KAPITEL 2

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Wir würden von einem großen, schwarzen Van abgeholt. Wie eine eingeübte Kür stiegen die anderen in den Wagen und setzen sich an ihren Platz. Schüchtern stieg ich ebenfalls ein und setze mich neben eine schwarzhaarige Frau, da der Rothaarige dorthin deutete. Die Türen wurden zugeschoben und wir setzten uns in Bewegung.
"Wo fahren wir hin?" Fragte ich.
Die Frau neben mir lächelte. "Nach hause." Sagte sie.
Ich nickte stumm, den Gedanken im Hinterkopf, dass ich mein wirklich zuhause gar nicht kannte. Was waren sie für Menschen, meine Eltern? Warum waren sie nicht hier? Und what the fucking hell ist passiert!?

Aber eine neue Frage stürmte meine Gedanken.
"Warum jetzt? Was wolltet ihr überhaupt hier?"
"Top secret" sagte jemand.
"Hab ich kein Recht es zu erfahren, wenn es um mich geht?"
"Wie kommen Sie drauf, dass sie das Subjekt unserer Investagationen sind?" Fragte der Rothaarige.
"Ich bin nicht blöd" sagte ich, denn die Tatsache, dass sie genau an dem Tag meines Eintreffens nach hause fahren ist schon ziemlich verdächtig.
"Sagen wir, es hätte wirklich etwas mit ihnen-"
"Wenn es so wäre, warum wollen sie dann verhindern, dass ich mich erinnere? Könnten meine Erinnerungen ihre Investagationen nicht voran treiben?" Mein Atem stockte. Das hätte ich nicht sagen sollen. Jetzt wissen sie, dass ich ihnen nicht glaubte. Kein einziges Wort.
"Ihre Sicherheit steht an erster Stelle"
"Wie komm ich zu dieser Ehre? Bin ich ein VIP oder so?"
"Nein, aber-"
"Wenn meine Erinnerung andere retten kann, ist mir der Schmerz egal." Mir war alles egal. Ich wollte einfach wissen, wer ich war.
Er nickte. "Ich glaube nicht, dass sie bereit dafür sind."
Was wusste er schon über mich? Nichts.
"Ich bin bereit." Sagte ich.
Seufzend kramte er in seiner Tasche und kramte eine Akte raus.
Nervös nahm ich sie in meine Hände. Meine Vergangenheit. Ich lehnte mich zurück und begann zu lesen.

Thalia Queen.

Das ist also mein Name. Thalia Queen. Eigentlich ein schöner Name. Traurig realisierte ich, dass er dennoch fremd klang. Dort war auch ein Bild von mir. Ich hatte große, grüne Augen und glatte schwarze Haare. Ich starrte eine Weile in mein Gesicht, sah einen anderen Menschen. Sie war hübsch. Ich wünschte ich wäre wieder sie.

Opfer des "Soulkiller", wie er sich selbst nennt. Es hält sich hierbei um einen Kriminellen, der seine Opfer unter Drogen setzt, sodass sie nach dem rechtswidrigen Akt seinerseits keine Erinnerung mehr an sich oder den Vorfall haben. Halluzinationen und falsche Erinnerungen des Opfers sind oft die Folge.

Ich blätterte weiter.
Es gab einige Fotos von verbrannten Stellen in Wäldern, so wie die, auf der ich aufgewacht bin.
Auf manchen lag ein kleiner weißer Zettel, auf dem mit künstlerischer Schreibschrift geschrieben wurde:
"You're next ~ SOULKILLER"

Ich schluckte. Meine Hand zitterte leicht, als ich weiter blätterte. Bilder von weiteren Opfern. Alle in meinem Alter. Julie Fry, Sam Gomery, Jan Marcel Davids. Ich stoppte. Die Bilder sahen irgendwie bekannt aus, ihre Gesichter. Ich versuchte mich zu erinnern, aber es war wie als wollte ich mich an einen Traum erinnern. Bei Sam's Bild wurde ich irgendwie traurig, aber ich hatte keine Ahnung warum. Als ich in Jans Augen sah, lief mir ein Schauer den Rücken runter. Ich ignorierte die restlichen Opfer und blätterte weiter.
Testergebnisse. Julie ist schwanger. Von ihm. Ich verschluckte mich und bekam einen Hustanfall. Danach folgten Bilder von ihren Verletzungen. Ich dachte an meine blutverklebten Haare, aber das war nichts gegen diese Blutergüssen, Knochenbrüche und Fleischwunden. Er ist ein Monster.

Ich blätterte um, aber da war nichts. Nichts. Er ist ein Monster, ungestraft, auf freiem Fuß. Und sie hatten nichts.
"Wo ist der Rest?" Fragte ich.
"Das ist alles, was wir haben."
NICHTS.
"Warum wart ihr dann hier?"
"Wir kamen zu spät"
Und sie entschieden sich, mich einfach auf der Asche liegen du lassen, als wäre ich tod. Wer sind diese Menschen wirklich? Und was wollen sie von mir?
"Keine Angst, wie bringen dich nach hause. Alles wird gut." Sagte die Frau neben mir.
Ich nickte, versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die sich immer sammelten, wenn sie mein Zuhause erwähnten. Ich hatte keins. Und vor der Enttäuschung meiner Eltern hatte ich noch mehr Angst als vor diesen Menschen.

