Kapitel 15

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Arias Sicht

Ich gehe in den Raum hinein und mir strömt ein Duft von frischem Gebäck und heißem Kakao entgegen. Das kann ich allerdings mehr genießen, da mich  meine seltsam dreinblickenden Eltern die an dem großen Tisch sitzen, erwartungsvoll anstarren. "Setz dich Kind.", begrüßt mich meine Mutter und deutet auf einen Stuhl. Zögernd nehme ich Platz; von meinem Vater bekomme ich gar nicht erst eine Reaktion auf meine Anwesenheit. Vermutlich hat mein Ausraster von gestern ihn ziemlich wütend gemacht und er straft mein Verhalten jetzt mit Schweigen.

Wir essen ganz normal und ich erwarte jede Sekunde eine Reaktion meiner Eltern - wenigstens eine klitzekleine. Doch nichts geschieht. Wir frühstücken einfach ganz normal.

Doch dann räuspert mein Vater sich. "Und Aria", fragt er ganz nebenbei. "Wie läufts in der Schule?" Ich verschlucke mich an meinem Brötchen und beginne zu husten. "Hier Schätzchen", sagt meine Mutter und reicht mir ein Taschentuch und klopft auf meinen Rücken.

"Danke..", huste ich und nehme dankbar das Taschentuch.

"Also? Wie läufts in der Schule?", fragt mein Vater seine Frage erneut. "E-es.. es läuft gut", lüge ich. Es läuft nicht gut. Ich bin abgelenkt, unkonzentriert und von meinem früheren Streber-Image sind nur noch Fetzen übrig.

"Ach ja?", fragt mein Vater nach. Ich nicke langsam und spieße ein bisschen Rührei mit meiner Gabel auf. "J-ja ja wirklich. Mr Evans fand mein Projekt über Ameisen in Biologie super.", führe ich meine Lüge fort. Was erzähle ich nur? Es gab nie ein Referat über Ameisen. Nur mein Vater braucht Beweise für meine Leistungen, so ist das schon immer gewesen. Meine Sandburg die ich im Kindergarten erst dann was wert, wenn die anderen Eltern ihn dafür gelobt haben, was er für ein architektonisches Genie als Kind hat.

"Ach ja?", sagt mein Vater erneut. "Ja..", entgegne ich. Will mein Vater auf irgendwas hinaus?

Auf einmal erbebt der Tisch, indem mein Vater seine Faust auf ihn knallt. Erschrocken zucke ich zusammen und meine Mutter scheint ebenfalls ein wenig überrascht - wenn auch nicht so sehr wie ich.

"Ich hab da etwas ganz anderes gehört, Arianna.", knurrt mein Vater. Gequält versuche ich möglichst leise und auffällig den Rest Essen in meinem Mund herunterzuschlucken.

"Ich habe nämlich gehört, dass du in letzter Zeit nicht nur unfokusiert, sondern auch ohne Hausaufgaben bist..", sagt er mit einem langsamen, bedrohlichen Ton. Ich schlucke den letzten Rest des Eies herunter. "Das ist nicht akzeptabel!", fügt er brüllend hinzu und haut erneut auf den Tisch. "Außerdem bist du jetzt verlobt! VERLOBT! Und da kannst du nicht mit irgendeinem Straßenjungen deine Zeit verbringen, geschweige denn ihn zu uns einladen! Er ist ein dreckiger, armer Schlucker der dich vermutlich vergewaltigt und ausgeraubt hätte, wäre ich nicht früher gekommen. Du bist ein naives, dummes Mädchen! Aber noch viel wichtiger: du bist meine Tochter. Und MEINE Tochter wird sich nicht wie eine Hure aufführen, hast du mich verstanden?" Ich schlucke die in meinem Mund angesammelte Spucke herunter und versuche krampfhaft meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.

Da habe ich allerdings die Rechnung ohne meinen Vater gemacht. "HAST DU MICH VERSTANDEN?!", grölt er und seine laute Stimme hallt durch den ganzen Raum. Er ist mittlerweile aufgestanden und ich spüre seinen durchdringenden Blick auf meiner Haut.

Ohne aufzusehen, nicke ich hastig. Würde ich ihn jetzt anschauen, hätte ich mich bestimmt nicht mehr unter Kontrolle und würde in Tränen ausbrechen. Doch diese Genugtuung kann ich ihm nicht gönnen.

Mein Vater nimmt wieder Platz. "Gut.", sagt er und rückt seinen Stuhl ran. "Gibst du mir bitte mal die Butter, Arianna?"

Zitternd nehme ich die Butterschale aus Porzellan und reiche sie meinem Vater. In diesem Moment danke ich dem Universum dafür, dass die Schachtel mir nicht heruntergefallen ist. Das wäre dann vermutlich mein Tod gewesen.

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