Kapitel 28

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"Es war eine harte Nacht, aber er hat es überstanden." Ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert und glücklich ich mit einem Mal war. Leise schluchzend warf ich mich in Johns Arme, der mich an sich drückte. Er roch nach Krankenhaus und sein drei Tage Bart kratzte mich an der Wange, aber es war mir egal. Ich war einfach so froh, dass der Mann, den wir beide liebten noch am Leben war.

Ich löste mich wieder von ihm und strich mir eine verwirrte Strähne hinter's Ohr.
"Der Doc meinte, es sieht ganz gut aus. Die Operation ist gut verlaufen, und da er einen starken Willen hat, denkt er, dass alles gut verheilen und er sich gut regenerieren wird." 
"Kann ich zu ihm?" Meine Stimme zitterte leicht.
"Er ist erst vor einer halben Stunde aufgewacht und noch nicht ganz bei sich, aber ich denke, es ist kein Problem. Nur nicht so lange. Er muss sich ruhen." Leicht lächelnd ging er mit mir zu Nathan's Zimmer, vor dem ein Polizist stand. Dieser nickte mir freundlich zu, wendete sich danach aber wieder ab und starrte einer vorbeigehenden jungen Krankenschwester auf den Hintern. Wow, der nimmt seinen Job ja richtig ernst, dachte ich leicht amüsiert und öffnete die weiße Tür.
"Zehn Minuten, okay?" Ich nickte und John lief zurück zu Palmer, der noch immer im Gang stand. Ich atmete tief ein und betrat dann den kahlen Raum.
Es sah genauso aus, wie als ich das erste mal hier war. Nathan lag in der gleichen Position, eine weiße Decke lag über ihm. Er hatte nur nicht mehr so viele Schläuche und Geräte um sich herum. Seine Augen waren geschlossen. Langsam bewegte ich mich auf das Bett zu und zog einen kleinen Stuhl heran, auf den ich mich setzte. Erst starrte ich ihn einfach nur an. Er war noch immer recht blass und sah so verletzlich aus. Aber selbst dieser Zustand machte ihn nicht weniger attraktiv.
Leicht zögerlich legte ich meine Hand auf seine, die schlaff neben seinem Körper lag.
"Ich bin so froh, dass du lebst", flüsterte ich. In dem Moment öffnete er seine Augen und blinzelte mich ein paar mal überrascht an. Er musste sich wohl erst an das grelle Licht gewöhnen.
"Kaici." Seine Stimme klang heiser, aber er lächelte leicht. Mein Bauch fing an zu kribbeln, als er meinen Namen aussprach. Obwohl alles in so kurzer Zeit passiert war, kam es mir wie eine Ewigkeit vor, seit er das letzte mal meinen Namen gesagt hatte. Seit ich das letzte mal dieses wohlige flattern in mir gespürt hatte.

Wir sahen uns einfach nur an, während sich unsere Hände berührten. Irgendwie kam ich mir vor, wie in einem kitschigen Liebesfilm. Mann hat Unfall. Stirbt fast. Frau ist todtraurig, Mann überlebt aber und Frau ist überglücklich. Sitzt dann an seinem Krankenbett. Sie gestehen sich ewige Liebe und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Nur, dass wir uns nicht sagen, dass wir uns lieben, was bei mir zwar zutraf, bei ihm aber höchstwahrscheinlich nicht. Und, dass wir auch nicht glücklich bis bis zum Ende unseres Lebens zusammen leben. Das stimmte mich zwar etwas traurig, aber die Freude, dass er den Umständen entsprechend wohlauf war,  blieb trotzdem.
"Wie geht es dir?", fragte ich nach einer Weile.
"Geht. Die Schmerzmittel machen es erträglich." Ein kleines grinsen Schlich sich auf seine Lippen, was seine Aussage wohl etwas lockern sollte, aber ich sah ihm an, dass es ihm nicht sonderlich gut ging, was ja auch kein Wunder war.
"Was ist passiert, nachdem ich angeschossen wurde? Ich kann mich an die Minuten nachdem die Kugel mich traf nicht mehr erinnern. Der Arzt meinte, das hängt mit dem Schock und dem Blutverlust zusammen, den ich erlitten hab." Nathan wollte sich etwas aufsetzten, hielt aber mitten in der Bewegung inne und verzog das Gesicht. Schnell sprang ich auf und legte ein Kissen in seinen Rücken, damit es etwas bequemer war und er nicht in so einer verkrampften Haltung sitzen musste.

"Ich habe Pat erschossen. Danach haben wir es irgendwie geschafft zur Hauptstraße zu gelangen, wo eine Frau den Krankenwagen gerufen hat. Dieser hat uns dann hierher gebracht und du wurdest kurz darauf operiert."
"Wie geht's dir damit?" In seinem Blick lag starkes Mitgefühl. Obwohl ich wusste, worauf er anspielte, stellte ich mich dumm und fragte, was er denn meine. Er schenkte mir nur diesen Blick, der sagte, dass ich die Spielchen lassen sollte.
Seufzend lehnte ich mich im Stuhl zurück. "Nicht so gut. Ich meine, ich hab jemanden umgebracht. Aber ich hatte dieses Thema eben schon mit Agent Palmer. Er meinte, ich soll mich an einen Therapeuten wenden."
Nickend kratze Nathan sich an der Schulter. "Das ist eine gute Idee, denke ich."
"Ja. Aber genug davon, und von mir. Du wurdest immerhin angeschossen."
"Passiert halt." Kaum war er wieder wach, musste er den starken raushängen lassen. Das war so typisch Mann. In irgendeiner Weise konnte ich zwar verstehen, warum er es so abtat. Er wollte nicht als weichen rüberkommen, aber es war keine Kleinigkeit. Da durfte er auch Schwäche zeigen. An sich war diese Ansicht, dass Männer nie weinen oder Gefühle preisgeben dürften totaler Schwachsinn.

