KAPITEL 4

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Er verfolgte mich. Ich konnte sein Gesicht sehen, selbst wenn meine Augen nicht geschlossen waren.

Ich konnte ihn schreien hören, obwohl er schon tot war als ich ihn fand.

Ich weinte. Ich schrie. Ich kämpfte dagegen an, aber ich bekam ihn nicht aus meinem Kopf.

Ich riss meine Augen auf.

Das Weiß schmerzte in meinen Augen, doch jetzt hieß ich den Schmerz willkommen.

Er lenkte mich ab, er ließ die Bilder verschwinden. Zumindest für kurze Zeit.

Langsam gewöhnten meine Augen sich an das Licht.
Dinge kamen zu Vorschein.
Umrisse.
Ich konnte sehen.

Ich starrte an die Decke. Es waren weiße Fließen, glänzend, von schmutzigen schwarzen Fugen umrandet.

Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Angst?
Reue?
Trauer?
Wut?

Stattdessen fühlte ich nichts. Mein Kopf war leer. Meine Erinnerungen verließen meinen Geist, ließen eine verlorene Seele zurück, die nicht wusste, wer sie ist.

Ich war mir inzwischen sicher, dass sie mit Schmerzmittel oder sowas gegeben hatten, der einzige Grund weshalb ich so ruhig bleiben konnte. Anscheinend machte sie mich auch ein bisschen depressiv.

Ich lachte. Ich weiß nicht warum, aber plötzlich begann ich zu lachen und ich konnte nicht mehr aufhören.
Ich realisierte etwas später, dass ich gar nicht lachte.
Ich schrie.

Ich konnte keine Tür sehen, keinen Ausweg, aus dieser Situation, aus meinem seelischen und physischen Gefängnis.

Der Boden und die Wände waren auch mit diesen schrecklichen weißen Fließen bestückt. An der Decke hingen grelle, weiße Neonröhren. Dann gab es das Bett, auf dem ich lag. Es war alt, die Matratze hart und das Gestell war aus Metall, welches bei jeder Bewegung ein wenig quitschte. Die Decke und das Kissen waren in einem dreckigen Weiß und sahen alt und benutzt aus.

Ich hasse weiß.

Der Raum war klein. Doch das war es nicht, was mir am meisten Angst machte.

Es war die Stille und die Einsamkeit, die meinen Willen und meine Kraft langsam zerstörten.

Es war dieses Weiß, das meine Augen Tränen lies.

Es waren die Erinnerungen, die meine Seele vergiften und meine Hoffnung zerschlugen.

Verängstigt sah ich mich um.
Es war, als wäre jemand hier. Beobachtete mich. Macht sich Notizen und lacht.
Doch es gab keinen Spiegel, wie in solchen Filmen, einen Spiegel der auf der anderen Seite ein Fenster ist. Vielleicht gab es eine Kamera? Ich sah mich um. An der Decke, in der Mitte des Raumes sah ich sie. Schwarz und rund, wie die Kameras in Bussen oder Bahnen, trohnte sie über meinem Kopf. Lachte über meine Unfähigkeit.

Ich schrie vor Wut und Verzweiflung.
"Ich hoffe du hast, was du wolltest, du Perverser!" Rief ich und weinte.

Es kam mir endlos vor, bis ich wieder aufhörte zu weinen. Ich wollte mich jetzt zusammenreißen.
Ich wollte herrausfinden, wo ich bin und wie ich hier rauskomme.

Vorsichtig versuchte ich aufzustehen, schwang meine Beine über die Bettkante und drückte den Rest meines Körpers hoch. Dann stützte ich mich vorsichtig auf meine Beine. Für einige Sekunden stand ich, dann gaben meine Beine nach und ich fiel. Ich wusste nicht, was sie mir gegeben hatten, aber ehrlich gesagt wollte ich es gar nicht wissen.

Ich trug nur meine Unterwäsche und ein Top, welches ich auch an dem Tag anhatte, an dem sie mich holten.
Ich versuchte ruhig zu bleiben und mir nicht vorzustellen, was genau sie noch mit mir angestellt haben konnten, ohne dass ich es bemerkte.
Dann sah ich mir meine Arme an. In meiner linken Armbeuge war ein Pflaster. Ich riss es weg, und zwei kleine Blutflecken klebten im Inneren.
Also zwei Spritzen. Wieso zwei?
Was haben sie mit mir gemacht?
Ich sah meine Hände an. Meine Fingernägel waren kurz, kürzer als an jenem Tag, wenn ich mich richtig erinnerte.
Auf der Innenseite meines Handgelenkes war ein kleines Tatoo. Es sah aus wie... ein Barcode... und darunter war eine Zahl;
3 00 11 008. Es sagte mir nichts.
Ich sah mich nochmal genauer um. An einer Wand hing etwas Silbernes. Immer noch unfähig zu stehen und zu gehen, kroch ich auf den Boden zu dem Objekt. Es war etwa so groß wie ein Smartphone und bestand aus Metall, welches an die Wand geschraubt wurde. Ich setzte mich auf die Knie und drückte, zog, hämmerte und schlug. Nichts passierte.

Seufzend ließ ich mich auf den Boden fallen.

Sekunden später war ich eingeschlafen, obwohl ich noch nicht solange wach gewesen war. Es war ein traumloser Schlaf. Dunkel und Still.

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