KAPITEL 1

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Hey.
Ich bin Thalia.
Das ist mein Leben.
Welches ich lebte, bevor ich starb.
Ich schreibe es auf, um mich zu erinnern wer ich war.
Wen ich verlor.
Was sie mir angetan haben.
Und warum sie sterben müssen.

Die Frage ist nur, wie fange ich an? Das Buch vor mir, die Seiten leer und weiß, beängstigend, wie meine Vergangenheit.
Ich hatte mal ein ganz normales Leben. Ich war 15, war verliebt. Ich ging auf ein Gymnasium, zusammen mit meiner besten Freundin Julie, und ich war sogar relativ beliebt. Und dann kamen sie. Töteten alles Gute in mir, alles, was mich ausmachte.

Wie schon gesagt, ich stand auf jemanden. Sam. Er war noch nicht so lange in der Klasse, sodass fast niemand ihn kannte, aber ich seiner Anwesenheit fühlte ich mich wohl. Es war ein Gefühl, dass ich nicht beschrieben konnte, es brachte mein Herz zum Rasen und mich in Verlegenheit.
Ich hatte auch viele Freunde, die meisten waren in meiner Klasse.
Sie sind alle weg. Und werden nie zurückkommen. So wie ich.

Ich konnte euch von meinen Tagen erzählen, von Französisch, den schlimmsten 180 Minuten der Woche. Von Julie, der besten Freundin die ich jemals hatte. Oder von Sam, seinen perfekten meerblauen Augen, in denen ich versank wenn ich ihn sah. Aber mein Leben war nicht nur normal, sondern auch ziemlich langeweilig. Ich fand das gut so. Mutig war ich nie gewesen, und Veränderungen machten mir Angst. Ich wusste, wie meine Tage abliefen, und das beruhigte mich.

Aber gerade das war mein Leben, machte mich aus. Bevor sie kamen. Ich will niemals vergessen, wer ich einmal war.
Also fang ich einfach mal an.
Der erste bemerkenswerte Moment mit Sam war in Französisch. Ironisch, wie aus den schlimmsten Minuten meines Lebens eine der schönsten Erinnerungen entsteht.
Es war ein Montag.
Jan fehlte. Jan war eine Art Kumpel von mir, wie gesagt, ich hatte viele Freunde in der Klasse.

Es war eigentlich alles wie immer; während der Lehrer irgendwas auf Französisch redete, zeichnete ich Herzchen auf den Tisch.

"Thalia?" Fragte die hohe Stimme meines Lehrer. Wenn er meinen Namen sagte, klang es wie Täliä. Er hatte also wieder mal nicht gemerkt, das ich mich nicht gemeldet hatte. Passiert öfters.
Natürlich hatte ich nicht zugehört, und selbst wenn ich es getan hätte, wüsste ich wahrscheinlich trotzdem nicht, was ich sagen sollte.
Melanie flüstere mir etwas zu. Sie war meine Rettung in Französisch. Im Gegensatz zu mir passte sie auf, wusste alles und verstand alles. Sie hilft mir immer, wenn ich etwas nicht weiß oder nicht mitbekomme. Ohne sie wäre ich tausendmal wegen Französisch sitzen geblieben. Ich versuchte das, was sie mir zu geflüstert hatte, zu wiederholen. Es klang erbärmlich, aber der Typ an der Tafel nickte.
"Merci beaucoup" flüsterte ich, wahrscheinlich mit unendlich vielen Aussprachefehlern, aber Melanie lächelte. Dann sagte sie etwas wie "De riän". Heißt wahrscheinlich Bitte oder sowas.
Als wir irgendwas abschreiben sollten, machte ich mir nicht einmal mehr die Mühe. Sattdessen starrte ich aus den Fenster neben mir. Der Schulhof war leer. Regen prasselte an das große Fenster. Melanie murmelte etwas von ekelhaften Wetter und wandte sich dann wieder dem Unterricht zu. Es war wie eine Melodie, sie zog mich mit sich und ließ mich Alles um mich vergessen. Ich sah den Bäumen zu, wie sich mit dem Wind bewegen. Ich sah den Tropfen zu, die außen am Fenster runterperlen. Ich hörte dem Regen zu, wie er ans Fenster prasselt.