Zögernd richtete ich mich auf und hob eine Hand, die ich auf seinen nackten Arm legte und sachte darüber strich. Das Krankenhauskittel, welches er trug sah scheußlich aus, aber selbst darin sah er gut aus.
Ich mied seinen Blick und starrte auf die dünne Decke, da ich leichte Angst vor seiner Reaktion hatte. Was empfand er bei meiner Berührung? Wühlte es ihn genauso auf, wie mich oder ließ es ihn völlig kalt?
Doch dann legte er seinen Arm so, dass seine Hand meine nehmen konnte und er sie so verschränkte. Überrascht sah ich dann doch auf. Seine dunklen Augen fixierten mich, während sein Mund ein leichtes lächeln zierte.
Ich konnte nicht anders und erwiderte dies.

Kurz darauf wurden wir allerdings von der aufgehenden Tür unterbrochen und John betrat den Raum. Schnell löste ich mich von Nathan und sprang auf. Peinlich berührt räusperte ich mich. Hoffentlich hatte er nichts mitgekriegt, doch er versuchte vergeblich ein Grinsen zu unterdrücken. Erwischt würde ich mal sagen. Dabei hatten wir nur Händchen gehalten. Oh man, ich war eindeutlich noch nicht besonderes reif.
"Lass Nathan sich noch ein bisschen ausruhen. Nachher wird er in ein anderes Zimmer verlegt, dann kannst du nochmal wieder kommen."
Mit einem unsicheren Lächeln an Nathan, der mir nur frech zuzwinkerte, wendete ich mich zur Tür und lief hinter John in den Flur.
Der Polizist stand noch an der gleichen Stelle. Ich konnte sehen, wie er die Krankenschwester, der er zuvor auf den Po gestarrt hatte, als beobachtete. Da war wohl jemand verknallt. Schmunzelt lief ich an ihm vorbei.
John und ich liegen in die Cafeteria, da ich nun doch ein wenig hungrig war. Okay, mehr als ein wenig. Da die Angst weg war, hatte ich auch nicht mehr diesen Kloß im Hals. Mein Magen machte sich bemerkbar.
Schnell kaufte ich mir ein belegtes Brötchen uns setzte mich mit ihm an einen kleinen Tisch.
Wir unterhielten uns über belangloses Zeug. Na ja, er redete. Ich war zu sehr mit essen beschäftigt. Als ich fertig war klopfte ich paar Krümel von meinen Klamotten. Besonders elegant beim Essen war ich noch nie gewesen.

"Morgen Nachmittag wird Nathan in das Krankenhaus zuhause geflogen", teilte er mir zwischendrin mit. "Das FBI stellt uns einen Privatflieger zur Verfügung. Außerdem gibt es Neuigkeiten." Erwartungsvoll sah ich ihn an. "Die Leichen könnten identifiziert werden. Pat, wie er genannt wurde, heißt in echt Patrick Vance. Mehrmals vorbestraft wegen Körperverletzung, Drogenmissbrauchs  und unerlaubtem Waffenbesitzes. Er saß zwei Jahre im Gefängnis, bis er vor einem halben Jahr raus gekommen ist. Ein Krimineller, der eine schwere Kindheit hatte und dann auf die falsche Spur geraten ist. Jetzt müssen wir rausfinden, für wen er arbeitet." Nach einer kurzen Pause sprach er weiter. "Die anderen Männer, die Nathan erschossen hat, waren zufällig ausgewählte Kleinkriminelle, ohne irgendeinem Zusammenhang zu Patrick Vance. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die zu ihm gehören. Ich denke, sie sollten einfach nur die Drecksarbeit erledigen."
Die Aussicht auf ein baldiges Ende dieser ganzen Tragödie stand gar nicht schlecht, was mich aufatmen ließ. Vielleicht könnte ich bald wieder nach Hause. Aber irgendwie wollte ich das nicht. Es war ja nicht mal mein richtiges Zuhause. In wenigen Monaten würde ich eh achtzehn werden. Dann konnte ich mir eine eigene Wohnung und einen anderen Job suchen und endlich ein eigenes Leben aufbauen. Kontakt mit John würde ich auch auf jeden Fall halten. Aber was war mit Nathan? Wollte er mich auch in seiner Nähe haben?

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Hey Leute,

Ich dachte mir, da so lange nichts kam, gibt es zwei etwas längere Kapitel so kurz hintereinander. Wieder habe ich es nicht Korrektur gelesen. Ich werde die Story erst richtig überarbeiten, wenn sie fertig ist.

Naja, ich hoffe es gefällt euch. :D

Und vielen Dank für die fast 6k Reads, die ganzen Votes und lieben Kommentare. <3

Och nö, ich hab keine Lust morgen wieder zu arbeiten. Ich hab Unterleib und Kopfschmerzen. Und dann acht Stunden mit kleinen lauten Kindern verbringen. Yay..

Laura xx

My Personal BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt