Sorge

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In den folgenden Tagen war Liora noch immer sehr ruhig, doch sie sprach wieder und rang sich sogar das ein oder andere Lächeln ab. Snape nahm sich einen Abend lang Zeit und erklärte Liora in aller Ruhe wie sie sich in den Kreisen der Todesser und vor allem gegenüber Voldemort verhalten sollte. Sie verzog immer wieder das Gesicht, doch sie protestierte nicht und als er ihr schließlich erklärte wie ihre eigene Stellung war, sah sie ihn verwundert an. Sie hätte nicht erwartet, dass sie selbst dank Snapes Position ranghöher stand als die meisten Todesser. Liora war der Lehrling von Voldemorts engstem Vertrauten. Sie konnte es selbst kaum fassen und Snape musste grinsen, als er sah, wie ihr langsam klar wurde wer sie war. Der Gedanke, gar nicht so wehrlos zu sein, wie sie anfangs gedacht hatte, gab ihr etwas Zuversicht zurück. Sie würde keine Angst davor haben müssen, dass jemand aus den niederen Kreisen sie auch nur schief ansah ...

An selben Abend erklärte er ihr auch, dass es wichtig war, dass sie ihre Rolle perfekt spielte. So würde sie weiteren Strafen entgehen und könnte den Abend ohne Verletzungen hinter sich bringen. Liora hörte ihm zu und schwieg während seiner Ausführungen. Sie nickte immer wieder verstehend und versprach das nächste mal erst nachzudenken, bevor sie den Mund aufmachte. Allerdings begann sie sich während er erzählte zu fragen, ob er selbst wirklich von dem überzeugt war, was er tat. Die Frage spukte ihre seitdem im Kopf herum und während sie ihn in den nächsten Tagen beobachtete, wurde sie immer sicherer, dass sie auf dem richtigen Weg war. Wäre er von dem überzeugt, für das Voldemort stand, wäre er definitiv ein anderer Mensch.

„Warum tust du das nur, Severus?", fing sie immer wieder an, sobald sich die Gelegenheit ergab. „Ich habe dir bereits mehrfach gesagt, dass ich meine Gründe habe, mehr musst du nicht wissen, Liora.", antwortete er meistens darauf und hob die Augenbrauen. Sie hatten diesen kurzen Wortwechsel schon mehrmals geführt und Liora weigerte sich nachzugeben, weil sie überzeugt war Recht zu haben.

Sie musste es einfach wissen. Es war ihr wichtig ihn zu verstehen, denn Liora vermutete, dass es einen Grund gab aus dem Snape gezwungen war dem Dunklen Lord zu folgen. Sie waren quasi in der selben Situation! Sie beide taten es gegen ihren Willen. Das musste doch etwas sein, über das sie reden sollten! Snape war nicht der boshafte, eiskalte Mann den er immer spielte. Er war ganz anders als sein Todesser-Ich und das bewies er, als nach all dem Gerede über Benimmregeln und Gehorsam auch über Lioras Zeit als Voldemorts Gefangene reden wollte.

Dass er das Thema irgendwann bei einem Glas Wein vor dem Kamin anschnitt und ihr anbot es aufzuarbeiten gefiel ihr, doch sie war noch nicht so weit. Sie wollte noch nicht über die Tage und Nächte in den Verließen sprechen und er akzeptierte das. Im Gegenzug versuchte sie auch ihn auszufragen. Wer war er? Wie war er aufgewachsen? Wie war seine Zeit in Hogwarts gewesen? Sie fragte viel, doch Antworten bekam sie nur wenige. Er schwieg zu allen Punkten, die auch nur im Geringsten mit seiner Vergangenheit oder seiner Gegenwart zu tun hatten. Also zu Allem! Sie hatte letztlich keine Ahnung, wer der Mann wirklich war, der vor ihr stand.

Worüber er jedoch gerne und ausführlich sprach war die Schule an sich und deren Geschichte. Snape erzählte ihr viel von Hogwarts, teilweise auch Dinge die sie in den Büchern nicht gefunden hatte. So konnte sie sich zumindest vorstellen wo sie war und hin und wieder auch vor sich hin träumen. Er erzählte ihr von den Portraits, die sie beim Verlassen des Schlosses schon bemerkt hatte, den Hausgeistern und den vielen verborgenen Räumen im Schloss. Sie hing an seinen Lippen wenn er davon berichtete, während er nachdenklich und mit einem leichten Lächeln in die Flammen des Kaminfeuers starrte. Hogwarts schien mehr als ein Arbeitsplatz für ihn zu sein. Es war sein Zuhause.

So hatten sie ihre Abende verbracht und Liora war ganz verblüfft, als sie erfuhr, dass sein Fachgebiet Zaubertränke waren und er noch dazu der Hauslehrer in einem der vier Häuser war. Das passte alles so gar nicht zu dem Bild das sie von ihm hatte und ihre Neugier würde sich deswegen auch nicht so schnell verflüchtigen. Solch ein Mensch konnte nicht davon überzeugt sein, dass Halbblüter und Muggelgeborene Abschaum waren ...

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