Irgendwann drehte sich Julie zu mir um. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich genauso langweilte wie ich es tat. Sie schnitt eine Grimasse, und es sah so witzig aus, dass ich anfangen musste zu lachen. Ich versuchte es zu unterdrücken und hielt meinen Arm vor meinen Mund.
„Thälia, arrête maintenant" Fragt mich der Idiot. Ok, vielleicht war es doch keine Frage. Was weiß ich. Ich nickte einfach.
Dann sollten Gruppenarbeit machen.
Der Gartenzwerg zählte durch. Meine Nummer. Fünf. Zum Glück sagte er alles auf Deutsch. Mit Französischen Nummern hab ich es nämlich nicht so... so wie mit allem in Französisch.

"Hey, bist du in Gruppe Fünf?" Fragte mich jemand. Ohne aufzuschauen, wusste ich, wer es ist. Die Stimme ist unvergesslich.
Meine Wangen glühen und ich werde rot.

Ich drehte mich zu ihm und und sah direkt in seine wunderschönen Augen. Sie waren blau wie ein Ozean. Ich verlor mich in ihnen.
Dann fiel mir auf, dass ich eigentlich antworten sollte. Ich hatte mir vorgenommen, einfach Ja zu sagen. Meine Wangen wurden heiß, als er mich fragen ansah. "Alles ok bei dir?" Fragte er.
"Ja" ich hatte es geschafft! "Ja, ich bin in Gruppe Fünf oder ja, alles ist ok?"
"Beides." Dieses Konversation war länger, als alle anderen, die wir je geführt hatten. Ich war glücklich darüber. So glücklich, dass ich einfach anfing, zu lächeln.

Er sah einfach atemberaubend gut aus, braune Haut, diese meerblauen Augen und dunkelbraune Haare.
Wie kann jemand so gut aussehen und keine Freundin haben? Zumindest sagt dass sein Facebook Status ... ich hoffe mal dass der stimmt.

Mein Herz begann, lauter zu pochen, als er sich neben mich setzte. Ich könnte ihn riechen. Er roch sogut wie er aussah....
Es war, als könnte mein Herz seine Anwesenheit und seine Nähe spüren. Es war ein wundervolles Gefühl, aber es brachte mich in Verlegenheit.

"Thalia, richtig?" Fragte er.
Ich nickte nur. Er wusste meinen Namen! Nicht, dass er ihn kennen müsste, schließlich gingen wir in die selbe Klasse, aber zu hören, wie er MEINEN Namen sagte, gab mir ein Gefühl als könne ich schweben.

"Kannst du Französisch?" Fragte er.
Wollte er gerade ernsthaft ein Gespräch mit mir anfangen?
"Haja, klar! Ich spreche fast fließend" antwortete ich.
"Echt?"
"Nein, natürlich nicht!" Ich lachte. Irgendwo her bekam ich Sicherheit. Ich war glücklich.
"Ich hoffe auf eine 4." Gab ich hinzu.
"Und du?"
"Geht." Sagte er knapp.
Vanessa kam noch zu unserer Gruppe. Wir entschieden demokratisch, dass sie die ganze Arbeit machte. Ich wäre eh keine Hilfe gewesen.
Sam und ich unterhielten uns derweile. Über Hobbies, Lehrer, Filme und Essen. Solches Zeug, über das man damals eben redete.
Es unglaublich, wie schnell Französisch-Stunden umgehen konnten.

Als ich mich am Abend ins Bett legte, schlief ich lächelnd ein. Glücklich über das, was passiert war.

Ich würde alles dafür geben, diese Gefühl noch einmal spüren zu dürfen.

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