groß nachzudenken folgte ich dem Weg und kam kurze Zeit und ein paar Kratzern von den vielen Ästen, die im Pfad Kreuz und quer hingen später wirklich an dem kleinem Strand an. Selbst im dunkeln war es dort wunderschön. Entfernte Lichter beleuchteten das Meer etwas. Und der Mond spiegelte sich im klaren Wasser wieder. Das wäre eigentlich der perfekte Ort für ein romantisches Date mit... Nathan. Er war nicht dort. Dabei war es schon fünf nach zehn. Durch das schwache Licht konnte ich nur schwache Umrisse von den Zeigern auf meiner Uhr erkennen. Aber es war ohne Zweifel nach Zehn. Er hätte längst da sein müssen.
Verzweifelt ließ ich mich in den kühlen Sand fallen. Er musste kommen. Ohne ihn konnte ich es nicht schaffen. Auch, wenn er mich nicht so gut leiden konnte, er hatte alles getan, um mich zu beschützen. Ich konnte gar nicht in Wort fassen, wie dankbar ich ihm deshalb war. All das hatte ich ihm noch nicht gesagt. Vielleicht war ich zu stolz gewesen, oder hatte es mich einfach nicht getraut. Aber jetzt, jetzt war alles was ich wollte, ihn in die Arme zu schließen und meine von Herzen kommende Dankbarkeit auszudrücken.
Ich fuhr mir durch meine zerzausten Haare und schluchzte leise auf.

Plötzlich hörte ich ein leichtes knacken hinter mir und erschrocken fuhr ich auf.
"Kaici." Als ich seine raue Stimme hörte, erwärmte sich mein Herz und erleichtert lief ich auf ihn zu, nur um ihm direkt in die Arme zu fallen. Fest drückte ich mich an seine muskulöse Brust und er schlang seine Arme um mich. Ich konnte seinen Herzschlag hören und fühlen. "Ich dachte, du kommst nicht mehr", schluchzte ich leise. Er stützte sein Kinn auf meinen Kopf und strich sanft über meinen Rücken. "Ich habe dir doch gesagt, dass ich hier sein werde. Ich halte immer meine Versprechen." Wenn möglich presste ich mich noch fester an ihn. Ich wollte ihn nie wieder los lassen. Für immer diese Sicherheit spüren, die ich fühlte, wenn er bei mir war.
"Danke", flüsterte ich. Er erwiderte nichts, gab mir stattdessen einen Kuss auf die Stirn und löste sich dann von mir.
"Warte hier. Heute Nacht schlafen wir hier am Strand. Das ist erst mal am sichersten. Ich hole aus unserem Ferienhaus Decken, Kissen und etwas zu essen. Wir müssten noch ein paar Kekse in der Vorratskammer haben." Er wollte sich abwenden, aber ich hielt ihn auf. "Ich komme mit. Ich will hier nicht alleine sein." Er zögerte, nickte dann aber und ergriff meine Hand.

Am Ferienhaus angekommen, holte er unter einem kaputten Holzbrett des Bodens den Ersatzschlüssel hervor. Im hellen Licht fielen mir jetzt erst die Wunden im Gesicht und Kratzer an den Armen auf. Ich sagte dazu aber nichts.
"Ich hole Decken und Kissen. Du suchst nach ein paar noch haltbaren Lebensmitteln. Aus der Kammer dort." Er zeigte auf eine Tür direkt neben der kleinen Küche. Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand er im anderen Teil des Häuschens. Die Küche grenzte an ein offenes Wohnzimmer, das direkt zur Terrasse zeigte. Alles sah gemütlich aus, aber man sah, dass lange niemand mehr hier war.
In dem kleinem Raum fand ich nach kurzem suchen eine Dose Pringles, eine Tafel Nussschokolade und eine große Flasche Ginger Ale. Zufrieden mit meinem Fund nahm ich alles und legte es auf die Küchenablage.
Kurz darauf kam Nathan mit ein paar Decken und Kissen wieder. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt ein schwarzes enges T-Shirt und eine dicke Strickjacke. Seine Wunden hatte er aber nicht gereinigt.
"Es ist recht frisch draußen, aber hier im Haus können wir nicht bleiben. Sobald sie wissen, wer ich bin, suchen sie Orte, an denen wir sein könnten. Am Strand werden sie wahrscheinlich zuletzt suchen. Vor allem, da er so schwer zu finden ist, wenn man nicht weiß, wo er ist. Morgen bringe ich dich hier weg. Aber du brauchst Schlaf, denn du siehst echt scheiße aus."
"Wow, danke." Gespielt beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust.
Meinen Kommentar ignorierend übergab er mir das Bettzeug und ging zu einem Landschaftsbild, welches im Flur hing. Er nahm es ab und zuvor kam eine Art Safe. Er tippte irgendeine Zahlenkombination ein und zuvor kamen die verschiedensten Waffen. Obwohl Nathan wirklich heiß aussah mit so einem großen Ding, schüchterten sie mich doch auch ziemlich ein. Immerhin wurde ich damit schon beschossen.
"Hast du die 45er noch?" Er nahm ein Messer, zwei Pistolen und eine Maschinenpistole mit reichlich Munition heraus.
"Ja."
"Behalt sie. Hab sie am besten immer griffbereit. Man weiß nie. Du bist vielleicht nicht sonderlich gut oder erfahren im Umgang mit Schusswaffen, aber das weiß ja niemand." Zu guter letzt beförderte er noch einen schwarzen Rucksack zu Tage, in dem er alles hinein tat.
"Ich habe noch ein paar Sachen von meiner Mum im Schrank von Dad gefunden. Die müssten dir passen. Sie war ungefähr genauso groß wie du. Geh dich im Bad kurz frisch machen und zieh dich um. Eine Zahnbürste sowie Handtücher und ihre Klamotten liegen auf dem Badezimmer Schrank." Von seiner Mum wusste ich nicht viel. Ich hatte sie früher kennengelernt, denn sie war auch sehr gut mit meinem Vater befreundet gewesen. Aber da sie jetzt nicht da war und auch niemand über die redete, musste irgendwas schlimmes passiert sein, sodass ich auch nicht nachfragen wollte. Wenn Nathan bereit wäre darüber zu reden, würde er es tun. Solange ging es mich nichts an. Neugierig war ich aber trotzdem.

Dankend sah ich ihn an und verschwand im nebenanliegendem Badezimmer.

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Hey Leute,

Ich hoffe es geht euch allen gut und ihr hattet einen schönen Tag.
Das ist mal ein etwas längeres Kapitel. Würde mich über einen Kommentar oder Vote freuen. :D

Vielen Dank für die fast 1,3k Reads und die 114 Votes! <3

Falls ihr Ideen zur Geschichte habt, könnt ihr mir die gerne mitteilen. Ich sehe, ob und wie ich sie einbringen kann! :D

Wünsche euch noch ne schöne Woche!

Laura xx

My Personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt