Wahrheit? I

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Als Snape sie abholte, war Liora schon lange fertig. Sie trug ihren schwarzen Umhang und hatte sich heute für schwarze Jeans und eine schwarze Bluse entschieden. Ihr war nicht nach einem Kleid und da es keine Kleidungsvorschriften für den Teil unter dem Umhang gab, konnte es Snape egal sein. Sie war wie immer in ihre Lederstiefel geschlüpft und folgte ihrem Lehrer schweigend durch die Gänge.

Snape hatte nicht weiter nach ihrem Befinden gefragt, doch sein noch immer aufmerksamer Blick war ihr nicht entgangen. Er fragte sich, was geschehen war in der letzten Nacht und bestimmt versuchte er auch abzuschätzen, ob sie einsatzfähig oder eine tickende Zeitbombe war. „Hör auf so zu schauen. Es geht mir gut.", sagte sie schließlich, als er wieder unauffällig zu ihr rüber sah. „Wenn du das sagst. Wir werden uns heute mit jemandem treffen, den du schon kennst. Halte dich einfach zurück und versuch nicht aufzufallen. Gerade IHN solltest du nicht unnötig auf dich aufmerksam machen, sonst haben wir gleich das nächste Problem am Bein kleben.", wies er sie an, während sie durch die Flure des Schlosses eilten.

Es war eine der wenigen Gelegenheiten das Schloss direkt durch die Eingangshalle zu verlassen. Die Schüler waren weg und es bestand keine Gefahr mehr, dass jemand sie aufhielt oder Fragen stellte. Zumindest war das so geplant und Liora konnte Snapes genervtes Ausatmen hören, als dieser Plan scheiterte. Er blieb stehen und Liora musste scharf abbremsen um nicht in ihn hinein zu rennen.

„Was ist denn jetzt ...", setzte sie an, doch als sie an ihm vorbei sah entdeckte sie selbst den Grund seines plötzlichen Haltens. „Severus! Ihr verlasst uns heute Abend?", fragte Albus Dumbledore und Liora versuchte sich hinter Snape unauffällig zu verstecken. Sie war noch immer recht nervös, wenn es darum ging die Person, die sie auf Hogwarts war und die Person, die sie war, wenn sie an Snapes Seite vor den Dunklen Lord trat, unter einen Hut zu bringen. Jetzt sollte sie lächeln, doch emotional war sie schon auf dem Weg abzuschalten. Also ein Schritt zurück und nochmal heile Welt spielen.

Der alte Schulleiter kam nun lächelnd auf sie zu, ihm folgte Professor McGonagall. Die Beiden kehrten anscheinend gerade von einem Spaziergang über das Gelände zurück. Es war wunderbar ruhig und sie konnte sich gut vorstellen, dass es für die Lehrer der Schule eine Wohltat war, sich mal nicht um eine Horde munterer Schüler kümmern zu müssen. „Auch wenn die Schüler weg sind, ruft die Pflicht. Wir haben Einiges zu erledigen.", antwortete Snape knapp und streckte seinen Arm aus um Liora an sich vorbei nach vorn zu schieben.

„Ah ja, kein Urlaub und auch keine Minute unnötig an etwas Erholung verschwenden, richtig Severus? Bereitet ihr euch schon jetzt auf das kommende Jahr vor?", fragte Dumbledore neugierig und versuchte den Zaubertränkeprofessor offensichtlich in ein Gespräch zu verwickeln. Sie konnte Snape ansehen, dass er absolut nicht begeistert davon war. Vermutlich versuchte er zu vermeiden, dass Dumbledore auch sie mit hineinzog und schob sie deswegen weiter. „Warte doch bitte an der Pforte.", brummte er und Liora folgte ohne weitere Fragen zu stellen. So entging ihr zwar, was der Schulleiter zu sagen hatte, doch wenn es etwas Wichtiges war, würde Snape sie zu gegebener Zeit einweihen.

Sie wartete also an der Pforte und versuchte zu ignorieren, dass Professor McGonagall sie durchdringend musterte, während die beiden Männer sich mit ernster Miene unterhielten. Es dauerte glücklicherweise nicht lange, denn der Blick der Lehrerin machte sie nervös. Liora war sich bewusst, dass sie aktuell nicht besonders viel Farbe im Gesicht hatte und vermutlich sehr erschöpft aussah, doch es gab keinen Grund zur Sorge. Sie würde den Abend durchstehen, auch, wenn Harrys Worte und die kurze Auseinandersetzung mit Ginny ihr Selbstwertgefühl etwas angekratzt hatten. Es würde schon funktionieren. Snape würde dafür sorgen, dass ihr nichts geschah.

Als er sich endlich verabschieden konnte und auf sie zueilte, hatte er wie immer eine ausdruckslose Maske aufgesetzt. Sie hatte keine Ahnung was in ihm vorging. Er gab ihr ein Zeichen, sich in Bewegung zu setzen und Liora folgte ihm nach draußen in die laue Nacht, während Dumbledore und die Verwandlungsprofessorin ihnen hinterher sahen.

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