Kapitel 7 • Thomas

6.6K 265 87
                                    

Wir verließen gerade Mercy Falls, da schnappte ich ein leises Schluchzen von Lucia auf. Es war so leise, dass sie wahrscheinlich dachte, ich hätte es nicht gehört. Ich drückte meinen Rücken etwas enger an den Sitz und entspannte mich. Lucia neben mir saß ziemlich verkrampft da und starrte aus dem Fenster, als hätte ich ihr verboten, etwas anderes zu machen. Sie tat mir schon leid, aber was hatte ich denn für eine Wahl? Ich brauchte sie, und sie würde mich sicherlich in nächster Zeit auch brauchen.

Etwa eine Stunde später hatte Lucia ihre Beine angezogen, den Kopf ans Fenster gelegt und war wohl eingeschlafen, denn ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Ich versuchte ebenfalls ein bisschen die Augen zuzumachen, allerdings war das nicht ganz so leicht, weil Lucia nämlich anfing, mich im Schlaf zu treten. Immer wieder schnellte ihr Bein vor und traf mich am linken Oberschenkel. Santana lachte belustigt. "Was ist daran so witzig?" fuhr ich sie an. "Nur, dass dich ein kleines Mädchen gleich zur Weißglut treibt." gab sie glucksend von sich. Ich verdrehte die Augen und schloss diese wieder.

Ich war gerade eingeschlafen, da trat Lucia mich schon wieder. Wütend setzte ich mich auf. "Jetzt reicht's mir!" zischte ich leise. "Was hast du jetzt vor?" Ich antwortete nicht, sondern zog Lucia vom Fenster weg. Ich richtete ihre Beine die Sitzbank entlang und legte sie dann auf meinen Schoß, so dass ich ihren Kopf perfekt an der Brust hatte. Ich schlang meine Arme nur zur Sicherheit um sie, denn wir waren nicht angeschnallt. "Hey, gib mir mal das Taschenmesser." Santana reichte es nach hinten. Ich durchschnitt ihre Handfesseln, denn die würde sie ja jetzt nicht mehr brauchen, wo ich sie festhielt. Sie kuschelte sich im Schlaf enger an mich und mir wurde warm ums Herz. Ich liebte es, wenn ich einem Mädchen Geborgenheit geben konnte. Ich lehnte meinen Kopf zurück und schlief dann tatsächlich ein.


☆☆☆☆☆☆☆☆☆


Am nächsten Morgen wackelte Lucia in meinen Armen, weshalb ich auch direkt wach wurde. Ich sagte vorerst nichts, aber als sie sich dann aufsetzte, erhob ich meine Stimme. "Willst du mich schon wieder wecken?" Sie hörte auf, zu ruckeln. "Wieso schon wieder?" fragte sie dann leise, aber ich hörte das Zittern in ihrer Stimme. Süß, wie sie Angst hatte. Ich fuhr mir durch das Gesicht, rieb kurz in den Augen und setzte mich richtig hin. Verdammt, ich hatte wohl ziemlich blöd gesessen, denn ich hatte einen steifen Nacken. "Naja, heute Nacht bist du zwar eingeschlafen, hast mich aber die ganze Zeit getreten. Das hat genervt und weil ich dich nicht schon wieder bewusstlos machen wollte, habe ich dich einfach festgehalten." Sie rutschte wieder in ihre  ursprüngliche Position und beobachtete das Geschehen vor dem Fenster. Irgendwann fragte sie, wo wir sie hinbringen würden, aber Santana antwortete an meiner Stelle. Während Lucia vermutlich gerade weinte, könnte ich vor Freude platzen. Über einen Monat lang war ich immer nur ganz kurz in New York gewesen, nie länger als zwei Tage. Ich zeigte es vielleicht nicht unbedingt, aber ich liebte diese Stadt so unglaublich. Sie war meine wahre Heimat, nicht London.

Lucia starrte weiterhin stur aus dem Fenster. Sie sah so traurig aus, irgendwie tat sie mir leid. Ich griff mir Santanas Handtasche und holte ein Feuchttuch raus. Keine Ahnung, wozu Frauen sowas immer mit sich rumschleppen, aber jetzt war es doch ganz nützlich. Ich rutschte zu Lucia und drehte sie an der Schulter zu mir um. Ihre Augen waren wieder rot und auf den Wangen erkannte ich die vertrockneten Spuren ihrer Tränen. Sie wehrte sich gegen keine meiner Berührungen. Sanft fuhr ich ihr mit dem Feuchttuch durch ihr Gesicht, unter den Augen entlang und über ihr Kinn. Jetzt waren die schwarzen Schatten unter ihren Augen, die sich vermutlich aus Wimperntusche und dem ganzen Mist zusammengesetzt hatten, verschwunden und sie wirkte gleich viel kindlicher. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich währenddessen meinen Arm um sie gelegt hatte, aber ich ließ ihn da. Ich fuhr auch über ihre Wangen, sodass der ganze Dreck verschwand. "Was habt ihr mit Kenna gemacht?" fragte sie schließlich und brach damit das angenehme Schweigen. Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. "Sie hat dasselbe Zeug wie eingeatmet, nur in einer höheren Dosis. Sie müsste jetzt wachgeworden sein. Bevor du Panik kriegst, sie hat einen Inhalator bei sich. Wir haben sie in eine der Kammern gesperrt, die sich aber von innen öffnen lässt." "Sie wird euch bei der Polizei verpfeifen." "Deswegen haben wir ja dich." Ich spielte mit einer ihrer Strähnen. "Denn wenn die Cops bei uns aufkreuzen, halte ich dir einfach ein Messer an die Kehle und schon tanzen die nach meiner Pfeife." Ich roch an ihrer Strähne. Ich sah nur, wie sie verängstigt die Augen zukniff. "Keine Angst Engelchen, das mache ich nur, wenn es wirklich nötig ist. Oder wenn du mir auf den Geist gehst." Ich ließ von ihr ab und sank zurück in meine vorherige Position. Ich freute mich einfach schon auf New York.















Flashlight (German Thomas Sangster FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt