KAPITEL 3

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Das Einzige, was ich sah, war orange. Meine Augen waren geschlossen, aber es war anscheinend schon sehr hell. Ich legte mein Kopf in mein Kissen und wartete darauf, dass mein Wecker mich quälte.
Es war so verdammt hell. Ich musste unglaublich verschlafen haben. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, um auf meinen Wecker zu schauen. Sofort schloss ich sie wieder. Ich hatte nur grelles Weiß gesehen, und es schmerzte in meinen Augen.
Ich nahm meine Hand und schirmte meine Augen ab. Dann öffnete ich sie vorsichtig wieder und sah nach links zu meinem Nachttisch. Nur, dass dort kein Nachttisch stand.

"Wo bin ich?" Flüsterte ich leise ins nichts. Dann schloss ich meine Augen wieder und versuchte mich zu erinnern.

Am Montag hatte Stéphanie gefehlt. Jan und Sam waren immer noch nicht aufgetaucht und keiner von beiden hatte meine Nachrichten empfangen.
"Julie?" Fragte ich, als ich am Montagabend auf ihrem Bett saß.
Sie setzte sich zu mir und sah mich an.
"Findest du es nicht komisch, dass erst Jan, dann Sam und jetzt Stéphanie nicht da sind? Also ich meine genau nach der Klassenliste?" Julie sah mich an und lachte. "Mädel, werd bloß nicht paranoid!" "Es ist nur so," redete ich unbeirrt weiter, "dass Jan und Sam nicht mehr online waren seitdem sie das erste mal fehlten" . "Jaaa- sie wurden von Aliens entführt und siziert!" Julie kicherte.
"Das ist nicht lustig!" Warf ich ein, aber das brachte sie nur noch mehr zum Lachen.
Ich entschied ihr Recht zu geben. Wahrscheinlich bin ich wirklich ein bisschen paranoid.

Mein Kopf schmerzte und mir war, obwohl ich lag, ein bisschen schwindelig. Vorsichtig versuchte ich, wieder meine Augen zu öffnen.
Das weiße Licht stach in meinen Augen, und schwarze Punkte hüpften umher.
Es tat so weh! Ich schloss sie sofort wieder und versuchte mich weiter zu erinnern, was passiert war.

Am Mittwoch war Julie nicht mehr da. Sie war einfach verschwunden. Morgens rief ich sie an, aber 'der gewünschte Gesprächsteilnehmer' hatte sein Handy ausgeschaltet. In der Schule war es unglaublich langweilig ohne Julie. Und ich machte mir entsetzliche Sorgen.
Was, wenn ich Recht hatte? Wenn das Verschwinden von Jan, Sam, Stéphanie und Julie wirklich zusammenhängte?
Dann wäre Julie in unglaublicher Gefahr.
Dann wäre ich die Nächste.

Nach der Schule ging ich sofort zu ihr. Ich stellte mich vor die Haustür und klingelte. Stellte mir vor, wie Julie lachend die Tür öffnete und sich über meine Theorie lustig machte. Mich auslachte, dass sie mich so leicht verarschen kann. Über mein Gesicht lachte, in dem sich Sorgen abstempelten.
Ich hoffte es so sehr!

Aber Julie öffnete nicht die Tür. Es war ihre Mutter.

Ich hatte sie schon oft gesehen, sogar als Julie's Vater sich von ihr getrennt hatte sah sie nicht so schlimm aus wie jetzt.
Sie trug ein Nachthemd und darüber einen rosernen Bademantel. Sie musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht umzukippen. Ihren Wangen waren verweint und ihr Make-up verschmiert. Ihre Haare waren eine einzige Katastrophe und ihre Augen waren von schwarzen Ringen umzeichnet.
Sie so zu sehen brachte mich zum weinen.
Sie sah so schwach und zerbrechlich aus. Für mich war sie immer eine starke Frau gewesen, die alles schaffen konnte, was sie sich vornahm. Jetzt sah ich nur noch einen Haufen Elend, der umzukippen drohte.

Das Kissen wurde nass. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich weinte.

Julies Mutter sah mich an. "Hast du Julie gesehen?" Fragte sie mit kratzender Stimme. Ich schüttelte traurig den Kopf.
"Was ist passiert?" Fragte ich.
Julies Mutter bat mich herein und wir setzten uns auf das große Sofa im Wohnzimmer. Auf dem Sofa haben Julie und ich, als wir noch im Kindergarten waren, oft Indianer gespielt und auf der Sofalehne geritten als wären es unsere Pferde.
Heute sieht man immer noch den Bogen auf der Lehne, wegen dem wir so viel Ärger hatten.

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