KAPITEL 18

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Ich sprang auf.
ER kam rein, und ER schob jemanden vor sich her.

Seine Anwesenheit gab mir das Gefühl, als könnte ich schweben, so leicht war ich.
Seine Augen waren schwarz, keine Iris, kein Weiß. Verwischtes Blut umrahmte sie. Und trotzdem glaubte ich, ich könne noch das atemberaubende Blau seiner Augen sehen.
"Sam?"
Mein Herz sprang kleine Sprünge, auch wenn es mich schmerzhaft war, ihn so zu sehen.
"Tha- thalia?"
Seine Stimme war noch immer dieselbe. Es war, als flatterten Schmetterlinge durch meinen Bauch.

Scheiße. Ich hatte IHM geradeeben verraten, dass ich nicht mehr blind bin. Egal. Alle Gefühle verwandelten sich in Glück, und das erste Mal, seit zu langer Zeit, lächelte ich.

Sam sah eigentlich relativ unversehrt aus, abgesehen von den Augen.
"Was habt ihr mit ihm gemacht?" Flüsterte ich.
"Nichts besonderes. Nur ein paar... Tests."
Ein paar Tests? Wenn er auch nur halb so litt wie ich es tat, werden sie das doppelte bezahlen.
Ich sah IHN an. Seine kleinen Augen hinter der dicken Brille. Seine Sommersprossen, die sein komplettes Gesicht sprenkelten. Seine Halbglatze mit einem Flaum roter Haare. Ich hasste ihn, so sehr.
"Was habt ihr mit ihm gemacht?" Schrie ich.
"Thalia, beruhige dich" flüsterte Sam, doch es war mir egal. Wenn er keine Rache wollte, so brauchte ich noch immer die meine.
Ich ging auf IHN zu. Wut kochte in meinen Venen. "Nur ein paar Tests?"
Er hielt die Hände hoch, wollte mir zeigen wie wehrlos er war. Das ich nicht lache. Er war das pure Böse, und wenn etwas eine Waffe war, dann seine Existenz. Eine Waffe gegen das Gute in den Menschen.
Er löscht sie einfach aus. Wie ein Buch, dessen Seiten man außgerissen hat.
Ich wollte meine Rache. Und ich wollte sie jetzt.

Meine Faust landete auf seiner Nase. Sie fing sofort an zu bluten. Ich tritt in seinen Bauch. Er taumelte zurück, beugte sich an vorne und kotzte auf den Boden. Ich folgte ihm. Dann hielt ich seinem Kopf, der der noch immer nach vorne gebeugt war, fest und rammte ihm in mein Knie. ER jaulte auf vor Schmerz und ich genoss es. Dann schubste ich ihn weg von mir.
"Und, wie fühlt sich das an?" Schrie ich.
Genugtuung durchsetzte mein Herz.
Das war also der Anfang. Der Anfang meiner endlosen Rache.

"Thalia?" Flüsterte Sam.
Ich drehte mich zu ihm. Sah den entsetzten Ausdruck in seinem Gesicht.
"Es tut mir leid." Flüsterte ich und umarmte ihn. Tränen liefen an meinem Wangen hinunter und durchnässten seine Kleidung. Seine warme Hand strich sanft über meinen Rücken.

"Willst du mir mir fliehen?" Flüsterte er in mein Ohr.
Ich nahm seine Hand.
"Mehr als alles andere in der Welt"

Ich löste mich aus der Umarmung und ging zu IHM. Er hatte seine Augen geschlossen und lag auf dem Fußboden. Ich durchsuchte meine Taschen nach seiner Karte. Der Schlüsselkarte, durch die ich diesen Albtraum verlassen könnte. Sie war in seinem Portemonnaie neben ziemlich viel Geld. Ich ließ es da. Nahm die Karte und warf das Portemonnaie neben seinen leblosen Körper. ER öffnete seine Augen. Dann begann ER zu lachen. Kein gruseliges, böses Lachen sondern kindliches Gekicher, das mich unglaublich agressiv machte. Sam nahm meine Hand und zog mich von ihm weg.
"Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ihr fliehen könnt!" Schrie ER. Ein Schauer lief über meinen Körper. Oh doch, das glaubte ich.
Nein, ich wusste es.

"Lass uns hier abhauen!" sagte Sam.
Ich nickte.

Und dann rannten wir. Hand in Hand in die Freiheit.

Kurz bevor wir die Tür erreichten, begann die Sirene zu jaulen. Einige bewaffnete Menschen rannten auf uns zu.
"Mach schon" zischte Sam.
Ich zog die Karte durch den Schlitz und langsam öffnete sich die Tür. Mit klopfendem Herzen trat ich raus. In die Freiheit.

Das Licht schmerzte in meinen Augen. Der Wind zerrte an meiner Kleidung und ich begann sofort zu frieren. Als ich ausatmete, sah ich weißen Dunst aufsteigen. Hinter den Bäumen ging die Sonne auf, tauchte alles in goldenes Licht.
Tränen liefen über meine Wangen. Es war so wunderschön. Viel schöner als ich es mir jemals hatte vorstellen können.
Freiheit. Ich ließ das Wort auf meiner Zunge zergehen wie ein Stück bittere Schokolade.

Sam nahm meinen Arm. "Los, komm!" Zischte er. Ich drehte mich um. Die Tür war zwar geschlossen, aber Geräusche drangen durch das dicke Metall. Schritte. Und sie kamen näher.
Wir liefen los, in den magisches Nebel, der nach und nach in der Erde versank.
Die Freiheit zum greifen nahe- wie ein Traum und doch irgendwie real.

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