Botengang

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Liora brummte der Schädel, als sie das Schloss verließ und auf dem Weg nach Hogsmead wurde es trotz der frischen Luft nicht besser. Es war noch früh am Tag und während die Schüler auf Hogwarts im Unterricht saßen, war sie heute befreit worden, mit dem Hinweis, sie solle ein paar Besorgungen machen. Snape hatte ihr per Eule ein paar knappe Hinweise zukommen lassen und Liora hatte sich unverzüglich auf den Weg gemacht.

Noch immer vermied er so gut wie möglich jeden direkten Kontakt mit ihr. Sie bekam keinen zusätzlichen Unterricht in Zaubertränke mehr und auch auf die abendlichen Ausflüge zum See und die damit verbundenen Trainingseinheiten musste sie mittlerweile vollständig verzichten. Erst war sie über den radikalen Schlussstrich, den er gezogen hatte schockiert gewesen, doch mittlerweile hatte sie sich damit abgefunden und versuchte ihm nicht all zu sehr nachzutrauern.

Es fiel ihr nicht schwer, denn sie hatte mittlerweile genug zu tun, auch ohne das Training mit ihm. Das Lernen für die UTZ-Prüfungen nahm viel Raum in ihrem Alltag ein, ebenso wie ihre Botengänge und die Abende, die sie noch immer mit Lupin verbrachte. Sie kam nicht einmal dazu das Wetter zu genießen, als es endlich wieder wärmer wurde und der Schnee wich, um den grünen Wiesen und ersten Blumen Platz zu machen. Liora beobachtete die Schüler oft vom Fenster ihres kleinen Apartments aus und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre mit ihnen über die Ländereien zu streifen und die freie Zeit nach dem Unterricht zu genießen. Freie Zeit, wie eine normale Schülerin.

Ein leises Seufzen kam ihr über die Lippen und sie betrat ohne weiter auf ihre Umgebung zu achten den Eberkopf. Der Wirt hob nur kurz den Kopf und Liora nickte ihm zur Begrüßung zu. Hier konnte sie ohne Probleme den Kamin benutzen, um in die Winkelgasse zu kommen. Niemand stellte Fragen und keiner der anderen Schüler verirrte sich für gewöhnlich hier her. Schon gar nicht zu dieser Zeit. Liora griff in ihre Tasche, holte den kleinen Beutel mit Flohpulver heraus, den Snape ihr bei ihrem ersten Botengang überlassen hatte und warf eine Prise davon in die Flammen, bevor sie hinterher stieg und mit einem deutlichen „Winkelgasse!" verschwand.

An ihrem Ziel angekommen trat sie aus dem Kamin und hinaus auf die Straße. Die Sonne schien und die Winkelgasse war sehr belebt. Überall konnte man Lachen, Gesprächsfetzen und hin oder wieder auch Flüstern hören. Die Straßen waren trotz der düsteren Zeiten voll und so fielen die patrouillierenden Auroren kaum auf. Liora zog ihre Kapuze vom Kopf und atmete erst einmal tief durch. Noch immer waren die Kopfschmerzen nicht vollständig weg, doch sie schob es auf das viele Lernen und den wenigen Schlaf.

Ein Glück, dass ihr erster Anlaufpunkt die Apotheke war, wo sie für Snape wieder einmal ein paar Zutaten abholte. Es war nicht das erste mal in diesem Monat. Er war in letzter Zeit wirklich verschwenderisch und Liora vermutete, dass er gerade an einem neuen Trank saß, der ihm nicht so recht gelingen wollte. Das würde dann auch erklären, warum er sie in den letzten Tagen auf dem Flur noch nicht einmal mehr gegrüßt hatte. Sie runzelte die Stirn und schlenderte langsam an den Schaufenstern vorbei. Eilig hatte sie es nicht, denn er hatte die Zutaten bis heute Mittag bestellt und bis dahin hatte sie noch eine ewig Zeit.

Die Tage nach dem Streit mit ihrem Lehrer hatte Liora wie gelähmt auf ihrem Bett gesessen und geschwiegen. Was geschehen war, war einfach zu unwirklich gewesen und sie hatte lange gebraucht um zu verstehen, was genau Snape eigentlich gesagt hatte. Den Rest hatte ihr sein Brief gegeben. Dass er seinen Standpunkt so kühl und konkret klar machte, hatte sie betroffen gemacht. Sie hatte eine Zeit lang das Gefühl in einem Alptraum gefangen zu sein. Selbst heute erschien es ihr noch wie eine sehr tragische Geschichte, die sie in einem der vielen Bücher in Hogwarts Bibliothek gelesen hatte. Eine tragische Liebesgeschichte über Eifersucht und Missverständnisse. Sie blieb vor einem der Läden stehen und betrachtete nachdenklich die Umhänge und Kleider im Schaufenster. Sein Eingeständnis, sie so sehr zu begehren, dass es weh tat, hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Dass sie eine gewisse Wirkung auf ihn hatte, ja, das war ihr von Anfang an klar gewesen und er hatte auch recht schnell dafür gesorgt, dass ihr Körper keine Gefahr mehr darstellte, doch sie hatte nicht geahnt, dass er so eifersüchtig und besitzergreifend sein konnte.

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