Treue

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Liora starrte hinaus auf den Gang und strauchelte. Was war das? Einmal tief durchatmen und sich in beide Richtungen umsehen. Angst ... sie verspürte Angst! Zum ersten mal seit Wochen war sie der Freiheit so nah und jetzt stand sie hier, statt zu um ihr Leben zu laufen.

Vorsichtig ging sie ein paar Schritte und blieb wieder stehen. Sollte sie hinausgehen? Raus aus dem Schloss? Sie wusste doch gar nicht wo hin.

Ein Geräusch vom anderen Ende des langen Gangs ließ sie aufhorchen. Sie glaubte Schritte zu hören. Da war wirklich jemand! Diesmal hatte sie es sich nicht eingebildet!

Eine Bewegung. Langsam lösten sich Konturen aus der Dunkelheit und schließlich erkannte sie eine Gestalt, die vornübergebeugt gegen die kalte Steinmauer torkelte. 'Oh nein, er ist verletzt!', war das Erste woran sie denken konnte, bevor ihre Füße sich endlich in Bewegung setzten und sie auf ihn zu lief. Gerade als seine Kräfte ihn verließen, erreichte sie ihn und konnte seinen Sturz noch abfangen.

Das Gewicht seines Körpers konnte sie unmöglich halten, doch sie schaffte es zumindest ihn langsam zu Boden gleiten zu lassen. Mit viel Mühe konnte sie ihn gegen die Wand zu lehnen und ihm die Haare aus dem Gesicht streichen. Ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Haut und er war ungesund blass. Noch blasser als sonst ...

„Severus! Was ist los? Kannst du mich hören?", fragte sie und legte eine Hand an seine Wange. Er blinzelte ein paar mal und versuchte sich zu orientieren. „...ora ... weg ...", hauchte er und versuchte nach ihrer Hand zu greifen. „Ich versteh dich nicht ... IST DAS BLUT?"

Erschrocken betrachtete sie seine Hand und suchte dann mit flinken Fingern nach der Wunde. Snape war nicht im Stande sich zu wehren, als sie den Stoff seines Umhangs zur Seite schob und begann ihn abzutasten. Der spärlich durch nur wenige Fackeln beleuchtete Gang und seine schwarze Kleidung machten es ihr nicht leicht, doch schließlich spürte sie an seiner linken Seite etwas Feuchtes. Sie ignorierte einen weiteren Versuch seinerseits ihre Hände wegzuschieben und begann mit angestrengter Miene seinen Gehrock zu öffnen.

Was sie fand, als sie den Stoff wegzog, ließ sie kurz inne halten. Das schaffte sie nicht allein! Niemals! Er stöhnte vor Schmerz, als sie das blutgetränkte weiße Hemd öffnen wollte. „Verschwinde ...", flüsterte er und als Liora ihm ins Gesicht sah, schien auch die letzte Farbe gewichen zu sein. Er betrachtete sie aus halb geschlossenen Augen. „Versuch wach zu bleiben.", sagte sie so ruhig wie möglich und hoffte, dass er ihre Panik nicht bemerkte. Da war zu viel Blut! Sie griff nach seinem Umhang, knüllte so viel wie möglich von dem schweren Stoff zusammen und presste den Stoffklumpen dann auf die Wunde.

„Aaahhh!" Er keuchte vor Schmerz und verzog das Gesicht. „Wir müssen die Blutung stoppen! Wo ist dein Zauberstab? Ich muss etwas tun!", sagte sie und begann mit der freien Hand in seinem Umhang zu wühlen. „Nein ... Liora nicht ... Fluchwunde ... schaffst du nicht.", stammelte er und Liora gab einen verzweifelten Laut von sich. Verdammt! Er hatte Recht. Wenn sie doch nur im Vollbesitz ihrer Kräfte wäre! Sie hätte die Wunde schließen können ... Ein Versuch würde zu lange dauern und wenn sie scheiterte, war es zu spät. Sie musste sofort eine Lösung finden.

„Severus, hörst du mich?", fragte sie laut und seine Augenlider flatterten. „Wir brauchen Hilfe! Wo kann ich Hilfe holen?!" Er antwortete nicht, sondern atmete nur schwer. Liora erhöhte den Druck auf die Wunde und legte ihre andere Hand wieder an seine Wange. „Severus! Verdammt nochmal! WO FINDE ICH HILFE?!"

Er hustete. Besser als gar keine Reaktion. Liora runzelte die Stirn und überlegte fieberhaft was sie tun sollte. Es war eine Schule. Sie konnte allein loslaufen und hoffen jemanden zu finden, doch nach wem sollte sie fragen? Um diese Uhrzeit musste sie wirklich Glück haben.

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