Nach mehreren Stunden hielt der Wagen an. Wir standen vor einem Krankenhaus. Sie öffneten die Tür. Heimlich riss ich die Seite der Akte mit den Opfern raus und steckte sie ein. Dann stieg ich aus. Sonne strahlte in mein Gesicht. Es war ein schöner Tag, warm, wolkenlos. Und trotzdem konnte ich ihn nicht genießen.
"Ich hab dafür gesorgt, dass sie eine schnelle Untersuchung bekommen. Nachdem, was passiert ist, ist es wohl besser so, ich denke da stimmen sie mir zu?" Fragte der Rothaarige. Ich nickte.
"Gut"
Wir gingen in den großen Empfangsraum, und er tauschte einige Worte mit der Dame aus, die an ihrem Schreibtisch saß und auf ihren Bildschirm starrte. Nachdem sie ihr Gespräch beendet hatten, kam er auf mich zu und schüttelte meine Hand. "Es war mir eine große Ehre, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Sie werden später von ihrer Familie abgeholt, wenn sie hier fertig sind." Ich nickte. "Vielen Dank" sagte ich. "Es war mir ein Vergnügen" dann ging er. Hass auf ihn kochte in mir, aber ich wusste nicht warum. Er hatte mir schließlich mein Leben gerettet. Eigentlich müsste ich ihn dankbar sein, aber ich fühlte nichts als Hass. Vertraue niemanden. Vielleicht hat er mich nicht gerettet. Vielleicht ist dass alles eine Lüge. Das Krankenhaus nur eine Attrappe, um mich zu täuschen. Aber warum? War ich wichtig?
Eine Mann kam auf mich zu. Er hatte kurze, blonde Haare und trug eine Brille, die ihn intellegent aussehen ließ.
"Hey, ich bin Paul Sonda, dein Arzt."
"Hallo" ich schüttelte seine Hand.
"Thalia Queen, richtig?" Ich nickte.
"Wie geht es dir?"
"Ganz okay"
Wir gingen zu einem kleinen Untersuchungsraum. Ich musste schonmal in einem Krankenhaus gewesen sein, denn alles kam mir so vertraut vor. Der Geruch, die weißen Wände, die Geräusche, nur die Menschen nicht.
"Dann lass uns mal deine Werte checken" sagte er.
"Okay"
Er nahm mir Blut ab, sah sich meine Wunde am Kopf an, untersuchte meinen Oberschenkel, verarztete meinen physischen Verletzungen und testete meine Augen.
"Du bist kerngesund, abgesehen von einigen oberflächlichen Kratzern."
Ich nickte. Das wusste ich alles schon.
"Wann kommen meine Erinnerungen wieder?"
"Das kann ich nicht genau sagen. Vielleicht nie. Mach die nichts draus. Es interessiert niemanden wer du einmal warst, sondern wer du bist. Fang ein neues Leben an, irgendwo, weit weg von deiner Vergangenheit."
Ich sollte also wegrennen.
"Danke" sagte ich.
Er lächelte.
"Warte kurz, wir sind noch nicht ganz fertig" meinte er und kramte nach irgendetwas in einem Schrank hinter ihm. Stolz holte er eine Spritze, gefüllt mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, aus einem der Fächer. Ich schreckte zurück.
"Keine Angst, ist nur damit deine Wunden schneller heilen."
"Ich brauche es nicht" er hatte es selbst gesagt. Angst durchfloss meinen Körper. Was war diese Flüssigkeit?
Es kam näher, die Spritze in seiner Hand.
"Keine Angst, sie kann den Heilungsprozess nur beschleunigen."
"Sie ist also ungefährlich?" Fragte ich.
"Ja, diese Dosis könnte nichteinmal einer Fliege etwas zu leide tun" lachte er.
Vertraue niemanden außer dir selbst.
Ich atmete erleichtert aus. Irgendwas in mir assoziierte eine Spritze mit unendlichen Schmerzen.
"Okay, ich vertraue ihnen" sagte ich und lächelte.
"Danke, ich fühle mich geehrt"
Ich streckte meinen Arm aus. Er strich mit einem getränkten Tuch über meine Vene, dann nahm er die Spritze wieder in seine Hand. Kurz bevor sie auf meine Haut traf, schloss ich meine Hand um seine und drückte so lange zu, bis seine Finger vor Schmerz lockerließen und die Spritze zu Boden fiel. Kurz bevor die auf den Fliesen aufkam und in tausend Stücke zersprang fing ich sie auf. Noch bevor er realisieren konnte, was gerade passiert ist, hämmerte ich die Spritze seinen Hals und drückte.

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