"Ähm ja.", stochere ich vor mich herum und meide Liams bohrenden Blick.
Verdammt, das war mehr als nur wundervoll. Das war einfach perfekt!
Warte mal! Es war perfekt? Wie tief bin ich gesunken, dass ich erstens einen Jungen küsse, der nicht Lukas ist und zweitens ist das wahrscheinlich eh nur gelogen und alles gespielt von ihm.
"Sprachlos?", fragt Liam und verschränkt die Arme lässig vor der Brust.
Ich und sprachlos?
"Als ob, ich habe mir nur überlegt, was ich sage, damit du nicht gleich enttäuscht bist.", sage ich ganz normal, während das Feuer immer mehr nachlässt.
Liam kneift die Augen zusammen.
"Gelogen, aber egal. Jetzt weiß ich wenigstens, dass du ein bisschen was für mich empfindest."
Wenn ich jetzt ganz normal antworten würde, würde ich so etwas sagen wie 'stimmt überhaupt nicht', aber vielleicht sollte ich mir das mit dem Sagen noch mal genauer überlegen.
"Vielleicht ein wenig.", murmele ich und schaue auf den Boden, aber trotzdem kann ich spüren, wie Liam grinst.
"Nicht sonderlich überzeugend, aber ich bekomme das noch zur felsenfesten Überzeugung hin."
Ich lege den Kopf interessiert schief.
Das hat Lukas doch auch mal gesagt.
"Bekommst du..."
"Aber sicher schaff ich das.", unterbricht Liam mich, als wüsste er schon, was ich sagen wollte.
"Naja, Miss Reich, genug erlebt für heute. Sie bräuchten dringend einen Schönheitsschlaf."
"So bekommst du es auf jeden Fall nicht hin.", sage ich sofort und stoße ihn leicht in die Seite.
Er grinst."Darf ja nicht zu auffällig sein."
Liam beugt sich vor und ich glaube eine Sekunde lang, dass er mich erneut küssen will, stattdessen spricht er direkt neben meinem Ohr.
"Schon mal gut zu wissen, dass ich einen Vorsprung habe. Für Lukas empfindest du nichts außer Freundschaft, aber für mich..."
Liam lässt den Satz abgebrochen und mich ihn in Gedanken selbst vervollständigen.
"Und das mit dem Schönheitsschlaf war nicht böse gemeint. Du bist das hübscheste Mädchen, das ich kenne."
Ich lache.
"Schleimer."
Liam schüttelt ernst den Kopf.
"Es ist nur die Wahrheit."
Verlegen streiche ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und bin froh, dass es schon dunkel ist, sonst würde jetzt jeder sehen, wie ich rot werde.
Da Liam merkt, dass von mir nichts kommt, übernimmt er das.
"Also, gute Nacht, Miss Reich.", sagt er und streift mit seinen Lippen meine.
Es ist zwar nur ein Hauch, aber genug, dass ich wieder ein Feuer in mir spüre. Nur zu gerne hätte ich mehr verlangt, aber ich reiße mich zusammen."Dir auch, Idiot.", sage ich und laufe von Liam weg.
Lange spüre ich seinen Blick auf mir, bis ich um die nächste Ecke biege und der Blick verschwindet.
Wenig später stehe ich vor einem mir sehr bekannten Haus und drücke auf die graue Klingel. Im Haus ertönt eine schöne Melodie, die gedämpft auch noch hier draußen zu hören ist.
Ich warte mehrere Minuten, aber kein Licht geht an und niemand öffnet mir die Tür.
Erneut klingele ich etwas länger, aber alles bleibt still und dunkel.
"Och ne!", bringe ich wütend hervor und laufe die Treppe runter, weg vom Haus.
Wahrscheinlich liegt mein Vater betrunken bei einem Geschäftskollegen, so wie es schon oft war. Aber meine Mutter hatte nie etwas dagegen gehabt.
Seufzend ziehe ich mein Handy aus meiner Jackentasche und versuche Renée zu erreichen, aber ihr Handy ist aus. Bestimmt schläft sie schon. Genauso ist es auch bei Lukas.
Verzweifelt überlege ich, wo ich noch schlafen könnte. Also entweder ich breche zu Hause ein oder ich gehe zu Liam.
Die erste Idee ist etwas zu extrem, aber andererseits will ich auch nicht bei Liam schlafen.
Was anderes bleibt mir aber auch nicht, oder?Müde schleppe ich mich in Richtung der 'Normalen' und dann bis zu Liam.
Nervös knackse ich mit den Fingern, als ich vor der Tür stehe. Nur ein Licht brennt, der Rest des Hauses ist dunkel.
Wie sollte ich erklären, dass ich einen Schlafplatz brauche und deshalb zu meinem Nachhilfelehrer gehe, was Liam und ich ja seinen Eltern erzählt haben, wenn sie mir die Tür aufmachen?
Meine Hand legt sich auf die Klingel, drückt aber nicht zu. Ich will ja auch niemanden aufwecken.
Zögernd nehme ich meine Hand wieder von der Klingel.
Es wäre falsch. Einfach nur falsch.
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Die zehnte Gabe
FantasyGrace lebt mit ihren reichen Eltern auf Onaria, einem Planeten, der unbekannt für uns Menschen ist. Jeder dort verfügt über eine Gabe, welche Grace jedoch noch nicht entdeckt hat. Mit gerade einmal 17 Jahren weiß sie schon, wen sie in naher Zukunft...